Den Rap-Superstar Drake verbindet mit André Heller ein Faible für lustige Bubenstreiche – manchmal kann so etwas auch vor Gericht enden.

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Der Rapper Drake wird gerade vom Verlagshaus Condé Nast verklagt. Vier Millionen Dollar sollen er und sein Kollege 21 Savage an Schadenersatz zahlen, weil die beiden, um ihr gemeinsames neues Album Her Loss zu bewerben, eine Ausgabe der Vogue gefälscht, sich selbst auf ihr Cover gesetzt und behauptet haben, sie hätten den Segen von Vogue-Chefin Anna Wintour dafür. Woran erinnert uns diese Geschichte? Klingt sie gar wie ein kleiner Bubenstreich?

Vor wenigen Tagen wäre einem diese Parallele zwischen dem österreichischen Allesmacher André Heller und dem kanadischen Superstar Aubrey Drake Graham vielleicht nicht aufgefallen; am Donnerstag berichtete die New York Times, dass Drake beziehungsweise eine seiner Firmen, Dream Crew, den von Heller erdachten Kunstrummelplatz Luna Luna um neue Positionen ergänzen und auf globale Tour schicken wollen. 100 Millionen Dollar werden investiert.

"Weltausstellung der Fantasie"

Die Geschichte dieses vom Wiener Prater inspirierten Rummelplatzes reicht bis in die 1970er-Jahre zurück und war lange an der Finanzierung gescheitert. Oder an der Ignoranz der "Missionare des Alltäglichen", die er nicht für die Realisierung dieser "Weltausstellung der Fantasie" begeistern konnte, wie Heller damals monierte.

Dabei war das Konzept durchaus innovativ, verband es doch das Prinzip eines Open-Air-Museums mit dem klassischen Angebot eines Vergnügungsparks. Die von Künstlern gestalteten Skurrilitäten samt musikalischer Untermalung sollten ein einzigartiges sinnliches Vergnügen bieten. Paris, Tokio oder New York waren die von Heller dafür ursprünglich ersonnenen Schauplätze. Es wurde Hamburg, denn dort hatte der deutsche Verlag Bauer als Geldgeber seinen Firmensitz. Zwölf Millionen DM standen als Budget zur Verfügung, unter Berücksichtigung der Inflation wären das heute umgerechnet etwa 11,5 Millionen Euro. Der Großteil floss damals in Betriebskosten, den Künstlern wurden pauschal höchstens 15.000 Euro gezahlt.

André Hellers Luna Luna in Hamburg.
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Die internationalen Stars überzeugte er von der kreativ lohnenden "Reise in eure Kindheit", einen Lunapark zu gestalten: Roy Lichtenstein gestaltete ein Glaslabyrinth, Daniel Spoerri wiederum die "Kack-Kanzleien". Den Kunstfurzern verhalf Manfred Deix in seinem berühmten "Palast der Winde" zu einem Auftritt, während Günter Brus in seinem "Delyrium" Bleistiftabenteuer erzählte, begleitet von schwermütiger Orgelmusik, die Hermann Nitsch komponiert hatte.

Jean-Michel Basquiat steuerte ein Riesenrad bei, Kollege Keith Haring ein Karussell, um das "Erzählungswände" mit seinen typischen Strichmännchen aufgestellt wurden. Anfang der 1990er-Jahre verkaufte André Heller den ganzen Budenzauber für sechs Millionen Dollar an eine amerikanische Stiftung.

Nicht irgendein Luxusgut

Nun stellt sich die Frage: Warum küsst gerade Drake dieses Projekt wach? Eine mögliche Antwort versteckt sich im Verhältnis von vermögenden Rappern zu moderner Kunst. Wer es im Hip-Hop-Bereich zum Millionär schafft, erzählt in seinen Texten diese zum Topos gewordene Aufstiegsgeschichte: der schwarze Mann, der nichts hatte und nun reich ist, oder wie Drake es einmal formulierte "Started from the bottom / Now we’re here".

