Um 17.30 erfolgte am Samstag die offizielle Illuminierung des Christbaums, der heuer aus der Steiermark stammt.

Foto: APA/photonews.at/Georges Schneider

Christkind Angela (v. l.), Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler posierten nach der Eröffnung Samstagabend vor dem Rathaus.

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Altbekanntes, wie übervolle Stände mit Christbaumkugeln und Lebkuchenherzen, findet sich zwar nach wie vor auf dem Christkindlmarkt am Wiener Rathausplatz, doch...

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... gibt es auch viele Neuerungen, wie etwa das zweigeschossige Karussell. Der Andrang auf die Attraktion war am ersten Markttag groß.

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Die Vierjährige zeigt in Richtung eines kleinen, quietschbunten Zugs: "Schau mal, der ist ja neu", sagt sie mit dem Unterton einer Fremdenführerin und reckt neugierig den Hals. Plastikrentiere ziehen das Schlitten-Gefährt auf Schienen, das auch zwei Weihnachtsmannfiguren im Kreis herumführt. Eine Fahrt kostet – Santa Claus ausgenommen – drei Euro. Geld, das hier gespart wird, die Vierjährige winkt generös ab. "Das ist etwas für Kleinere".

Der Zug zieht seine Runden gleich neben der kleinen Eisfläche, auf der Kinder das Eislaufen ausprobieren können, und unweit des weißen Riesenrads, das zwischen den Bäumen des Rathausparks hervorleuchtet und blinkt. Das Rad buhlt gleichsam um Aufmerksamkeit mit der augenfälligsten neuen Attraktion in der Mitte des Marktes: dem zweigeschossigen Karussell, ebenfalls mit zahlreichen Lichterreihen ausgestattet. Ja, eines fällt sofort auf: Am Wiener Christkindlmarkt am Rathausplatz leuchten und drehen sich heuer mehr große Vergnügungsattraktionen und Fahrgeschäfte als zuvor.

"Zeichen für Hoffnung"

Am Samstagvormittag hat der Markt aufgesperrt, schon bevor Michael Ludwig (SPÖ) die Lichter am Christbaum einschaltete, was um 17.30 Uhr erfolgte. Bei der offiziellen Eröffnung sagte der Bürgermeister, dass "die Illuminierung des Weihnachtsbaums auf dem Rathausplatz heuer einen ganz besonderen symbolischen Wert" habe.

"Licht ist ein Zeichen für Hoffnung. Ein Symbol für den Frieden", stellte Ludwig im Beisein des steirischen Landeshauptmanns Christopher Drexler (ÖVP) fest, dessen Bundesland heuer den Baum gespendet hat. Hoffnung auf Frieden brauche man heuer mehr denn je, sagte Ludwig mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine.

Weniger Standl

Auf dem nun eröffneten Markt am Rathausplatz, der im Vergleich zu anderen Adventmärkten in Wien eher zu einem späten Datum aufsperrte, fällt so manch Veränderung auf: Statt 152 Marktständen wie beim Christkindlmarkt im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 wurden heuer nur knapp 100 Hütten aufgestellt. Manch Hüttenreihe wurde eingespart und lässt Platz für überdachte Freiflächen mit Stehtischen, die zum Beispiel beim Verzehr von Glühwein (gesehen ab 3,50 Euro aufwärts) genutzt werden.

Etwa zwei Drittel der diesjährigen Marktstände bespielen altbekannte Standler, ein Drittel der Betreiber ist neu. So findet sich zum Beispiel erstmals ein Hütterl am Rathausplatz, in dem Risotto-Mischungen um sieben Euro pro Stück erhältlich sind. Oder, gleich daneben, ein Stand mit Kunstwerken in Form von Stadtplänen und Landkarten. Standl, deren Verkaufspersonal man hinter den hunderten Christbaumkugeln kaum noch sieht, Maronibrater und ein Hütte voller Lebkuchenherzen sind aber auch noch zu finden, wie schon Jahr um Jahr zuvor.

Neue Organisation

Bisher hatte der SPÖ-nahe "Verein zur Förderung des Marktgewerbes" den Christkindlmarkt organisiert. Unter diesem hat es eine "umstrittene Vergabe, insbesondere bei Gastro-Ständen", gegeben, wie es Neos-Gemeinderat Markus Ornig formulierte.

Seit heuer zeichnet das städtische Stadt-Wien-Marketing für den Markt verantwortlich. Eine Kommission sollte für eine transparente Vergabe nach nachvollziehbaren Kriterien sorgen. Der Kommission gehörten Vertreter der Stadt, der Wirtschaftskammer, der Wirtschaftsagentur, des Tourismusverbands, der Marktkoordination und des Veranstalters des Markts an. Die Mitgliedernamen werden aber geheim gehalten, nachdem es zu Drohungen und Vandalakten gekommen war.

Helle Freude mit Luftballons

"Schau", ruft die Vierjährige plötzlich mit sich beinahe überschlagender Stimme aus. Doch nicht das neue Ringelspiel, nur wenige Meter von ihr entfernt, entlockt ihr diesen Ausruf des Entzückens. Etwas später würde sie zwar gerne noch damit fahren, doch die Warteschlange ist lang. Zehn bis 15 Minuten Wartezeit? Die Unternehmung, die für Kinder vier Euro kostet, für Erwachsene sechs, wird verschoben. Jetzt hellt ein Strauß heliumgefüllter Luftballons, mit Motiven, die ihrem Geschmack entsprächen, die Stimmung auf. Elsa gefiele ihr, die Disney-Eisprinzessin. Oder Paw Patrol, ein Art Hunde-Team auf Rettungsmission.

Weiter geht es durchs Getümmel. Der Duft von gebrannten Mandeln (zu knabbern um vier Euro) lockt. Doch es ist nicht der Stand von Marktfahrer Wilhelm Stöger. Stögers Ware steht nicht mehr am Rathausplatz zum Verkauf. Es wäre das 51. Jahr seines Familienbetriebs vor dem Rathaus gewesen, sagt er, der sich einst als einer der Pioniere der Christkindlmarkt-Szene fühlte.

Stöger steht am Samstag mit einer Handvoll weiterer Betroffener und einem einsamen mit Lichterkette geschmückten Info-Stand vor dem Wiener Burgtheater. also auf der anderen Straßenreite des Rings, und protestiert. Denn er zählt zu jenen, die heuer hier nicht mehr zum Zug kamen, wie zum Beispiel auch Jaqueline Horvath: "Kommerz statt Tradition", sei das alles, sagt sie, wie hier auch auf einem Plakat zu lesen ist. Ein Ringelspiel, ein Prater werde da veranstaltet, statt 50 Familien mehr ihre Verkaufsstände zu ermöglichen, kritisiert Horvath.

Ungewohnt kalt

Über dem Ring geht das Vergnügen weiter. Die Vierjährige zieht es aber langsam nachhause. Es hat ein Grad Celsius. Noch ungewohnt kalte Temperaturen in dieser Wintersaison. Zeit, wieder ins Warme zu kommen. Was am besten gefallen hat? "Die gebrannten Mandeln", sagt das Mädchen, klaubt eine weitere Nuss aus dem Papier und beißt knirschend zu. (Gudrun Springer, 19.11.2022)