Alte Strukturen, ins Heute weitergebaut: Was auf der strukturellen Ebene nicht gelingen will, soll zumindest die Hülle bringen: Entwurf fürs neue Ferdinandeum von Marte.Marte Architekten.

Foto: Marte.Marte Architekten

Tirols neuer Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) hat die Kultur zur Chefsache erklärt. Über seine Kulturaffinität verbreitet sich seither die Kunde, dass er ein passionierter Ö1-Hörer sei und sich dafür eingesetzt habe, dass der Sender auch in Tiroler Tunneln empfangbar ist. Der Weg von Mattles Heimatort Galtür ins Innsbrucker Landhaus ist weit und tunnelreich. Am Empfang zu schrauben dürfte im Vergleich zu den kulturpolitischen Herausforderungen, die den Landeschef erwarten, allerdings die leichtere Übung gewesen sein.

Mattle hat eine riesige Kulturbaustelle namens Landesmuseen geerbt. Dabei sind die Bagger für den Umbau des Ferdinandeums noch gar nicht aufgefahren. Genau das ist auch das Problem. Aber es ist bei weitem nicht das einzige.

Den Landesmuseen mit ihren fünf Standorten Ferdinandeum, Volkskunstmuseum, Hofkirche, Zeughaus und Tirol Panorama mit Kaiserjägermuseum ist unlängst ihr Direktor abhandengekommen. Peter Assmann warf zwei Jahre vor Ablauf seines Vertrags das Handtuch. Interimistisch übernahm Karl C. Berger, bis dato Leiter des Volkskunstmuseums. Bei seinem Antritt ließ Berger tief in hausinterne Zerwürfnisse blicken: Es gelte jetzt, "innere Wunden zu heilen" und "den Brain-Drain zu stoppen", der durch zahlreiche Personalabgänge entstanden sei. Was ist passiert?

Assmanns Führungsstil

Die knapp dreijährige Amtszeit des gebürtigen Tirolers Assmann, vormals auch Leiter der Oberösterreichischen Landesmuseen und des Palazzo Ducale in Mantua, verlief alles andere als friktionsfrei. Es gab massive Beschwerden aus der Belegschaft über seinen Führungsstil, die auch die Eigentümervertreter und den Aufsichtsrat beschäftigt haben. Das bestätigt Aufsichtsrätin Barbara Psenner gegenüber dem STANDARD. Assmann hingegen weist Kritik an seinem Führungsstil entschieden zurück. Seinen Abgang begründet er gegenüber dieser Zeitung damit, dass er mit ständigen Einmischungen ins operative Geschäft vonseiten der Gesellschafter und insbesondere seitens des Trägervereins konfrontiert gewesen sei, der als eine Art "Schattendirektion" fungiere. "Es gibt in diesem Haus markante systemische Probleme, die die Rolle des Direktors ad absurdum führen, weil jeder seine Partikularinteressen auslebt."

Der Trägerverein des 1823 gegründeten "Tirolischen Nationalmuseums Ferdinandeum" hält vierzig Prozent an der 2007 gezimmerten Betriebs-GmbH, das Land Tirol sechzig. Die Konstruktion war von Beginn an umstritten, auch wegen der Eigentumsverhältnisse. Die Liegenschaft Ferdinandeum sowie die Sammlungen verblieben nämlich im Besitz des privaten Vereins. Der Landesrechnungshof verwies deshalb auf die Gefahr, "bauliche Investitionsvorhaben für fremdes Eigentum zu finanzieren". Aktuelles Beispiel: der lange geplante Um- und Erweiterungsbau des Ferdinandeums. Die Kosten dafür trägt das Land, sie wurden 2020 mit 38 Millionen Euro veranschlagt, angesichts der Preisentwicklungen ist mit weit mehr zu rechnen. Konkrete Summen will derzeit niemand nennen. Aus dem Büro von Mattle heißt es, es würden nun "letzte rechtliche und budgetäre Rahmenbedingungen final abgestimmt".

Im Landhaus dürfte man sich auf den letzten Drücker an die Rechnungshof-Kritik erinnert haben. Das Gebäude soll im Wege eines Baurechts für die Dauer von fünfzig Jahren an das Land übergehen – mit Option auf Verlängerung. Vereinsobmann Franz Pegger warb im Juni bei den Mitgliedern um Zustimmung für die Lösung: "Über die Investition entscheiden Politiker, die auf Wählerstimmen schauen. Dem Land geht es bei so viel Geld um die Wirkung in der Öffentlichkeit."

Kosten der neuen Hülle

In den Betrieb der Landesmuseen fließen jährlich zwölf Millionen Euro an Landesgeld. Dass im Ferdinandeum Sanierungsbedarf besteht, ist unbestritten. Wie viel die neue Hülle kosten soll, wird aber durchaus kontrovers diskutiert. Schließlich harren auch andere Häuser einer Neuaufstellung, Konzepte verstauben in der Schublade.

Insider sprechen von einer "unguten Gemengelage", in der alles Inhaltliche zwischen den politischen Interessen und jenen des Vereins aufgerieben werde. Dem Tirol Panorama samt Kaiserjägermuseum wurde indes das Museumsgütesiegel aberkannt, weil die Jury die Präsentation der Kaiserjäger-Militaria nicht im Einklang mit aktuellen Standards sah. Das sei "unangenehm", sagt Interimschef Berger. Er will das Profil der Häuser schärfen, sich aber nicht um die Direktion bewerben. (Ivona Jelcic, 21.11.2022)