Der Herbst ist da, und mit ihm die Zeit des Wildgeflügelbratens. Jede Gegend hat ihre eigenen Vögel und Vorlieben: In Frankreich gilt die Schnepfe als Königin des Wildgeflügels, mit ihrem intensiven, waldig-wilden Aroma. Die Engländer wiederum verehren das erstaunlich drall-fleischige Raufußhuhn ganz besonders, das sie Grouse nennen. (1)


Im Ganzen gebratenes Raufußhuhn im Wilton’s in London samt obligater Brotsauce, Wildchips und Lebermousse.
Foto: Tobias Müller

Mein persönlicher Favorit ist aber ein viel gewöhnlicherer Vogel: die Wildente. Sie schmeckt ähnlich wie eine domestizierte Ente, bloß aufregender, wilder, interessanter, mit einer für Wildgeflügel höchst ungewöhnlichen, aber spektakulär köstlichen Fettschicht unter der Haut (ich schätze, das liegt daran, dass sie ein Wasservogel ist). Im Gegensatz zu den meist mageren Wald- und Wiesenvögeln macht es daher auch nichts, wenn Wildenten über- oder durchgegart werden – selbst eine Stunde butterweich geschmort schmecken sie noch großartig.

Je nachdem, wo Sie sind, wird unter Wildente ein bisschen ein anderes Tier verstanden. Meist bezeichnet es die gemeine Stockente, also jenen Vogel, der bei uns in den Parks im Teich schwimmt. In Italien sind damit auch oft Krickenten gemeint, die in der Lagune von Venedig gern gejagt werden und die manchen als noch besser gelten als die Stockente. Die Engländer meinen, Wildenten seien am besten im September, aber ich finde sie auch jetzt noch hervorragend gut.

So wie alle Wildvögel sind auch Wildenten erfrischend einfach zuzubereiten: Es braucht nicht mehr als ein wenig Hitze und Salz, um sie in eine der größten Köstlichkeiten zu verwandeln. Wenn sie im Rohr "rare" gebraten werden (oder, noch besser, über glühenden Kohlen gegrillt), entwickeln sie eine geschmackliche Urgewalt, die ihresgleichen sucht, ein Aroma von Rauch und Schilf und Fleisch und Blut, das am allerbesten schmeckt, wenn man den Vogel mit den Händen isst. (2)

Krickente mit Polenta im Veneto, totgebraten und trotzdem noch ganz köstlich.
Foto: Tobias Müller

Sie ist dann so gut, dass ihr dann wenig hinzuzufügen ist, außer vielleicht ein knuspriger Toast mit der gebratenen Leber und dem Herz, mit reichlich Cognac abgeschmeckt. Vorab ein erfrischender Salat, hinterher etwas Käse, und die Welt ist wunderbar.

Wem das simple Braten zu wild oder zu einfach ist, kann es auch etwas aufwendiger anlegen und einen Ententanz feiern: Brust auslösen, Schenkel abschneiden, aus den Karkassen rösten und einen Fond daraus kochen und sich dann mit den Komponenten spielen: Ein Risotto mit rosa gebratener Brust und flambierten Innereien bietet sich zum Beispiel an. Auch in dem Fall macht sich ein erfrischender Salat an ihrer Seite gut. Vor ein paar Tagen, als ich etwas sehr Ähnliches mit dem Kollegen Corti gekocht habe, hatten wir Glück und haben sogar noch ein paar schöne Steinpilze bekommen. Sie haben sich wunderbar dazu gemacht.

An den Haxerln ist nicht viel dran, aber auch die sind bei der Wildente besser als bei anderen wilden Vögeln: Im Rohr bei hoher Hitze knusprig gebraten sind sie ein wunderbarer, sehr kinderfreundlicher Knabberspaß, während die Gäste auf das Risotto warten.

