Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat gehörige Turbulenzen auf dem Energiemarkt ausgelöst. Das trifft Haushalte und Unternehmen durch drastisch gestiegene Preise hart. Jetzt werden die Erzeuger ein bisschen zur Kasse gebeten.

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Die EU-Kommission hat den Rahmen vorgegeben, die 27 Mitgliedsländer müssen allesamt noch heuer liefern. Österreich hat dies aufgrund der parlamentarischen Abläufe in der sprichwörtlich letzten Sekunde geschafft: ÖVP und Grüne haben ihren gemeinsamen Initiativantrag zur Abschöpfung kriegsbedingter Zufallsgewinne von Energieunternehmen am Freitag im Nationalrat eingebracht, sodass das Gesetz noch heuer beschlossen werden kann.

Frage: Wie sieht das nun geschnürte Maßnahmenpaket im Detail aus?

Antwort: Die Regierung adressiert mit der Gewinnabschöpfung zwei Bereiche: fossile Energieträger – sprich Öl- und Gasunternehmen – und die Stromproduzenten. Öl- und Gasunternehmen, die ohne eigenes Zutun nur aufgrund der kriegsbedingten Preisentwicklung bei Gas und/oder im Raffineriebetrieb unverhältnismäßig stark profitiert haben, müssen einen Solidarbeitrag leisten. Für Ökostromunternehmen, die elektrische Energie günstig herstellen, aber so teuer verkaufen, als wäre der Strom mit Gas hergestellt, gibt es künftig eine Erlösobergrenze.

Frage: Wie viel schöpft der Staat ab?

Antwort: Bei fossilen Unternehmen wird der durchschnittlich erzielte Gewinn (Ebitda: Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen inklusive solcher auf immaterielle Vermögenswerte) im Zeitraum 2018 bis 2021 als Berechnungsbasis herangezogen. Ein Toleranzpolster von 20 Prozent kommt dazu, um unternehmensspezifische Entscheidungen, die zu dem höheren Gewinn mitbeigetragen haben könnten, zu berücksichtigen. Alles, was darüber hinausgeht, wird zu 40 Prozent besteuert, es sei denn, das betroffene Unternehmen kann Investitionen in erneuerbare Energien – etwa in grünen Wasserstoff oder Geothermie – nachweisen. Dann sinkt der Steuersatz auf die von der EU-Kommission als Minimalanforderung vorgegebenen 33 Prozent.

Frage: Wie ist das bei Stromunternehmen?

Antwort: Da ist ebenfalls ein Anreiz vorgesehen, dass trotz Abschöpfung von Übergewinnen weiter in den Erneuerbaren-Ausbau investiert wird. Vorgesehen ist eine Erlösobergrenze von 140 Euro pro verkaufter Megawattstunde (MWh), die auf das von der EU-Kommission vorgegebene Mindesterfordernis von 180 Euro pro MWh angehoben wird, falls Investitionen in Wind, Sonne, Biomasse oder Wasserkraft nachgewiesen werden können. Alles, was Stromunternehmen darüber hinaus an Erlösen lukrieren, wird zu 90 Prozent abgeschöpft.

Frage: Wie lange gilt diese Regelung?

Antwort: Die Regelung für Öl- und Gasunternehmen, von der im Wesentlichen die teilstaatliche OMV und der in Mehrheitsbesitz der EVN stehende größte Speicherbetreiber Österreichs, die RAG (Renevables and Gas), betroffen sind, tritt rückwirkend mit 1. Juli 2022 in Kraft und geht bis 31. Dezember 2023. Für Stromunternehmen gilt die Regelung zwischen 1. Dezember 2022 und 31. Dezember 2023. Nur bei fossilen Energieträgern habe man Spielraum gehabt, die Regelung rückwirkend einzuführen, argumentiert die Regierung die unterschiedlichen Zeiträume.

Frage: Wie hoch werden die Einnahmen sein?

Antwort: Das lässt sich derzeit noch nicht sagen. Gas- und Strompreise waren zuletzt starken Schwankungen unterworfen und werden dies wohl auch im kommenden Jahr sein. Von der Höhe hängt es aber letztlich ab, wie viel Geld aus der Übergewinnsteuer in die Staatskassen fließt. Schätzungen der EU-Kommission zufolge, die von der Regulierungsbehörde E-Control bestätigt werden, sollten es zwischen zwei und vier Milliarden Euro sein – vier Milliarden, wenn Gas und Strom teuer bleiben, eher zwei Milliarden, wenn die Preise sinken.

Frage: Was passiert mit dem Geld?

Antwort: Die Zusatzeinnahmen werden zur Finanzierung der Entlastungsmaßnahmen, wie der mit 1. Dezember in Kraft tretenden Strompreisbremse oder des Energiekostenzuschusses, verwendet. Abdecken kann man damit freilich nur einen Teil. Im Bereich der Haushalte sind nach Angaben von Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts, Entlastungsmaßnahmen von über elf Milliarden Euro geplant oder schon umgesetzt, im Bereich der Unternehmen von mehr als fünf Milliarden Euro.

Frage: Was machen andere Länder?

Antwort: Italien hat im Frühjahr eine Übergewinnsteuer von 25 Prozent für Energieriesen eingeführt. Auch Griechenland, Rumänien und Ungarn haben eine solche implementiert, mit unterschiedlicher Ausgestaltung. Spanien bittet neben Energiekonzernen auch Banken zur Kasse. London erhebt vorübergehend 45 Prozent auf Überschussgewinne von Stromerzeugern. In Deutschland wird noch über die Ausgestaltung diskutiert.
(Günther Strobl, Regina Bruckner, 19.11.2022)