Immer mehr Menschen geht das Geld vor Monatsende aus, beim Pfandleiher können sie finanzielle Lücken kurzfristig überbrücken. Verbraucherschützer raten aber davon ab.
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Immer wieder kommt Kundschaft, oft in Begleitung von Kindern, in die Annahme des Geschäftslokals in Wien-Leopoldstadt. Sie will gebrauchte Gegenstände, meist elektronische Geräte wie Handys, verpfänden oder veräußern. Daneben der Verkaufsraum prall gefüllt mit Secondhandware: Es gibt viel Unterhaltungselektronik samt Videospielen, auch Kleidung, Schuhe, Werkzeuge oder Musikinstrumente. Diese Produkte stehen teilweise zum Verkauf, weil sie die früheren Besitzer verpfändet hatten und nicht auslösen konnten.

"Die meisten holen ihre Gegenstände wieder ab", sagt Samir Ilkanaev, Mitgründer von eBörse, die in Wien fünf Filialen betreibt. Weniger als zehn Prozent der verpfändeten Gegenstände würden im Regal zum Verkauf landen. Er spürt wegen der Inflationskrise nun mehr Nachfrage: "Der Oktober war heftig", sagt Ilkanaev. "Bei den Leuten reicht das Geld nicht bis Monatsende."

Meist geht es um wenige Hundert Euro, für die Gegenstände als Sicherheit verpfändet werden. Die Laufzeit der Finanzierung ist kurz, oft nur ein Monat, für die neben einer einstelligen Fixgebühr pro 100 Euro weitere drei Prozent monatlich für Zinsen und Bearbeitungskosten anfallen. Ausreißer beim Betrag gibt es nach oben und unten. "Wir haben Kunden, die wegen zehn oder 20 Euro kommen", sagt Ilkanaev. "Das ist traurig, aber sie brauchen das Geld, um Essen zu kaufen."

Geld wird immer knapper

Viele davon zählen wohl zu den bis zu 400.000 Personen, die in Österreich als überschuldet gelten – belastbare Zahlen dazu werden gerade erhoben. Etwa 300.000 Personen sind laut Arbeiterkammer trotz Beschäftigung armutsgefährdet, sie trifft die hohe Inflation hart. Im Oktober erreichte sie nach vorläufigen Zahlen elf Prozent, was trotz der Entlastungen der Regierung für einkommensschwache Haushalte kaum bis gar nicht zu stemmen ist.

"Pfandleiher sind für Leute ein Thema, die keine Kredite bekommen und das Konto nicht überziehen können", sagt Gabi Kreindl vom Verein von Konsumenteninformation. "Man kommt sehr schnell an Bargeld, aber die Kosten sind sehr hoch, und es besteht die Gefahr, dass man in die Schuldenfalle rutscht." Eine solche kostspielige, kurzfristige Finanzierung sei nur in wenigen speziellen Situationen sinnvoll.

Haftung mit mit Pfand

Vorteilhaft ist Kreindl zufolge, dass Schuldner bei Pfandleihe nicht persönlich, sondern bloß mit dem hinterlegten Gegenstand haften. Gelingt die Rückzahlung auch nach einer Nachfrist nicht, ist nur das Pfand dahin. Allerdings stößt sich die Konsumentenschützerin an den hohen Kosten, Jahreseffektivzinssätze könnten auch mehr als 100 Prozent betragen. Kreindls Empfehlung lautet daher: lieber gleich verkaufen als verpfänden.

Uhren, Kunst und Schmuck werden im Dorotheum oft verpfändet, in anderen Häusern geht es meist um Elektronik.
Foto: DOROTHEUM Pfand

"Wenn die Kunden das Geld nicht sofort brauchen, raten wir, in eine Auktion zu gehen", sagt Michael Holubowksy vom Auktionshaus Dorotheum, das seit 1707 auch als Pfandleiher tätig ist und hierzulande 25 Filialen betreibt. Sein Haus nimmt auch Technik an, der Fokus liegt jedoch auf Schmuck, Uhren, Edelmetallen und Kunst. Etwas höher sind die Beträge, im Schnitt 800 Euro, bei Kunst könne es aber auch um hunderttausende Euro gehen. Das Prinzip ist dasselbe, an Kosten fallen 2,5 Prozent pro Monat an. Beim Dorotheum werden ebenfalls 90 Prozent der Gegenstände wieder ausgelöst.

Auch Holubowsky berichtet wegen der hohen Inflation von mehr Nachfrage: "Wir haben viele neue Kunden, es gibt einen höheren Anteil an Studenten." Die Kundschaft verändere sich, die Krise erreiche die Mittelschicht, die Darlehenssummen würden steigen. "Das merkt man schon deutlich."

Junges Onlinepfandhaus

Vergleichsweise neu im Geschäft ist das Onlineauktionshaus Cashy, das erst seit 2019 in der Branche mitmischt. Wie das funktioniert? Das meiste kann online erledigt werden, bloß das Pfand muss physisch zu Cashy gelangen. Das kann in großen Städten per Kurierdienst geschehen, sonst per Post oder persönlich zu einem der vier Cashy-Standorte in Österreich, dazu kommt neuerdings ein weiterer in München. Auch hier fallen drei Prozent Zinsen pro Monat zuzüglich einer Gebühr an.

Warum Cashy gestartet wurde? Weil Pfandhäuser eine bisher wenig digitalisierte Branche seien und der Markt bis 2027 um 40 Prozent wachsen soll, sagt Mitgründer Patrick Scheucher. Schon allein durch die Krise wurde es mehr. "Wir merken, dass in vielen Haushalten die finanziellen Reserven aufgebraucht sind", sagt er. Nun würden kleinere Unternehmen vermehrt nachfragen und mehr höherwertige Gegenstände verpfändet werden.

Zurück in die eBörse in Wien-Leopoldstadt. Trotz des vermehrten Zulaufs im Pfandgeschäft wäre Mitgründer Ilkanaev froh, wenn es die Inflationskrise nicht gäbe. "Das ist für alle schlecht, wir spüren nicht, dass wir davon profitieren", sagt er. Im Verkauf gebe es weniger zu verdienen, dazu habe man selbst höhere Kosten zu tragen. "Ich wäre froh, wenn die Krise bald vorbeigeht." (Alexander Hahn, 21.11.2022)

Video: Reportage aus der Pfandleihe
DER STANDARD