Die sechs großen Favoriten – Brasilien, Argentinien, Frankreich, England, Spanien und Deutschland – werden bis dahin der Reihe nach gestrauchelt sein. Warum? Darum.

Brasilien? Garantiert nicht!

Die Seleção ist dem Druck nicht gewachsen

Reden wir nicht um den heißen Brei herum, Brasilien darf die Heimreise nur mit dem Pokal antreten. Seit 2002 rennt die Seleção jetzt dem depperten Becher hinterher, die "Hexa", der sechste WM-Titel, will und will nicht gelingen. Diesmal stehen die Zeichen auf Glanz und Gloria.

Der Kader ist von vorn bis hinten ein Prunkstück, jede Position ist doppelt besetzt. Die Offensive rund um Neymar da Silva Santos Júnior verspricht Joga Bonito zum Zungeschnalzen, die Ergebnisse sprechen ohnehin eine klare Sprache. In 50 Partien seit der WM 2018 gingen nur zwei Spiele verloren.

Es ist angerichtet, was zum heiligen Pelé soll da schiefgehen? Nun, vermutlich alles. Wenn es um die Wurst geht, versagen der Seleção die Nerven. 2010 scheiterte man mit 1:2 an den Niederlanden, 2014 – brasilianische Leser bitte kurz die Augen schließen! – mit 1:7 an Deutschland und 2018 mit 1:2 an Belgien. Die europäischen Teams sind alle vier Jahre der Reality-Check. Fortsetzung in Katar. (phb)

Foto: APA/AFP/FRANCK FIFE

Argentinien? Nie im Leben!

Messi hatte seine Chance, der Fußballgott war dagegen

Der Fußballgott ist kein gerechter. Wäre er einer, so hätte Lionel Messi längst nicht nur auf Vereinsebene, sondern auch mit dem Team gewonnen, was es zu gewinnen gibt. 13. Juli 2014, WM-Finale Argentinien gegen Deutschland im Maracanã-Stadion in Rio, 56. Spielminute, es steht 0:0: weiter Pass auf Gonzalo Higuain, der rechts außen läuft und hinauf zum Ball blickt, aber keine Chance hat, ihn zu erwischen. Denn Manuel Neuer ist aus dem Tor geeilt, springt hoch und faustet. Etwas weiter unten räumt Neuers Restkörper den argentinischen Stürmer weg wie nur was, klar im Strafraum, ein lupenreiner Elfmeter.

Die ganze Welt sieht es, nur Nicola Rizzoli sieht es nicht, leider ist er der Referee, von dem der Fußballgott Besitz ergriffen hat. Deutschland wird Weltmeister, Argentiniens Chance ist dahin, sie kommt nicht wieder. Der Messi von heute reicht an den Messi von damals nicht mehr heran, doch Argentinien steht und fällt immer noch mit ihm. Also fällt es. (fri)

Foto: imago images / Action Plus

Deutschland? Sicher nicht!

Denn die schöne Zeit von Schland ist lang vorüber

Nein, nein, nein! Russland wird sich nicht wiederholen. Vor vier Jahren ist das Jogi Löw’sche Team gegen die Giganten Schweden, Mexiko und Südkorea in der Vorrunde gescheitert. Aber wer wären wir, den Nachbarn so einen Ausrutscher vorzuhalten?

Aber ja, ja, ja! Weltmeister wird Deutschland auch nicht. Das hat bereits Sepp Herberger gewusst: "Spiele gewinnt man vorn, Turniere gewinnt man hinten!" Und hinten schaut es – eh: noch – nicht so fulminant aus. Der seit 13 Jahren dienende Goalie Manuel Neuer ist auch nicht mehr der Jüngste.

Deutschland startet gegen ein giftiges Japan mit acht in Deutschland tätigen Spielern, die ihre Pappenheimer natürlich aus dem Effeff kennen. Ginge dieses Spiel verloren – ein Gedankenspiel, gewiss – würde im nächsten Spiel der Gruppe E Spanien warten. Und das will sich zwischen Berchtesgaden und Flensburg keiner vorstellen. Kann dies aber seit spätestens Russland 2018. (wei)

Foto: imago images/Jan Huebner

Frankreich? Rien ne va plus!

