So sieht der Ladebildschirm des neuen Shooters aus.

Foto: Screenshot / Activision

Es gibt nicht viele Videospiele, die von den eigenen Fans gleichzeitig so gehasst und doch geliebt werden wie "Call of Duty: Warzone". Der kostenlos spielbare Battle-Royale-Shooter erschien pünktlich zum Ausbruch der Corona-Pandemie und diente Millionen Gamern als Ablenkung von der Krise und als Möglichkeit, Freunde zumindest im virtuellen Raum zu treffen. Dennoch war nicht alles rosig. Das Spiel war gar nicht darauf ausgelegt, für mehrere Jahre mit neuen Inhalten befüllt zu werden. Eigentlich hätte es nur eine Beilage zum Reboot der "Modern Warfare"-Serie sein sollen. Doch dann folgten "Black Ops: Cold War" und "Vanguard", und mit ihnen die Weiterentwicklung von "Warzone".

Mit den Jahren wuchsen allerdings die Probleme und nahmen auf der Map Caldera solche Ausmaße an, dass Teile der Community den Controller weglegten. Umso größer war die Freude, als Activision "Warzone 2.0" ankündigte. Neue Map, neue Engine, neue Mechaniken – und eine Entwicklung, ausgelegt auf eine mehrjährige Lebensdauer. Seit 16. November können sich Spielerinnen und Spieler bereits ins Getümmel stürzen. So auch dieser Autor, der dem Release zwar hoffnungsvoll, aber mit skeptischem Auge entgegenblickte. Wie schlägt es sich also in der Praxis? Fangen wir von vorne an.

Neue Schalte, alter Kern

Das Spielprinzip bleibt an sich gleich. Man wird, ausgestattet mit einer Handfeuerwaffe, auf einer anfangs riesigen, aber immer kleiner werdenden Karte ausgesetzt. Das Ziel: am längsten überleben. Simpel eigentlich. Statt nach Verdansk verschlägt es Spieler diesmal nach nach Al-Mazrah und Umgebung, also einer Stadt in der fiktiven Republik Adal. Das Mapdesign ist vielfältig und strotzt vor Sehenswürdigkeiten. Insgesamt 18 von diesen gibt es, darunter ein Observatorium, ein Flughafen, ein Steinbruch und Al-Mazrah-Stadt.

In der Praxis sieht das nicht nur ziemlich schön aus, sondern spielt sich auch sehr gut. Die Entwickler scheinen die jeweils besten Aspekte von Verdansk und Caldera herausgepickt zu haben, um den Spielfluss zu optimieren. So gibt es jede Menge Vertikalität, wegen der man die eigene Positionierung vorausplanen muss. Aber fürchtet euch nicht, das neue Movementsystem ermöglicht meist auch, steinige Hügel zu erklimmen. Außerdem findet man an ausgewählten Orten Ziplines, bei deren Nutzung man zumindest aus der Hüfte schießen kann, um nicht gänzlich wehrlos zu sein.

Ein Blick auf Al-Mazrah.
Foto: Screenshot / Activision

Interessant ist auch, dass man eigentlich nie in die Situation kommt, sich auf Gegnersuche begeben zu müssen, und das, obwohl Al-Mazrah ein ganzes Stück größer ist als bisher gewohnt. Gesteuert durch die Flugroute und die vorgegebene Anfangszone scheinen Spieler derzeit meist dieselben Orte für eine Landung auszuwählen. So konnte man während des Kurztests meistens drei bis vier Kontrahenten beim Observatorium finden, um sich direkt ins Gefecht zu stürzen. Natürlich bleibt abzuwarten, wie sich das in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt. Niemand hat bisher Routine oder kennt sich allzu gut aus.

Alles zur Ausrüstung

Auch ansonsten hat sich einiges getan, angefangen beim Loadout-System. Noch immer ist es möglich, vor Rundenbeginn eine gewünschte Ausrüstung zu wählen, ähnlich zum Multiplayermodus von "Modern Warfare 2". Man kann also eine Primär- und Sekundärwaffe, aber auch sogenannte Perks aussuchen. Dabei handelt es sich um Verbesserungen, zum Beispiel um die Fußspuren von Gegnern zu sehen oder nicht von Drohnen entdeckt zu werden. Alles beim Alten also? Nicht ganz. Statt wie bisher als Loadout-Drop, kann man an den Kaufstationen nur einzelne Waffen erwerben. Wer das ganze Loadout möchte, muss stattdessen einen Stronghold befreien oder auf einen Event in der zweiten Rundenhälfte warten.