Während etwa in London zur passenden Jahreszeit Wildenten in jedem besseren Supermarkt liegen und bei Fleischern für zehn Euro das Stück zu haben sind, sind sie bei uns nach wie vor eine Rarität. Am allerbesten ist es, wenn Sie sich mit einem Jäger/einer Jägerin anfreunden – es gibt auch in Wien einige, die gelegentlich auf Wildentenjagd gehen.

Wildgeflügel-Theke im Selfridges in London: Wildente, Raufußhuhn, Fasan, Rebhuhn und Ringeltauben.
Foto: Tobias Müller

Ansonsten hat der Metro immer wieder wohlfeile gefrorene Wildenten aus Frankreich im Angebot, und bei gut sortierten Geflügelständen kann man sie weniger wohlfeil mit ein paar Tagen Vorlaufzeit bestellen. Und der Herbert Hausmair zum Beispiel hat auch immer wieder welche im Angebot (Brust ausgelöst oder ganze Ente im Federkleid). Fragen Sie herum, nerven Sie Ihren Händler, und sorgen Sie so dafür, dass die Wildente öfter bei uns im Regal liegt!

Wer die Vögel nicht selber kochen, sondern nur genießen will, hat bei Max Stiegl im Gut Purbach oder am Knappenhof immer wieder Glück, in beiden Lokalen steht Wildgeflügel, auch Enten, regelmäßig auf der Karte.

Und weil Wildenten auch eine Reise wert sind: In der Trattoria Roma in Meolo, etwa 30 Minuten außerhalb von Venedig, gibt es Krickenten und Wildenten für überhaupt kein Geld zu genießen. Und sollten Sie nach London kommen, vielleicht das Zentrum der Wildgeflügelwelt: Ich durfte unlängst eine hervorragende, über Kohlen gegrillte Wildente im Brat genießen. Eine schöne Auswahl zum Mitnehmen gibt es im Supermarkt des Kaufhauses Selfridges (nicht so schön, aber besser sortiert und günstiger als das berühmte Harrods)

Wildentenrisotto, mit etwas Glück sogar mit gebratenen Steinpilzen

Ein Risotto ist eine sehr persönliche Sache. Das folgende Rezept ist daher mehr ein grober Leitfaden als eine genaue Anleitung. Wir haben einen Wildkräuter- und einen Zuckerhutsalat dazu genossen, vor allem der bittere Zuckerhut war eine perfekte Begleitung.

Taubenrisotto, genauso wie beschrieben zubereitet. Der Reis war etwas zu wenig flüssig, es war trotzdem umwerfend gut.
Foto: Tobias Müller
  • 1/2 Stockente oder eine Krickente pro Person
  • Suppengemüse
  • Butter
  • Eventuell Steinpilze
  • Nicht zu knapp Zwiebel und etwas Knoblauch
  • Rotwein
  • Risottoreis, so 80–100 g pro Person
  • Salz und Pfeffer
  • Sherry/Reiswein und Cognac
  • Etwas Sojasauce und Parmesan
  • Süße Trauben

Zunächst die Enten zerlegen: Brüste herausschneiden und von den Flügeln trennen, Haxerln ablösen, Innereien herausholen. Herzen halbieren und mit den Lebern in eine Schüssel geben und gut pfeffern, die Mägen für die Suppe aufheben. Brüste und Haxerln gut salzen und zur Seite stellen.

Die Karkassen, Flügel und das Suppengemüse mit etwas Öl einreiben und im Backrohr bei 250 Grad Umluft ordentlich rösten. Gelegentlich wenden, damit es gleichmäßig und überall bräunt. Gemeinsam mit den Mägen in einen großen Topf geben, mit kaltem Wasser bedecken und zum Köcheln bringen. An zusätzlichen Aromaten mit hineinwerfen, was Ihnen gut und richtig erscheint: In unserem Fall waren das Petersil, Pfefferkörner, Lorbeerblätter und die getrockneten Stängel einiger Parasole. Ein, zwei, drei Stunden köcheln lassen, was Ihre Geduld und Zeit eben hergibt.