Ohne Benzema gegen das Gesetz der Serie

Ein stechender Schmerz im linken Oberschenkel von Karim Benzema hat das Schicksal der Grande Nation besiegelt. Nicht nur die erste Titelverteidigung seit 60 Jahren (Brasilien) ist außer Reichweite, ja, Les Bleus könnten im Schock über den Ausfall des regierenden Weltfußballers die vierten Weltmeister en suite sein, die vier Jahre nach ihrem Triumph nicht einmal die Gruppenphase überstehen. Coach Didier Deschamps hat vor Benzema schon Paul Pogba und N’Golo Kanté, das dynamische Mittelfeldduo von 2018, sowie Christopher Nkunku und Presnel Kimpembe verloren.

Das Schwächeln in der Nations League mit den Pleiten gegen Kroatien und Dänemark (daheim und auswärts) sowie einem Remis in Wien (!) ließ den Fans Übles schwanen. In nur einem Spiel gegen die Außenseiter Tunesien und Australien kann trotz eines Kylian Mbappé viel passieren. Und was gegen die Dänen passieren kann, zeigten die letzten beiden Duelle. (lü)

Foto: IMAGO/HMB-Media

England? Never ever!

Denn der Fußball ist schon zu Hause

Es ist jedes Mal dieselbe pathetische Leier: Das Mutterland will ihn, den Fußball, nach Hause holen. Dieses Mal aber echt. Wirklich. Bei jedem Großturnier ballern die Lightning Seeds ihr "It’s coming home" durch die Lautsprecher und gut geölten Stimmen der Fans. Und man hatte das Gefühl, dass sich die restliche Fußballwelt irgendwo solidarisiert. Nicht ganz uneigennützig. Das Motto: "Gwinnts den Schas endlich, dann ist eine Ruh’."

Holt das Team von Gareth Southgate 2022 also den ersten großen Titel seit 1966? Nein, denn die Frage müsste richtig heißen: Holt das Team von Gareth Southgate den ersten Titel seit dem EM-Triumph der englischen Frauen 2022? Nein, ihr habt euren Titel, der Fußballgott hat jetzt Besseres zu tun. Besonders Gscheite dürften entgegnen: "Ohne Druck ist alles leichter." Und das bringt uns zum endgültigen Ausschlussgrund: Auch bei der WM wird ab der K.-o.-Phase gegebenenfalls ein Sieger im Elfern ermittelt. (hag)

Foto: AFP/GRIFFITHS

Spanien? Keine Chance!

Es reicht eben nicht, die beste Mannschaft zu sein

Spanien ist die beste Mannschaft der WM, aber Spanien wird nicht Weltmeister. Das war schon bei der vergangenen EM so, und wenig spricht dagegen, dass es wieder so läuft.

Luis Enriques Furia Roja ist eine gut geölte Zermürbungsmaschine, die trotz ihres Teilzeit-Goalgetters Alvaro Morata kaum zu verteidigen ist. Aber es wird eben dieses eine K.-o.-Spiel geben, in dem ein Abwehrriegel hält. Dann wird Spanien nervös, dann gehen die Ideen aus. Man kann versuchen, seine Gegner mit permanenter Ballzirkulation einzuschläfern, aber wenn auch der 142. Lochpass an einer Fußspitze hängen bleibt und auch der 19. Alibi-Schuss drübergeht, wird man sehen, dass man Ballbesitz nicht essen kann.

Und dann reicht ein Gegentor. Zu viele Verteidiger haben ihre Qualitäten eher im Spiel nach vorn, der ewige Sergio Busquets freut sich gefühlt schon auf seinen Fünfziger – dankbare Opfer für den einen Konter, der Spaniens Weltmeistertitel verhindert. (schau) (21.11.2022)

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