Brasiliens künftiger Präsident Lula will die Abholzung im Amazonas-Regenwald stoppen – und wird bei der Klimakonferenz dafür gefeiert wie ein Rockstar.

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"Erwartet einen Lula, der sehr viel mehr fordern wird!" Damit schloss der angehende brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva – kurz Lula – seine Ansprache auf der Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheikh. Die Menschen im Saal jubelten und klatschten im Takt, manche tanzten ein paar Schritte.

Der neugewählte Lula wird auf der Weltklimakonferenz wie ein Rockstar empfangen. Bereits eine Dreiviertelstunde vor dem Start seiner Rede bleiben die Türen des Saals wegen Überfüllung geschlossen. Wo immer er erwartet wird, bilden sich Menschentrauben. Am Rande der zähen und komplizierten Verhandlungen zur Klimafinanzierung und zur Verantwortung für Klimaschäden bringt er neuen Schwung auf das Konferenzgelände.

Dort macht er deutlich: Mit ihm werde es einen harten Bruch mit der Politik der vergangenen Jahre geben. Es ist ein Bruch, der auch auf der Konferenz deutlich zu spüren ist, wo neben dem Team Lulas auch die Delegation der amtierenden Regierung von Jair Bolsonaro vertreten ist. Sie ist es, die Brasilien in den Verhandlungen vertritt. Schließlich übernimmt Lula die Präsidentschaft erst mit Anfang des kommenden Jahres. Wer beim brasilianischen Delegationsbüro nach Lula fragt, wird abgewimmelt. "Wir arbeiten nicht für Lula", antwortet eine Delegierte knapp – und schließt die Tür.

Ein Versprechen, die Abholzung zu stoppen

Lulas Besuch ist ein Zeichen für die Kehrtwende, die er einläuten will – Brasilien ist zurück in der Klimadiplomatie und will ordentlich aufmischen, so die Message. Etwa will Lula fordern, dass reiche Länder ihr Versprechen der jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung erfüllen. Der bislang höchste Betrag wurde im vergangenen Jahr mit nur rund 83 Milliarden gezahlt.

Innerhalb des Landes will Lula die Entwaldung stoppen, die während Bolsonaros Amtszeit massiv beschleunigt wurde. Allein zwischen 2019 und 2021 verlor Brasilien eine Fläche des Amazonas etwa so groß wie Belgien. In den vergangenen Monaten wurde sogar noch schneller abgeholzt.

Diesen Kampf gegen die Entwaldung will Lula in den Klimaverhandlungen weiter in den Vordergrund rücken. Geht es nach ihm, soll dafür die UN-Konferenz im Jahr 2025 im Amazonas stattfinden. "Der Kampf gegen die Erderhitzung kann ohne einen geschützten Amazonas nicht gewonnen werden", so Lula. Seine Regierung werde keine Mühen scheuen, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Dazu will er auch die indigene Bevölkerung stärker einbinden – es soll ein eigenes Indigenen-Ministerium geben.

Gespaltene Gesellschaft

"Lula hört uns Indigenen zu", sagt Txai Suruí, die vor dem Pressesaal steht, in dem Lula spricht. "Wir haben in den vergangenen Jahren viel Wald und viele Leben verloren. Unsere Hüter des Waldes wurden ermordet." Jetzt könne ihre Gemeinschaft aufatmen. Und nicht nur sie: Die Welt brauche diesen Lichtblick, sagt die junge Aktivistin, die in einer indigenen Gemeinde im brasilianischen Bundesstaat Rondônia lebt. Auch wenn Lula noch nicht mitverhandlen könne, spüre man seine Präsenz auf der Konferenz, sagt sie.

Die Klimaaktivistin Txai Suruí hofft, jetzt aufatmen zu können.
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Aber es werde nicht einfach, ergänzt sie sofort. Bolsonaro habe so viel Schaden angerichtet, und die Gesellschaft sei tief gespalten.