Bei Strongholds handelt es sich um bestimmte Gebäude, die von computergesteuerten Gegnern bewacht werden. Räumt man diese und entschärft anschließend eine Bombe, erhält das ganze Team Zugriff auf den eigenen Loadout. Außerdem werden einem dann menschliche Gegenspieler, die sich in der Nähe befinden, auf der Minimap angezeigt.

Im Umkehrschluss bedeuten diese Einschränkungen allerdings auch, dass in der Welt gefundene Ausrüstung immer wichtiger wird. Im blödesten Fall muss man sich bis zum Rundenende ohne die gewünschten Waffen durchschlagen. Derzeit scheint das noch ziemlich gut zu gehen, vielleicht auch deshalb, weil sich viele noch orientieren müssen.

Jäger und Sammler

Apropos gefundene Ausrüstung: Auch Looting wurde von Grund auf überarbeitet und ist ein Mischung des bekannten Systems (es werden alle Inhalte einer Kiste ausgespuckt und können vom Boden aufgehoben werden) mit klassischen Battle-Royale-Mechanismen. Als Inventar dient also ein Rucksack, in dem man nicht ausgerüstete Gegenstände ablegen kann. Zum Beispiel einen zweiten Self-Revive, Ersatzgranaten oder weitere Schutzplatten. Besiegt man einen Gegner, findet man seinen Rucksack am Boden und kann sich daraus bedienen.

So sieht das neue Inventar aus.
Foto: Screenshot / Activision
Loot liegt teilweise in Regalen, teilweise in Kisten.
Foto: Screenshot / Activision

Das klingt zwar unnötig kompliziert, funktioniert nach den ersten paar Runden aber erstaunlich intuitiv und geht rasch von der Hand. Man muss taktischer vorgehen, überlegen, in welcher Situation man welche Ausrüstung benötigt. Sind es wirklich mehrere Mörserschläge? Oder lieber fünf Granaten? Oder zehn Platten? Der Spieler hat die Wahl. Wer mehr Stauraum braucht, sollte sich außerdem auf die Suche nach Rucksäcken mit mehr Fassungsvermögen machen. Diese kann man gelegentlich in freier Wildbahn finden. Dasselbe gilt für Plattenwesten. Bei der ersten Landung kann man maximal zwei von drei tragen. Erst wenn man eine "Dreiplattenweste" findet, taucht der dritte Slot auf.

Wer dennoch auf Shoppingtour gehen möchte, kommt kaum an einem der unterschiedlichen Aufträge vorbei. Wie schon bei "Warzone" handelt es sich dabei zum Beispiel um Kopfgelder oder sogenannte Scavenger-Contracts. Anders als im Original benötigen diese teilweise einen Extraschritt. So muss man für Letztere nicht nur Kisten suchen und öffnen, sondern drei Tresore sprengen. Das braucht einerseits mehr Zeit, andererseits bringt es weitere Risikofaktoren mit sich.

Gewollte Beschränkung

Kaufstationen wurden außerdem nicht nur in Sachen Loadout eingeschränkt. Von den meisten kaufbaren Gegenständen gibt es nur eine begrenzte Zahl. Will man eine Drohne kaufen, muss man sich also beeilen, um mit dem Geld auch etwas anfangen zu können. Dieses System bringt einerseits frischen Wind ins Spiel. Andererseits müssen sich die Entwickler in den kommenden Wochen ansehen, wie es in der Praxis funktioniert. Bereits am ersten Spielabend kam es vor, dass man gegen Mitte des Matches mit 10.000 bis 15.000 Dollar herumspaziert, die nicht mehr sinnvoll einzusetzen sind.

