Mit Oswald Oberhuber verband Rudi Schmutz eine jahrzehntelange enge Freundschaft. 1993 verewigte der Künstler den größten Privatsammler seiner Werke. Rufpreis: 3000 Euro.

Foto: "im Kinsky"

Die im Jänner 2017 zur nächtlichen Stunde verschickte E-Mail löste sogleich und noch Stunden später Betroffenheit aus. "Unser ‚großer Vorsitzender‘ hat uns verlassen", war unter dem Betreff "zur Erinnerung an unseren Rudi" zu lesen, "ein schwerer Verlust", nicht nur für die engsten Freunde und Freundinnen unter den Adressaten: all jenen Gesprächspartnern, mit denen sich der damals im 84. Lebensjahr verstorbene Rudi Schmutz (1933–2017) sonst jeden Sonntag im Café Weimar und in größerer Runde jeden Donnerstag im Café Engländer zu treffen pflegte.

Er war ein in vielerlei Hinsicht bunter Hund. Nicht nur ob seiner Bekanntheit in Sammlerkreisen weit über die geografischen Grenzen Österreichs hinaus. Auch wegen seiner charakteristischen Livree, der kreischgelben Hemden und der himbeerroten Baskenmütze. Im Gewusel einer Vernissage war er stets schnell auszumachen. Der erfrischende Farbtupfen inmitten einer vom Mainstream durchsetzten Szene. Ausgestattet mit einer leidenschaftlichen Wissbegier, die oft bezauberte und seltener auch nerven konnte.

In der Sammlung Schmutz finden sich zahlreiche Werke des politisch umstrittenen (NSDAP-Mitgliedschaft) Künstlers Karl Sterrer. Diese idyllisch-akkurate Gebirgslandschaft entstand 1922.
Foto: "im Kinsky"

Wo sind die Rudis?

Der Verlust wiege umfassender, betonte eine seiner Weggefährtinnen, weil: "Wo sind sie denn die Rudis? Wo sind sie, die sich nicht nur für das eine oder andere, sondern für das Ganze interessieren, denen Kunst ein Lebenselixier ist und die ihre Interessen so breit streuen?" Ihr treffendes, weil realistisches Resümee: "Wir verlieren so langsam eine Generation umfassend gebildeter, neugieriger, nicht nur vordergründig Interessierter – wir verlieren die Liebhaber, um das kitschige alte Wort für Laien zu bemühen."

Was mit der über Jahrzehnte aufgebauten Kunstsammlung passiere, war damals zwar nicht die drängendste, wenngleich eine naheliegende Frage. Hinweise auf eine Antwort finden sich jetzt in Katalogen des Auktionshauses "im Kinsky".

Im "Auftrag eines vom Verlassenschaftsgericht bestellten Gerichtskommissärs" werden dort in den Sparten Klassische Moderne (8. Dezember) sowie Zeitgenössische Kunst (9. Dezember) etwas mehr als 50 Kunstwerke aus der "Sammlung Rudolf Schmutz" versteigert: zu Rufpreisen, die dem jeweiligen Limit entsprechen. Grundlage dafür bildet das Gutachten eines Sachverständigen, bemessen am Verkehrswert, der sich an den Verkaufserlösen vergleichbarer Objekt hierzulande auf der Handelsstufe Privatverkauf orientiert.

"Bacchus", ein Frühwerk Karl Sterrers (1885-1972) aus dem Jahr 1911. "Junior" vermerkte der Sohn des gleichnamigen Bildhauers (1844-1918). Rufpreis: 3500 Euro.
Foto: "im Kinsky"

Schutz- statt Schätzwerte

Da und dort fielen die Kalkulationen wohl etwas ambitioniert aus. Im Hinblick auf die Sensibilität des Marktes bei Überangeboten entsprechen sie teils eher Schutz- als Schätzwerten. Fakt ist allerdings, dass laufende Kosten aus dem Verlassenschaftsverfahren, darunter auch für die Anmietung mehrerer Lager oder Versicherungen, oder auch Pflichtansprüche bedient werden müssen, wie Der STANDARD in Erfahrung brachte.

Mit anderen Worten: Hinter den Kulissen tobt ein Streit um das Erbe von Rudi Schmutz. Monetär geht es um einen mittleren siebenstelligen Wert, bei dem die Kunstsammlung eine wesentliche Rolle spielt, für die Schmutz in seinem Testament jedoch keine spezifische Verfügung festgelegt hatte. Als Teil der Erbmasse umfasste sie am Ende rund 820 dem Kunsthandwerk zuordenbare Objekte sowie etwa 950 Werke der bildenden Kunst.

Karriere bei Unilever

Der 1933 in Wien geborene Sammler hatte sich einst bei Unilever vom Trainee und über Stationen in Rotterdam, London und New York an die Spitze der Österreich-Tochter hinaufgearbeitet. Es gebe Menschen, sinnierte er einmal, "die verkaufen nicht nur Zahnpasta, die reden und denken auch Zahnpasta". So wollte Schmutz nie sein, die Kunst war sein Ausweg, sie bot ihm Distanz und Visionen gleichermaßen.

Eine undatierte Mischtechnik und Collage von Oswald Oberhuber, die zumindest 15.000 Euro einspielen muss.
Foto: "im Kinsky"

Bereits als Werkstudent nannte er erste Arbeiten Oswald Oberhubers sein Eigen. Dazu kamen damals als Kitsch belächelte Objekte des Jugendstils. Lötz-Vasen, Keramiken der Wiener Werkstätte oder von Zsolnay, die Vitrinen füllten und Fensterbänke säumten. Zwischendrin Büsten von Lenin und anderen sozialistischen Helden und Despoten. Unmengen an Gemälden füllten Lager und schmückten Wände: ein Panoptikum jüngerer österreichischer Kunstgeschichte, darunter der politisch umstrittene Karl Sterrer und Karl Wilhelm Diefenbach, der Urvater der Alternativbewegung.

Morbider Wandschmuck

Allein ihrer Vielseitigkeit wegen gehört diese Sammlung zu einer der bedeutenderen, die seit den 1960er-Jahren in Wien gedieh. Oberhuber, Sterrer und Diefenbach sind Teil jener Formation, die jetzt auch "im Kinsky" mit Werken vertreten ist und einen Erlös von rund 325.000 Euro bescheren sollen.

Und die legendäre, etwa 400 Parten umfassende Kollektion, die Besucher seines farbenreichen Universums im Vorzimmer empfing? Dem Vernehmen nach fristet sie ihr Dasein nun in Plastikboxen. "Ständig an den Tod erinnert zu werden mache das Leben ja lebenswerter", war jene Devise, die Rudi Schmutz auf erwartbare Nachfrage zu dem etwas morbid wirkenden Wandschmuck dann prompt parat hatte. (Olga Kronsteiner, 19.11.2022)