Die Biersponsorfahnen sind bei ÖFB-Spielen nicht wegzudenken.

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Nicht, dass man dem unsäglichen Gianni Infantino auch nur einen Millimeter recht geben wollte. Aber Europa und Heuchelei schließen einander am Ende, nun ja, vielleicht doch nicht völlig aus. Man nehme die Aufregung über das nun von den WM-Veranstaltern verhängte Alkoholverbot in den und um die WM-Stadien und wage, dazu noch die Frage zu stellen, ob es denn sein muss, dass Bier und Fußball in vielen und vor allem auch in unseren Teilen der Welt praktisch unter einem Dach leben. Und wie es denn dazu gekommen ist.

Als hätten es die Programmplaner geahnt, lief kürzlich "Fußball und Bier" von Paul Hildebrandt und Shea Westhoff im WDR. Der Film dokumentiert, wie eng Fußballvereine und Brauereien in Deutschland vernetzt sind und wie sich diese Vernetzung selbst in den Amateurbereich weit hineinzieht. Auf Profiebene, in der ersten und zweiten Bundesliga, existiert in Deutschland ohnedies kein einziger Klub, der nicht von einer Brauerei gesponsert wird. Es gibt sogar Stadien, die nach Brauereien benannt sind, Bierwerbung ist aus dem Fußball nicht wegzudenken.

Wichtigsten Geldgeber

Was da herauskommt, lässt sich fast eins zu eins auf Österreich umlegen. Bei Rapid wird Gösser (früher Ottakringer) getrunken, Puntigamer bei Sturm Graz und in Wolfsberg, Stiegl in Salzburg (und beim Nationalteam), Zipfer beim LASK, Hirter in Hartberg, Schwechater bei der Wiener Austria, Mohrenbräu in Lustenau, Fohrenburger in Altach. Die SV Ried stieg 2021, von viel Aufregung begleitet, von Rieder Bier auf Baumgartner (Schärding) um.

Neben den Wettanbietern zählen die Brauereien zu den wichtigsten Geldgebern im Fußball. Hinterfragt wird das eine wie das andere kaum, der Fußball nimmt, was er kriegen kann. In höheren Sphären kriegt er quasi den Hals nicht voll genug, weiter unten braucht er jedes Sponsoring wie einen Bissen Brot. Dabei ist es verbrieft, dass der Alkohol – man nennt ihn nicht umsonst die Volksdroge Nummer eins – große Schäden verursacht. In Deutschland gelten offiziell 1,6 Millionen Menschen als alkoholabhängig, in Österreich sollen es 340.000 sein, in der Relation also beträchtlich mehr. Tausende Todesfälle sind direkt auf Alkoholkonsum zurückzuführen, dazu kommen Opfer von Unfällen, Gewalt- und Missbrauchsopfer.

Abhängigkeit

Der Österreicher (oder die Österreicherin) trinkt im Schnitt hundert Liter Bier pro Jahr, nur der Tscheche trinkt mehr (135), Deutschland folgt auf Rang drei (95). Die WDR-Doku zeigt auf, wie sich die Alkohollobby dagegen wehrt, dass es zu vielfach geforderten Alkoholwerbeverboten im Sport und zu strengeren Regeln zum Bierkonsum in Stadien kommt. Dokufilmer Hildebrandt twitterte: "Obwohl Alkohol so gefährlich ist, gibt es keine Warnhinweise auf Flaschen, maximal niedrige Steuern, keine Werbeeinschränkungen." Der Grund? "Die wirtschaftliche Abhängigkeit." Hildebrandt reiste für den WDR auch zu Lokalvereinen. Ohne Bier, sagt ein Klubchef, würde es "keinen Fußball geben".

Bei internationalen Klubspielen gab es schon ein europaweites Bierverbot in den Stadien, die Uefa hob es 2018 auf, nun ist der Ausschank an die jeweiligen Landesgesetze gebunden. In englischen Stadien galt seit 1985 ein Alkoholverbot, es wurde heuer aufgehoben, nachdem erhoben worden war, dass jedem Premier-League-Verein jährlich 35 Millionen Euro entgingen. (Fritz Neumann, 21.11.2022)