11.643 Personen machten heuer im Juli den Medizinaufnahmetest. Abgeprüft werden neben medizinischem Basiswissen auch die Merkfähigkeit, das Textverständnis und die Sozialkompetenz der Bewerberinnen und Bewerber.

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Der Aufnahmetest zum Medizinstudium wird in Österreich gerade heiß diskutiert. Die Frage, wie sehr das Überprüfen sozialer Kompetenzen darin Niederschlag finden sollte, hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Auslöser war die Forderung des Generalsekretärs der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, Reinhold Kerbl, nach einem verpflichtenden einjährigen Pflegepraktikum anstelle der Tests. Seine Forderung fand in der laufenden Debatte jedoch kaum Unterstützung.

Die Unis haben indes neue Prüfungsinhalte ausgearbeitet, die soziale Kompetenz stärker abfragen sollen, wie Sabine Vogl, Vizerektorin der Med-Uni in Graz, vergangene Woche bei einem Hintergrundgespräch ausführte. Die Aufnahmetests gliedern sich aktuell in die Blöcke Basiskenntnisse in Chemie, Physik, Mathematik und Biologie sowie Textverständnis, Merkfähigkeiten und sozial-emotionale Kompetenzen. Der Test wird laufend angepasst. Die Fragen zu sozialen Kompetenzen sind seit 2017 Teil des Aufnahmeverfahrens.

Schwer messbar

Die Fähigkeit, Emotionen zu erkennen, soll künftig noch intensiver abgefragt werden. Weiters soll ein neues psychometrisches Testprozedere, in dem es um das Abtesten der Empathiefähigkeit geht, hinzukommen. In der Eignungsdiagnostik werden sogenannte "Situational Judgement Tests" laut Bildungspsychologin Christiane Spiel häufig eingesetzt. Dabei werden Situationen entweder per Video oder schriftlich vorgegeben. Die Getesteten sollen dann aus einer Reihe vorgegebener Antwortalternativen diejenige Reaktion oder Handlungsalternative auswählen, die ihrer Meinung nach für die Situation am geeignetsten wäre.

Hinsichtlich der Validität der Testergebnisse gebe es jedoch mehrere Probleme. Vor allem bei schriftlich dargebotenen Situationen seien die Informationen sehr stark eingeschränkt: "In realen Situationen sehe ich Personen, sehe ihre Mimik, höre ihre Stimme und habe auch häufig bereits Vorinformationen. Das alles fällt in der Testsituation weg", erklärt die Psychologin.

Außerdem sei davon auszugehen, dass Personen, die in den anderen Subtests gut abschneiden, dies auch hier tun – insbesondere wenn es die Möglichkeit gibt, die Tests zur Messung sozialer Kompetenz in Kursen zu üben. "Hier spielt dann – wie auch generell – die soziale Situation eine Rolle, das heißt, ob man es sich finanziell leisten kann, in solche Paukerkurse zu gehen", sagt Spiel.

Fähigkeiten erlernen

Während des Medizinstudiums wird Sozialkompetenz bereits durch verschiedene Module trainiert. "Seit mittlerweile zehn Jahren gibt es beispielsweise für alle Erstsemestrigen ein Praktikum im Haus der Barmherzigkeit in Wien", sagt Franz Kainberger von der Med-Uni Wien. Er ist innerhalb der Curriculumdirektion unter anderem für soziale Kompetenz zuständig. Um die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erlernen, wird an den Medizin-Unis auch auf Rollenspiele mit Schauspielern gesetzt. "Viele Elemente sind lernbar, aber man braucht eine Basis, auf der man aufbauen kann. Und diese Basis abzutesten macht schon Sinn", ergänzt Kainberger.

Ähnlich bewertet das auch Bildungspsychologin Christiane Spiel: Es sei wichtig zu entscheiden, was die Bewerberinnen und Bewerber für ein Studium schon mitbringen sollten und was im Studium erworben werden könne. Ganz grundsätzlich könnten Auswahlverfahren wie der Medizinaufnahmetest aber nur zeigen, wie wahrscheinlich jemand ein Studium in der vorgesehenen Zeit absolviert. Über die Berufsfähigkeit könne man laut Spiel hingegen keine Aussage treffen: "Ob jemand später einmal eine gute Ärztin oder ein guter Arzt wird, kann so ein Test nicht zeigen." (Anika Dang, 21.11.2022)