Letzteres betont auch Rony Walter Azoinayce Paresi, der für eine indigene Gemeinschaft im Bundesstaat Mato Grosso, zur Klimakonferenz gereist ist. Für ihn muss Lula erst einmal beweisen, dass er den Indigenen tatsächlich zuhört und die Zusammenarbeit ernst meint.

Handelsabkommen Mercosur könnte weiterverhandelt werden

Mit dabei auf der Klimakonferenz ist auch Marina Silva, Lulas ehemalige Umweltministerin. Sie machte sich wegen ihrer klaren Linie zum Umweltschutz einen Namen und trat 2008 nach einer fünfjährigen Amtszeit zurück, weil sie die Linie der Regierung zum Ausbau von Wasserkraft, zu Biokraftstoffen und gentechnisch veränderten Pflanzen nicht länger mittragen wollte. Jetzt ist sie wieder im Gespräch für das Ministeramt.

Die ehemalige Umweltministerin Marina Silva reiste zusammen mit Lulas Team nach Sharm El-Sheikh.
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"Wir haben jetzt eine Regierung, die sich verpflichtet, die Abholzung auf null zu reduzieren", sagt sie gegenüber dem Standard. Ein Schlüssel dazu sei eine kohlenstoffarme Landwirtschaft, sagt sie. Dazu werde es eine Zertifizierung geben, die die Produktion steigern, aber die "räuberische Ausbreitung der landwirtschaftlichen Grenzen" stoppen soll.

Auch die Verhandlungen zum umstrittenen Freihandelsabkommen zwischen den Mercosur-Staaten und der EU könnten wieder aufgenommen werden, deutet sie an. Die Verhandlungen liegen seit 2019 auf Eis, weil eine noch massivere Entwaldung befürchtet wurde. "Brasilien wird jedoch kein Risiko eingehen, den Schutz des Amazonas zu bedrohen", sagt die Politikerin, die selbst im Amazonas aufgewachsen ist.

Ein Preisschild für den Wald

Mit den Forderungen zum Waldschutz knüpft Brasilien an mehrere Erklärungen an, die in den vergangenen Jahren gemacht wurden: Auf der Klimakonferenz in Glasgow im vergangenen Jahr setzten sich 145 Staaten zum Ziel, bis 2030 keinen Wald mehr zu zerstören. Zwar geht die weltweite Entwaldungsrate heute tatsächlich zurück – doch viel zu langsam, um das Ziel innerhalb der nächsten sieben Jahre zu erreichen. Wald zu schützen ist bislang wenig attraktiv, ihn zu nutzen lohnt sich wirtschaftlich.

Die Regenwaldnationen, unter anderem Brasilien, pochen daher seit jeher darauf, sich den Schutz ihrer Wälder von den reichen Industrienationen finanziell abgelten zu lassen. Teilweise mit Erfolg: Einige Staaten unterstützen schon seit Jahren Regenwaldprojekte – allerdings auf rein freiwilliger Basis.

Mit der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sehen Regenwaldnationen eine neue Möglichkeit, mit Waldschutz Geld zu verdienen. Artikel sechs des Abkommens regelt den internationalen Emissionshandel, wodurch sich Staaten die Klimaschutzbemühungen, in der Regel für Geld, untereinander anrechnen lassen können. Das kann die Schließung eines Kohlekraftwerks sein – oder aber Wald, der nicht abgeholzt wird. Letzteres schlagen vor allem waldreiche Nationen vor.

"Opec der Regenwälder"

Diese versuchen sich nun auf der internationalen Bühne mehr Gehör verschaffen. Brasilien, die Demokratische Republik Kongo und Indonesien haben sich im Vorfeld der Klimakonferenz zu einer Allianz zusammengeschlossen. Zusammen besitzen die drei Länder mehr als die Hälfte der globalen Regenwaldfläche.

In Anspielung auf die Allianz der ölfördernden Staaten bekamen sie den Spitznamen "Opec der Regenwälder" – zusammen wollen sie ihre Kräfte in Verhandlungen bündeln. (Alicia Prager, Philip Pramer aus Sharm el-Sheikh, 18.11.2022)