Foto: IMAGO/Action Plus/John Patrick Fletcher

PRO: Denkzettel für die Fifa

von Stefan Weiss

Zugegeben: Dass sich die österreichische Fußballnationalmannschaft wieder einmal nicht für die WM qualifizieren konnte, erleichtert einem hierzulande die Entscheidung. Der Gewissenskonflikt, seiner Fanverpflichtung nachzukommen oder ein politisches Zeichen zu setzen, sollte daher ganz klar zugunsten Letzterem ausfallen.

Warum? Das liegt dank einer kritischen Medienöffentlichkeit und der US-Justiz, die der Fifa den Prozess machte, seit Jahren offen auf dem Tisch: Schmiergeldzahlungen hatten im durch und durch korrumpierten Weltverband System, Berührungsängste mit "Sportswashing", wodurch sich Diktaturen ein liberales Mäntelchen umhängen, hatte die Fifa von der WM in Argentinien 1978 über Russland 2018 bis hin zu Katar 2022 nie. Wo der Rubel rollt, rollt auch der Fußball. Wer die Enthüllungen über die Fifa der letzten Jahre verpasst hat, kann das in der aktuellen Netflix-Doku Fifa Uncovered nachholen.

Die absolute Öl- und Wüstenmonarchie Katar unterdrückt Frauen, Demokratie und Homosexualität; die größenwahnsinnigen Stadionbauten, bei denen sich unter unwürdigen Bedingungen Gastarbeiter zu Tode schufteten, werden nach der WM verwaist sein. Damit die Stadien zumindest jetzt gut gefüllt sind, werden mutmaßlich gekaufte Fans ins Publikum gesetzt. Der einzige Denkzettel, den die Fifa und alle Nutznießer verstehen, ist der Boykott des Milliardengeschäfts durch die TV-Übertragung. Wann, wenn nicht jetzt. Gerade hierzulande. (Stefan Weiss, 20.11.2022)

KONTRA: Wegschauen hilft nicht

von Rainer Schüller

WM der Schande, Trauerspiel, PR-Show – all das sind Zuschreibungen zur Fußballweltmeisterschaft in Katar. Sie treffen allesamt zu. Dennoch ist Wegschauen, das Nicht-Verfolgen der Spiele und der Geschehnisse rund um diese Veranstaltung, der größte Fehler, den Fußballbegeisterte und auch Nichtbegeisterte begehen können.

Große Sportveranstaltungen sind immer auch politische Ereignisse. Es ist der Geldgier der Fifa zu verdanken, dass dieser Event in einem Hort der Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen stattfindet. Das ist schrecklich, aber durch die WM ist Katar mehr denn je an die Öffentlichkeit und damit ins Schussfeld geraten. Der PR-Nebel kann noch so dicht sein, tausende Journalistinnen und Journalisten sowie eine Armada an internationalen Fans werden ihn weiter lichten. Sie werden auch außerhalb des Spielfeldrandes hinsehen und Verantwortliche in die Pflicht nehmen. Das ist das Futter, das den Stammtisch in Österreich erreichen soll – wenn mit besserem und billigerem Bier gemeinsam Match geschaut wird.

Pseudomoralisten können sich gerne Weißblaue Geschichten im ORF ansehen, ich werde auf die Spiele nicht verzichten. Der Fußball, der Sport soll gewürdigt werden. Ich hoffe auf Protestaktionen von Fans und Spielern, aber ebenso auf großartige Matches der Kickerelite. Auf dass der schönste Sport der Welt sich gerecht wird. (Rainer Schüller, 20.11.2022)