Der neue Gulag ist größer. Man muss hier in Zweierteams um die Rückkehr ins Spiel kämpfen.
Foto: Screenshot / Activision

Verliert man das erste Feuergefecht, landet man weiterhin im Gulag. So der Name einer Arena, in der man um die Rückkehr ins Spiel kämpft. Statt alleine gegen einen anderen Spieler anzutreten, kämpft man nun in Zweierteams und muss beide Kontrahenten besiegen. Lässt man sich dabei zu viel Zeit, taucht ein computergesteuerter Kerkermeister auf. Falls gewünscht, können sich dann alle gegen ihn verbünden. Gelingt das, dürfen alle Überlebenden zurück in die laufende Runde.

Was interessant klingt, ist oft frustrierend. Man muss gemeinsam mit einem zufälligen Spieler kämpfen, mit dem man nicht kommunizieren kann und von dem man nicht weiß, wie fähig er ist. Immer wieder kommt es daher vor, dass man alleine gegen zwei Personen antritt.

Gewöhnungsbedürftig sind auch die neuen Fahrzeugmechaniken. Egal ob Auto, Hubschrauber oder Boot, haben diese eine begrenzte Tankfüllung und können an bestimmten Orten repariert oder aufgetankt werden. Außerdem ist es möglich, sich während der Fahrt aus dem Fenster zu lehnen und in den Kampf einzusteigen. Das macht die Steuerung zwar etwas komplizierter, dürfte nach der ersten Eingewöhnungsphase aber interessante Situationen hervorbringen.

Alles frisch

Ganz allgemein bemerkt man schon in den ersten Minuten, dass alles deutlich langsamer abläuft. Klar, das dürfte einerseits daran liegen, dass sich noch niemand richtig auskennt. Aber auch an den veränderten Bewegungs- und Spielmechaniken, die schon im Multiplayermodus von "Modern Warfare 2" deutlich wurden. Man muss taktischer vorgehen, kann nicht immer und überallhin hinrennen. Das ist angenehm und beweist einmal mehr, dass es sich um ein ganz neues Spiel handelt.

So sieht das neue Battle-Pass-System aus.
Foto: Screenshot / Activision

Erkennbar ist das auch auf technischer Ebene. "Warzone 2.0" nutzt dieselbe Engine wie das diesjährige Hauptspiel der Serie, kann sich also durchaus sehen lassen. Dabei hält es die Balance zwischen Detailreichtum und der für Shooter wichtigen Übersichtlichkeit der Umgebung. Vor allem im Vergleich zum Vorgänger wirkt das Spiel fast wie ein Grafikwunder.

PS5- und Xbox-Series-Spieler dürften sich außerdem freuen, dass sie endlich Zugriff auf den FOV-Slider erhalten. Dank diesem kann das effektive Blickfeld vergrößert werden, ein Vorteil, den PC-Spieler schon seit Jahren für sich nutzen. Aber auch auf grundlegender Ebene wirkt der Titel viel solider, mal abgesehen von vereinzelten Kinderkrankheiten.

Vorläufiges Fazit

Der neue Battle-Royale-Shooter aus dem Hause Infinity Ward macht also einen guten ersten Eindruck. Es gibt zwar noch einige Mechanismen an denen gefeilt werden muss. Davon ist aber auszugehen, soll das Spiel doch für mehrere Jahre Profit einbringen. Natürlich gibt es dafür wieder einen sogenannten Battle Pass, den man mit Echtgeld kaufen muss und der einem Zugang zu kosmetischen Elementen und neuen Waffen bietet. Immerhin ist "Warzone 2.0" kostenlos spielbar.

Für ein finales Urteil ist es allerdings noch viel zu früh. Erst die kommenden Monate werden zeigen, ob vorgesehene Spielmechaniken und Designentscheidungen die gewünschte Wirkung entfalten. Bald schon dürften Youtuber außerdem mit Tipps um die Ecke kommen, welche Waffe mit welcher Konfiguration am ehesten zum Sieg führen kann. Wie schon der erste Teil wird sich der Shooter also dynamisch weiterentwickeln – und in einem Jahr vielleicht ganz anders aussehen als heute. (Mickey Manakas, 19.11.2022)