Demonstrantinnen auf der Weltklimakonferenz fordern ein starkes Verhandlungsergebnis.

Foto: Imago / Henrik Montgomery

Supermacht oder Entwicklungsland? Chinas Status sorgt in den Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz für Zwist. Die Antwort entscheidet, ob China bei einem neuen – hart umkämpften – Fonds für Klimaschäden und -verluste mitzahlen muss. Dieser soll Entwicklungsländer für die Folgen der Erderhitzung entschädigen, die sie mit ihren niedrigen Emissionen selbst kaum verursacht haben.

Die Forderung nach dem neuen Fonds trägt China als Teil der G77 mit – obwohl es im vergangenen Jahr selbst mehr als ein Drittel der globalen Treibhausgase ausgestoßen hat. Wie der Fonds aussehen soll, dazu legte die Gruppe aus mittlerweile 134 Entwicklungsstaaten einen Vorschlag vor, von dem alle ihre Mitglieder profitiert hätten, also neben Vanuatu und Pakistan auch Saudi-Arabien und China.

An diesem Status als Entwicklungsland will China festhalten: nicht nur als Mitglied der G77, sondern auch in der UN-Klimarahmenkonvention aus dem Jahr 1992. Seit Abschluss des Pariser Klimaabkommens 2015 spielt das jedoch eine untergeordnete Rolle. Laut dem Vertrag müssen alle Länder ihre Emissionen reduzieren und entsprechende Pläne bei der Uno einreichen.

EU will, dass sich China beteiligt

"Mit dem Pariser Klimaabkommen hatten wir die Dichotomie überwunden. Die Grenzen zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern lassen sich nicht mehr klar ziehen", erklärt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler den Spin der EU. Der Block tritt auf der Weltklimakonferenz zusammen auf. "Bei dieser Konferenz fallen wir zurück in die Welt von 1992", meint Gewessler. Die Ausgangslagen der diversen Staaten seien selbstverständlich verschieden, räumt sie ein – ebenso wie die Möglichkeiten, die die unterschiedlichen Staaten haben, um mit Klimaschäden fertig zu werden. "Aber eine Verantwortung für den Erhalt des Planeten haben wir alle."

Hinter dem Argument steht auch: Die EU will verhindern, dass sie größtenteils selbst für die enormen Summen aufkommen muss, die die Folgen der Erderhitzung verursachen. Die Diskussion dazu sorgte während der zwei Wochen der Weltklimakonferenz für Frust. Der UN-Generalsekretär Antonió Guterres sprach am Donnerstag gar von einem "Vertrauensbruch zwischen Norden und Süden" und mahnte: Es bleibe keine Zeit, um mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Geld nur für die Verwundbarsten

Tatsächlich gelang wenig später eine Annäherung. So erklärte sich die EU bereit, dem neuen Fonds für Klimaschäden zuzustimmen – allerdings nur dann, wenn sich dieser dezidiert an die "verwundbarsten Staaten" richte und eine "Vielzahl an Finanzquellen" herangezogen werde. Letzteres heißt, dass sich der Fonds nicht nur aus Staatskassen speisen soll, sondern auch privates Kapital mobilisiert wird. Es geht um gewaltige Summen: Allein 2021 verursachten Wetterextreme Schäden im Wert von 329 Milliarden US-Dollar.

In der Diskussion bleiben viele Fragen offen. Allen voran: Wer ist besonders verwundbar – und wer zahlt? Aus Sicht der EU müssen sich auch China und Saudi-Arabien beteiligen. Die Diskussion dazu wird in Sharm el-Sheikh keinen Abschluss finden – der Prozess wird sich wohl über mehrere Jahre hinziehen.

Das befürchten auch viele jener Staaten, die schnelles Geld fordern. "Entwickelte Länder versprechen ambitionierte Ziele und hohe Geldsummen, aber haben ihre Ansagen bislang nicht erfüllt", kritisierte ein Vertreter Boliviens in Richtung der vielen Lücken in der Klimafinanzierung. "Entwickelte Länder reden viel, aber tun in der Praxis wenig."

EU fordert Tempo beim Klimaschutz

Der Vorschlag, der nun auf dem Tisch liegt, soll für neue Dynamik sorgen. Nicht nur beim Thema der Klimaschäden und -verluste, sondern auch beim anderen Kernthema der Verhandlungen: der Vermeidung von Emissionen. So forderte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans: "Wenn der Vorschlag der EU zu dem Fonds angenommen wird, dann nur im Paket mit ernsthaften Plänen zum Klimaschutz."

Es sei das letzte Angebot Europas, das in den Verhandlungen auf ein klares Bekenntnis zum 1,5-Grad-Limit drängt. Außerdem will es erreichen, dass der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen in der Abschlusserklärung festgelegt wird. Im vergangenen Jahr einigten sich die Staaten auf den Ausstieg aus der Kohle. Ob jetzt auch Öl und Gas genannt werden: Darüber wird das Wochenende über auf der Weltklimakonferenz noch gestritten. (Alicia Prager aus Sharm el-Sheikh, 19.11.2022)