Moderiert von STANDARD-Redakteurin Lisa Nimmervoll diskutierten Martin Polaschek, Christiane Spiel, Eva Knechtelsdorfer, Martina Piok, Natascha J. Taslimi und Andreas Schnider (v. li.) im Impact Hub Vienna.

Foto: Heribert Corn

Bis 2030 werden an Österreichs Schulen 30 Prozent der Lehrkräfte in Pension gehen. Gleichzeitig wird die Zahl der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen laut Bevölkerungsprognose der Statistik Austria um fünf Prozent steigen. "Gelingt es nicht, junge Personen für den Lehrberuf zu begeistern, droht langfristig ein Lehrkräftemangel." Damit ist laut dem aktuellen Nationalen Bildungsbericht des Bildungsministeriums "das Szenario eines Lehrkräftemangels im Pflichtschulbereich in den nächsten Jahren nicht auszuschließen". Ganz ähnlich die Situation in den Kindergärten. Beiden Bereichen droht das Personal auszugehen.

"Wer bildet unsere Zukunft? Pädagog:in neu gedacht" war daher die Frage, die in der "Bildungsarena" – einer Veranstaltung der Industriellenvereinigung (IV) in Kooperation mit der Initiative "Neustart Schule" – gestellt und aus dem Blickwinkel der Politik, Wissenschaft und Praxis diskutiert wurde.

Die positive Erzählung

Generell – und bewusst auch mit Fokus auf den Kindergarten als erste Bildungsinstitution – müsse das Berufsbild der Pädagogin, des Pädagogen aufgewertet werden, waren sich alle einig. Laut Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) brauche es dafür "ein positives Commitment zum Thema Bildung". Bildungspsychologin Christiane Spiel sieht dabei auch das politische Personal selbst gefordert, das allzu oft mit anekdotischen Erzählungen über negative Schulerfahrungen auch eine schlechte Botschaft senden würde.

Für Natascha J. Taslimi vom Netzwerk elementare Bildung Österreich wäre eine Universitätsausbildung für Elementarpädagoginnen ein erster Schritt, um das Ansehen zu steigern. Derzeit findet die Ausbildung noch in berufsbildenden höheren Schulen (Bafep) oder Kollegs statt, für die Rahmenbedingungen sind aber die Länder zuständig. "Längerfristig sollte es hier zu einer Bundeskompetenz kommen", wünscht sich Polaschek. Der Bildungsminister stand der Forderung nach einer Hochschulausbildung offen gegenüber, allerdings fehle für solche Angebote noch das notwendige Personal. Als ehemaliger Vizerektor lobte er die Universität Graz, die ab dem Wintersemester 22/23 erstmals ein Masterstipendium für Elementarpädagogik anbietet.

Konkret wurde Polaschek bei der Ausbildung für die Sekundarstufe (Mittelschule, AHS, BMHS), nachdem er erst Ende Oktober eine Neustrukturierung der Ausbildung für Volksschullehrkräfte angekündigt hatte. Er plädierte für eine Verringerung der Studiendauer auf fünf Jahre. Seit der Reform der Pädagogenausbildung 2015 müssen Studierende ein vierjähriges Bachelorstudium absolvieren. Für Volksschulen folgt ein einjähriger, für die Sekundarstufen ein zweijähriger Master. Er sei von Anfang an unglücklich gewesen mit dem vierjährigen Bachelor, sagte Polaschek: "Früher hat ein zehnsemestriges Lehramtsstudium gereicht, dahin müssen wir zurück."

Uneins war das Podium beim berufsbegleitenden Master für Lehrerinnen und Lehrer. Eva Knechtelsdorfer, selbst Lehrerin an einer AHS, merkte an, dass sie nach drei Jahren nicht unterrichten hätte können. Die Leiterin des Cool-Impulszentrums und HAK-Lehrerin Martina Piok wünscht sich ein "Training on the Job" mit universitärer Begleitung. Sie befürchtet, dass junge Lehrkräfte bei einem parallelen Studium entweder den Unterricht oder das Studium vernachlässigen. Der Vorsitzende des Qualitätssicherungsrats für Pädagoginnen- und Pädagogenbildung, Andreas Schnider, hingegen brach eine Lanze für den "dualen Master" mit einem Bachelor als Basis und einem fein abgestimmten Masterpaket. Auch Polaschek verteidigte die berufsbegleitenden Angebote und verwies auf längere Fristen für den Masterabschluss. Ein Entwurf einer Dienstrechtsnovelle von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) von Ende Oktober sieht eine Verlängerung der Frist von fünf auf acht Jahre vor.

Zum Thema Quereinstieg zeigten sich zwei Zugänge: Spiel forderte eine pädagogisch-didaktische Ausbildung vor dem Berufseinstieg. Schnider findet, dass Quereinsteiger davon leben, "direkt aus einem Beruf in einen anderen einzusteigen".

Dass Geld im Bildungsbereich auch eine Rolle spielt, wurde im Verlauf des Gesprächs eher am Rande erwähnt. Knechtelsdorfer sprach von einer "Weiterentwicklung der finanziellen Anerkennung", Piok von einer "eng gestrickten Bezahlung". Klare Worte fand Spiel – und erntete Applaus. Sie mahnte an, dass es für Bildung insgesamt mehr Geld brauche und daher zuallererst die Politik überzeugt werden müsse. Bildungspolitik allgemein sollte überhaupt außerhalb der Parteipolitik stehen, denn "manches dauert länger als bis zur nächsten Wahl". (Anna Wiesinger, 20.11.2022)