Die Luxusgüter, die man sich nun leisten kann, werden gerne aufgezählt. In den letzten Jahren trat zu diesem Reigen der "finer things" wie Uhren und Autos auch (moderne und zeitgenössische) Kunst. Für (vornehmlich) schwarze Rapper ist sie aber nicht nur irgendein Luxusgut, sie wollen sich – übertrieben gesagt – in "die letzte weiße Bastion", ins hochpreisige Eck des Kunstmarkts, einkaufen.

Niemand verkörpert dieses Mindset besser als der Rapper Jay-Z. Er hat nicht nur einen "yellow Basquiat" in der Küche hängen und dreht Videos mit der Performancekünstlerin Marina Abramović. Mit seiner Frau Beyoncé ließ er sich rappend im Louvre filmen und wollte damit nicht weniger sagen als: Eure Kunstpaläste gehören jetzt uns Schwarzen.

"I'm the new Jean-Michel" rappt Jay-Z in "Picasso Baby" und holt sich den Sanktus von Marina Abramović.
JayZVEVO

Gleichzeitig sind schwarze Rapper darum bemüht, "ihren eigenen Leuten" musikalische Denkmäler zu setzen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist Jean-Michel Basquiat der in Rap-Texten am häufigsten erwähnte Künstler. Er gilt als Identifikationsfigur für die Black Community, speziell für die Hip-Hop-Community, nicht nur, weil er der Szene verbunden war, sondern auch weil er als erste Person of Color in der damals hauptsächlich weißen Kunstwelt den Durchbruch schaffte.

Auch der Kunstmarkt, auf dem seit einigen Jahren ein regelrechter Hype um die Werke von People of Color herrscht, will an der Liebe der schwarzen Superstars für schwarze Künstler mitnaschen. So lud die zu Sotheby’s gehörende S2 Gallery 2015 niemand anderen als Drake dazu ein, den in der Ausstellung I Like It Like This gezeigten Werken schwarzer Künstler wie Lorna Simpson, Kehinde Wiley und natürlich auch Jean-Michel Basquiat musikalische Nummern zuzuordnen.

Sotheby's

Bewahrer der eigenen "culture"

Nun mit einem Projekt wie Luna Luna assoziiert zu sein, bei dem nicht nur der künstlerische Säulenheilige des Rap, Jean-Michel Basquiat, sondern auch Haring, Dalí oder Hockney beteiligt waren, muss für Drake wie Weihnachten und Geburtstag gleichzeitig sein: Er tritt damit nicht nur als Bewahrer der eigenen "culture" (Basquiat), sondern auch als Retter einer Avantgarde auf, zu der Leute "from the bottom" die längste Zeit keinen Zugang hatten.

Luna Luna war immer als Entertainment intendiert. Damit kennen sich Drake und seine Dream Crew aus. Sie ist eine der zahlreichen Business-Ventures, die der Rapper verfolgt, und vor allem bekannt, weil sie die beliebte Gen-Z-Serie Euphoria (HBO) koproduzierte, in deren erster Staffel – Fun Fact – eine prägnante Szene auf einem Rummelplatz stattfindet.

HBO Max

Auch das Nike-Sub-Label Nocta sowie das Better World Fragrance House, ein Onlineshop für Kerzen (!), gehört zu den Geschäftsbereichen der Dream Crew.

Einige Projekte, die der Kanadier starten wollte, sind allerdings auch gescheitert, was bei einer Diversifikationsstrategie, wie Drake sie verfolgt, kaum ins Gewicht fällt. Würde die Neuauflage von Luna Luna also floppen, anstatt den gewünschten Effekt, nämlich Geld einzuspielen, zu erzielen – Drake würde es vermutlich nicht einmal mitbekommen. (Amira Ben Saoud, Olga Kronsteiner, 18.11.2022)