Foto: Tobias Müller

Die Backrohrtemperatur auf 220 Grad Ober/Unterhitze zurückschalten und die leicht geölten Haxerln braten, bis sie rundum komplett knusprig sind, etwa 20 Minuten. Während des Kochens gemeinsam mit den Gästen genüsslich knuspern. Backrohr gut lüften und Temperatur auf 60 Grad zurückdrehen und schon einmal die Risottoteller vorwärmen.

In einem schweren Schmortopf über mittelhoher Hitze reichlich Butter schmelzen. Falls Sie noch Steinpilze bekommen haben, diese würfeln und darin braun braten (gut salzen!). Mit einem Schaumlöffel aus dem Topf heben und zu den Tellern ins Rohr stellen.

Die Hitze auf Mittel zurückschalten, noch etwas mehr Butter nachwerfen und darin die fein gehackten Zwiebel weich werden lassen. Wenn sie schön weich und glasig sind, den gehackten Knoblauch zugeben und ebenfalls kurz mitrösten. Dann die Hitze auf hoch drehen, alles mit einer halben Flasche Rotwein ablöschen und komplett einkochen lassen.

Den Risottoreis zugeben und einige Minuten mitrösten, bis er etwas getoastet riecht. Den Reis mit ordentlich Fond aufgießen, gut salzen und rührend etwas einköcheln lassen. Immer wieder wiederholen, bis er bissfest ist.

Foto: Tobias Müller

Inzwischen die Brüste und die Innereien braten: eine Pfanne mit etwas Öl sehr heiß werden lassen. Wenn das Öl gerade zu rauchen beginnt, die Brüste mit der Hautseite nach unten hineinlegen und braten, bis die Haut knusprig ist, etwa drei bis fünf Minuten. Wenden und auf der Fleischseite kurz garen lassen – sie sollen innen noch "rare" sein. Aus der Pfanne nehmen und noch etwas im Backrohr rasten lassen.

Den Großteil des Fetts aus der Pfanne gießen und nun die Innereien über hoher Hitze darin braten. Nur kurz rösten, dann mit einem ordentlichen Schuss Sherry/Reiswein ablöschen und flambieren oder einkochen. Mit Cognac wiederholen. Mit Sojasauce abschmecken und von der Hitze nehmen.

Die Brüste schräg in Scheiben schneiden. Die Konsistenz des Risottos mit etwas Suppe und/oder Parmesan perfektionieren und mit den halbierten Trauben bestreuen. Wir haben Familystyle serviert und den Reis noch im Topf mit Innereien und Brüsten getoppt und samt Steinpilzen und Salat zu Tisch getragen. Wer will, kann natürlich auch direkt in den vorgewärmten Tellern anrichten.

Auf Heinrich S. Anraten haben wir einen reifen Pinot (2004) dazu getrunken, er meinte Burgund, es wurde Burgenland. Es war trotzdem eine sehr gute Kombination. (Tobias Müller, 20.11.2022)

(1)
Wilde Wachtel, Birkhuhn, Rebhuhn, Eichelhäher und vor allem Drossel sind ebenfalls alle köstlich – bloß der Fasan hat mich bisher nur als Suppe überzeugt. Sein Fleisch ist einfach zu trocken und strohig. Schade, dass er bei uns der am häufigsten servierte Wildvogel ist.

(2)
Das sind keine schlechten Tischmanieren, sondern einfach gut. Im Wilton’s in London, das heuer seinen 280. Geburtstag gefeiert hat und berühmt für Austern, Hummerbisque und Wild(geflügel), wird man vom Kellner selbstverständlich gefragt, ob man seinen Wildvogel zerlegt oder lieber im Ganzen serviert bekommen möchte. Serviert wird er mit Brotsauce, Lebermousse und Game Chips.