Alles weiter wie gewohnt, alles weiter turbulent unter Neo-Twitter-Chef Elon Musk.

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"Lange Arbeitszeiten mit hoher Intensität" oder das Unternehmen verlassen: Mit diesem Ultimatum hat Twitter-Chef Elon Musk seine Angestellten vor die Wahl gestellt. Laut US-Medienberichten dürften sich viele für Zweiteres entscheiden – und das Unternehmen "freiwillig" verlassen.

Verheerende Folgen der "Hardcore"-E-Mail

Das Ultimatum ist offensichtlich nach hinten losgegangen und stellt eine Implosion des Nachrichtendienstes in Aussicht. Noch gibt es keine bestätigten Zahlen, eine anonyme Umfrage unter 180 Twitter-Angestellten zeigt allerdings, dass 42 Prozent zum Ausstieg tendieren. Ein weiteres Viertel wolle "widerwillig" bleiben, lediglich sieben Prozent wollen "hardcore" weiterarbeiten.

Laut Fortune-Journalistin Kylie Robison sollen sich sogar rund 75 Prozent der verbleibenden 3.700 Mitarbeiter dafür entschieden haben, nicht im Unternehmen bleiben zu wollen. Das würde bedeuten, dass Twitter künftig weniger als 1.000 Personen beschäftigen würde.

Hunderte Mitarbeiter, die bereits gekündigt haben, hätten zudem immer noch Zugriff auf interne Systeme. Und zwar deshalb, weil die dafür Verantwortlichen ebenfalls schon ihren Posten geräumt haben. Hinzu kommen Kündigungen aus Entwicklerteams, die die kritische Infrastruktur des Nachrichtendienstes bislang aufrechterhalten haben. "Man kann Twitter nicht ohne dieses Team betreiben", soll ein Entwickler The Verge berichtet haben.

Angst vor Racheaktionen

Aus Sorge, dass die vergrämten und gefeuerten Angestellten zu Rache- und Sabotageaktionen greifen könnten, wurde laut übereinstimmenden Berichten der Bürokomplex für alle Mitarbeiter geschlossen. Alle Zutrittskarten seien deaktiviert worden, das soll zumindest bis Montag so bleiben. Dann werde es Gewissheit geben, wer das Unternehmen verlässt – und wer nicht. Mitarbeiter, die sich bis dahin im Büro aufgehalten haben, seien von Security-Mitarbeitern vom Gelände gebracht worden.

Dass diese Maßnahmen offenbar nicht ausreichen dürften, beweist ein Tweet, der in der Nacht auf Freitag abgesetzt worden ist. Aus dem Video geht hervor, wie die Laufschrift am Twitter-Hauptquartier in San Francisco für Schimpftiraden auf Elon Musk herhalten musste.

Elon Musks Reaktionen dazu fallen zynisch aus. In den letzten Stunden postete er Memes, die unter anderem zeigen, dass Twitter sich selbst zu Grabe trägt und dass Ligma und Johnson, die Mitarbeiter die er kürzlich wieder zurück zu Twitter holte, noch die einzige Hoffnung wären. Zudem merkte er an, dass man mit Social Media ein kleines Vermögen machen könne, indem man mit einem großem beginne.

Foto: Screenshot Twitter

#RIPTwitter trendet

Was den Nachrichtendienst selbst betrifft, verbreitet sich #RIPTwitter derzeit wie ein Lauffeuer. Mehr als 650.000 Tweets sind bereits abgeschickt worden und reagieren teils traurig, teils humorvoll auf das Twitter-Drama, das sich derzeit hinter den Kulissen des Unternehmens abspielt und Stück für Stück an die Öffentlichkeit getragen wird.

Auf Platz eins der Twitter-Trends rangiert derzeit aber #Mastodon. Der dezentrale Nachrichtendienst, der in den letzten Wochen gehörigen Aufwind erlebt hat, könnte sich in Anbetracht der Entwicklung von Twitter tatsächlich noch zu einer ernsthaften Alternative entwickeln.

Ein Tweet von Elon Musk zeigt, wie Twitter von Twitter zu Grabe getragen wird.

Wochenlang im Krisenmodus

Seit der 44 Milliarden Dollar teuren Übernahme des sozialen Netzwerks durch Elon Musk bleibt kein Stein auf dem anderen. Nachdem Musk direkt nach der Übernahme die gesamte Führungsriege feuerte, wurden auch mehrere tausend Mitarbeiter kurzerhand vor die Tür gesetzt – nur um zu erkennen, dass einige von ihnen doch gebraucht und wieder zurückgeholt werden sollen.

Gleichzeitig will Musk ein acht Dollar teures Abo-Modell für verifizierte Nutzer einführen. In der chaotischen Gemengelage haben einerseits Cyberkriminelle ihre Chance gewittert und andererseits Troll-Accounts eine "Echtheitsverifizierung" erhalten. Zu allem Überfluss sollen nun auch Verbraucherschutzbehörden das Chaos bei Twitter überprüfen. Zumindest, wenn es nach US-Senatoren geht. (balm, bbr, 18.11.2022)