Sam Bankman-Fried meldet sich in ersten Interviews zu Wort.

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Vor einer Woche, am 11. November, hat die weltweit zweitgrößte Kryptobörse FTX einen Insolvenzantrag gestellt, der zuvor auf den Titeln diverser Wirtschaftsmagazine gefeierte Gründer Sam Bankman-Fried trat vom CEO-Posten zurück. Nun meldet sich der unter dem Kürzel "SBF" bekannte Unternehmer mit ersten Interviews zurück, während Marktbeobachter gespannt auf weitere Entwicklungen in der Branche blicken.

Acht Milliarden Dollar in zwei Wochen

So heißt es in einem Bericht des "Handelsblatts", dass Bankman-Fried auf der Suche nach neuen Investoren sei: Er versuche, genug Geld aufzubringen, um die Nutzer von FTX zu entschädigen. Das Wochenende habe er gemeinsam mit den wenigen verbliebenen Mitarbeitern damit verbracht, potenzielle Investoren anzurufen – jedoch ohne Erfolg.

Dieses Vorhaben bestätigt Bankman-Fried in einem Interview, das er via Twitter-Chat mit dem US-Medium Vox.com geführt hat. Dabei geht es um die erkleckliche Summe von acht Milliarden Dollar, die SBF, der noch immer auf den Bahamas lebt, auftreiben möchte. Der Zeitraum dafür: zwei Wochen. Bankman-Fried selbst rechnet sich seine Erfolgschancen für dieses Vorhaben eher gering aus – und selbst wenn die Investoren anbeißen sollten, müsste er sich auch unter anderem mit den Insolvenzverwaltern und dem Gericht einigen.

In dem Interview sagt Bankman-Fried auch, was er im Rahmen der Causa bereut: nämlich die Tatsache, dass er überhaupt einen Insolvenzantrag gestellt hat. Denn wäre dem nicht so, so hätte er noch immer die Kontrolle über das von ihm gegründete Unternehmen, wie er betont.

Neuer CEO sieht "komplettes Versagen"

Anders sieht das John Ray III, der neue CEO von FTX. Denn dieser betont, dass er "noch nie ein derartiges Versagen" gesehen habe. Eine Ansage, die umso mehr wiegt, weil Ray auch die Restrukturierung von Enron geleitet hatte.

Laut Ray fehlte es bei FTX an allen Ecken und Enden: adäquates Personal, Cybersicherheit und auch das Einhalten buchhalterischer Grundregeln. Einen Tag nach der Bekanntgabe der Insolvenz war es zu "nicht autorisierten Transaktionen" in Höhe mehrerer Millionen Dollar gekommen. SBK selbst gesteht im Interview mit Vox.com, dass er wohl mehr Wert auf korrekte Buchhaltung hätte legen müssen.

Ray, jetzt CEO von FTX, sagt selbst, dass er kein Vertrauen in die Unterlagen hat, welche ihm vorliegen.

Ärger bei der Winklevoss-Zwillingen

Indes führt die Pleite der zweitgrößten Kryptobörse zu Konsequenzen bei anderen Kryptobörsen. Etwa bei Gemini – eine Kryptobörse, die von den Zwillingen Cameron und Tyler Winklevoss gegründet wurde. Bekannt sind diese unter anderem, weil sie Mark Zuckerberg 2004 klagten – der Vorwurf: Zuckerberg habe ihre Idee gestohlen und daraus das erfolgreiche Projekt Facebook gestartet.

Nun hat die von den Winklevoss-Brüdern gegründete Plattform Gemini laut einem Bericht des Handelsblatt 700 Millionen Dollar eingefroren, die Kunden auf der Plattform "Gemini Earn" hinterlegt hatten. Diese Plattform ermöglicht den Kunden, Kryptowährungen zu verleihen. Allerdings hatte Gemini die Coins an den Kryptobroker Genesis weitergereicht, der das Geld angesichts der FTX-Pleite von den Kreditnehmern teils nicht mehr zurückbekam und Abhebungen unterbinden musste. Somit konnte Genesis die Coins auch nicht mehr an Gemini zahlen.

Die Folge: Kunden wurden auch bei Gemini nervös und zogen en masse Kapital von der Plattform ab, der Ansturm führte teils zu Ausfällen bei der Gemini-App.

Bitcoin-Prognosen der Analysten

Entwicklungen wie jene bei Gemini lassen weitere Dominoeffekte vermuten – wiewohl etwa die in Wien ansässige Plattform Bitpanda betont, durch die FTX-Pleite einen "ungewöhnlichen Anstieg neuer Kunden" zu verzeichnen und in Medien aus der Kryptoszene betont wird, dass nun lokale Player – wie Bison aus Deutschland oder eben Bitpanda aus Österreich – mit Vertrauen gegenüber internationalen Konkurrenten punkten können, die ihren Sitz in unregulierten Steuerparadiesen haben.

Wie sich schließlich der Kurs entwickelt, steht weiterhin in den Sternen – sonderlich euphorisch ist derzeit aber niemand. So liegt der "Fear & Greed Index" nach wie vor auf einem Wert von 23, was stellvertretend für "Extreme Angst" steht. Der Index spiegelt der Stimmung in der Szene auf einer Skala von null bis 100 wider.

Ähnliches zeigte diese Woche auch eine Umfrage von Coindesk.com unter Analysten: Joe Di Pasquale, CEO von Bitbull Capital, sieht den Kurs des Bitcoin langfristig unter der Marke von 20.000 Dollar. David Duong, Head of Institutional Research bei Coinbase, hält gar ein Absacken des Kurses auf rund 13.500 Dollar für möglich. Und Mike McGlone, Senior Makroanalyst bei Bloomberg, erwartet schließlich einen Einbruch des Bitcoin-Kurses auf den Bereich zwischen 10.000 und 12.000 Dollar. (stm, 18.11.2022)