Im Gastblog zeigt Johannes Huber Schritt für Schritt, wie sich eine Formel für den Bau eines Kartenhauses bestimmen lässt.

Um meine Schülerinnen und Schüler mit Funktionsformeln vertraut zu machen, habe ich eine Stunde geplant, in der sie selbst eine Formel finden und aufschreiben sollen. Wir brauchen dafür im Grunde nur Schreibzeug, Papier und ein Kartendeck, aber ein Stapel rechteckiger Bierdeckel eignet sich ebenso.

Der Autor im Selbstversuch.
Foto: Johannes C. Huber

Ein einstöckiges Kartenhaus stellt eine Art freistehendes Dach dar und besteht aus nur zwei Karten:

Einstöckiges Kartenhaus.
Foto: Johannes Huber

Jetzt stellen wir uns vor, dass wir das Haus von oben nach unten erweitern. In der Praxis gestaltet sich das schwierig, weil wir ja eigentlich in die Höhe bauen, aber für unsere weiteren Überlegungen ist diese Herangehensweise durchaus sinnvoll. Für das nächste Stockwerk brauchen wir insgesamt fünf weitere Karten. Vier davon sind für die Wände, und die verbleibende wird zum Boden für das darüberliegende Stockwerk:

Zweistöckiges Kartenhaus.
Foto: Johannes Huber

Für das dritte Stockwerk kommen sechs Karten für die Wände sowie zwei für den nächsten Boden dazu:

Dreistöckiges Kartenhaus.
Foto: Johannes Huber

Uns fällt auf, dass alle "Zimmer" in unserem Kartenhaus nach oben ausgerichtete Dreiecke sind, die (bis auf jene in der untersten Ebene) aus drei Karten bestehen. Wenn wir weiter so vorgehen, erkennen wir womöglich irgendwann ein Muster. Zunächst einmal ist klar, dass die bisher benötigten Karten auch im größeren Haus enthalten sein müssen, weil das kleinere Haus gewissermaßen in das Dach des nächsthöheren wandert. Im nächsten Schritt brauchen wir um eine Karte weniger als die aktuelle Anzahl der Stockwerke, um die Zimmerböden des zuvor untersten Stockwerks einzuziehen. Zum Schluss kommen jedes Mal noch doppelt so viele Karten wie die Anzahl der Stockwerke für die neuen Wände dazu, weil wir stets zwei davon für ein Zimmer ohne Boden brauchen. Wenn wir also beispielsweise ein viertes Stockwerk dazu bauen, brauchen wir einerseits die fünfzehn Karten für ein dreistöckiges Haus (orange) und andererseits vier minus eins, also drei Karten für die nächsten Böden (blau) sowie zwei mal vier, also acht Karten für die Wände (grün):"

Vierstöckiges Kartenhaus.
Foto: Johannes Huber

Insgesamt brauchen wir also 15 + 3 + 8 = 26 Karten. Das sieht schon verdächtig nach einer Formel aus. Nun fassen wir unsere drei Beobachtungen zusammen. Die Anzahl der Karten für ein Kartenhaus mit einem weiteren Stockwerk beinhaltet folgende Elemente:

  1. Die Anzahl der Karten für ein Haus mit einem Stockwerk weniger.
  2. Die aktuelle Anzahl der Stockwerke minus 1 für die zusätzlichen Böden.
  3. Zweimal die aktuelle Anzahl der Stockwerke für die zusätzlichen Wände.

Mit diesen Bausteinen basteln wir uns eine rekursive Formel:

Karten insgesamt = Karten zuvor + Stockwerke − 1 + 2 ⋅ Stockwerke

Um das ein wenig abzukürzen, nennen wir die Anzahl der Karten k und die Anzahl der Stockwerke n:

Die Glieder der dadurch entstehenden Folge k(n) mit k(0) = 0 sind die sogenannten Pentagonalzahlen (Fünfeckszahlen) der zweiten Art und werden passenderweise auch Kartenhauszahlen genannt.

Fragen wie diese können den Lernenden als Ansporn für das Ermitteln der Formel gestellt werden:

  • Wie hoch ist ein Kartenhaus, das aus hundert Karten besteht?
  • Wie viele Karten brauchen wir für ein zehnstöckiges Kartenhaus?
  • Wie viele zusätzliche Karten brauchen wir, um aus einem zehnstöckigen Kartenhaus ein elfstöckiges zu machen?
  • Wie hoch können wir ein Kartenhaus bauen, wenn wir ein Spielkartendeck zur Verfügung haben?
  • Wie viele Decks brauchen wir für ein fünfzehnstöckiges Kartenhaus, und wie viele Karten bleiben übrig?
  • Wie viele Stockwerke hat ein Kartenhaus, sodass keine Karten übrigbleiben, wenn wir nur ganze Decks verbauen möchten?

PS: Eine Möglichkeit der Binnendifferenzierung für Lernende, die eine kleine Hilfestellung benötigen, sind Kartenhäuser, bei denen ausnahmslos jedes Stockwerk – also auch das Erdgeschoß – einen Boden hat:

Foto: Johannes Huber

Die Anzahl der Karten lässt sich in diesem Fall wesentlich einfacher ermitteln, weil wir dafür nur die "Zimmer" des Kartenhauses zählen und und dann ihre Anzahl verdreifachen müssen. Die nach unten ausgerichteten Dreiecke dürfen wir nicht zählen, weil sonst alle Innenwände doppelt vorkommen würden. Um damit auf eine Formel für ein Kartenhaus ohne "Fundament" zu kommen, müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir die jeweils unterste Bodenschicht abziehen können. (Johannes Huber, 22.11.2022)

Update, 23.11.: Auch in der Mathematik passieren Fehler, daher wurde die im Beitrag verwendete Formel sowie das Arbeitsblatt aktualisiert.