Tokajew bei der Stimmabgabe am Sonntagmorgen.

Foto: APA/AFP/Kazakhstan's presidentia

In Kasachstan ist Amtsinhaber Kassym-Schomart Tokajew vorläufigen Ergebnissen zufolge bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag klar wiedergewählt worden. Der 69-Jährige erhielt nach Angaben der Wahlkommission rund 81 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 70 Prozent.

Rund zwölf Millionen Menschen waren im neuntgrößten Land der Welt zur Wahl aufgerufen. Dass Tokajew als Sieger hervorgeht, ist kaum eine Überraschung. Schließlich waren ausschließlich weitgehend unbekannte Kandidaten gegen ihn angetreten, die jeweils zwischen zwei und vier Prozent ergatterten. Sein wohl einziger ernstzunehmender Herausforderer – Janbolat Mamai, der Vorsitzende der oppositionellen Demokratischen Partei – steht nach mehrmonatiger Untersuchungshaft derzeit unter Hausarrest. Als Mamais 40-jährige Frau Inga Imanbay versuchte, sich an seiner Stelle aufstellen zu lassen, wurde sie wegen "zu jungen Alters" nicht zugelassen. Mit ihrer Kandidatur habe sie zeigen wollen, dass unabhängige Kandidaten schon bei der Registrierung aufgehalten werden, erklärte Imanbay. Ein Umstand, der auch von der internationalen Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisiert wurde. Sie sprach daher am Montag von mangelndem politischen Wettbewerb.

Doch Tokajew, dessen erste Amtszeit erst in zwei Jahren ausgelaufen wäre, dürfte es mit der kurzfristig ausgerufenen Neuwahl in erster Linie darum gegangen sein, das Lager um den mächtigen Ex-Präsidenten Nursultan Nasarbajew vor den Kopf zu stoßen. Dieser hatte Kasachstan fast drei Jahrzehnte lang mit eiserner Faust regiert – bis er 2019 das Amt an den von ihm auserwählten Tokajew übergab. Bei einer von Polizeigewalt begleiteten Wahl im Juni 2019 war Tokajew mit rund 71 Prozent der Stimmen bestätigt worden. Nasarbajew blieb allerdings als Chef des Sicherheitsrats und sogenannter "Führer der Nation" weiterhin die mächtigste Person in der öl- und gasreichen Ex-Sowjetrepublik – bis Jänner 2022, als quer durch das Land Massenproteste aufkeimten, die sich gegen steigende Lebenskosten und Nasarbajew wandten.

Verdrängung von Nasarbajew

Insbesondere in der damals noch nach Nasarbajew benannten Hauptstadt Nur-Sultan (heute wieder Astana) schlugen die Proteste in blutige Ausschreitungen mit zahlreichen Toten um. Tokajew, der darin einen Putschversuch seines Vorgängers sah, rief russische Truppen über das von Russland angeführte Verteidigungsbündnis Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) zur Hilfe. Tokajew entmachtete im Anschluss Nasarbajew im Sicherheitsrat und ist seither bemüht, seinen Einfluss und den seines Clans, der zahlreiche wirtschaftliche Ressourcen des Landes kontrolliert, zurückzudrängen.

Dazu ließ Tokajew im Juni die Bevölkerung über eine Verfassungsänderung abstimmen, die dem Parlament und dem wiederinstallierten Verfassungsgericht mehr Befugnisse zuteilte und Verwandten von (Ex-)Präsidenten nun verbietet, hohe Regierungsämter zu bekleiden. Nasarbajew wurde dabei auch der Ehrentitel "Führer der Nation" entzogen.

Mit der vorgezogen Neuwahl wollte Tokajew laut dem Zentralasien-Experten Temur Umarow von der Denkfabrik Carnegie Endowment dem Lager um Nasarbajew zudem die Chance nehmen, bis 2024 einen Gegenkandidaten aufzubauen. Tokajew steht nach der Verfassungsänderung eine siebenjährige Amtszeit bevor. Bisher betrug die Amtszeit fünf Jahre. Nach eigenen Angaben ging es ihm darum, "ein demokratisches Mandat für die Vision eines gerechteren, offeneren Kasachstan" zu erhalten, wie er in einem Gastbeitrag bei "Politico" schrieb. Wie ernst er es mit der Öffnung und Demokratisierung seines Landes meint, wird sich nun nach seiner Wiederwahl zeigen.

Ambivalenz gegenüber Moskau

Welchen außenpolitischen Kurs Tokajew verfolgen wird, ist ebenfalls unklar. Nachdem er zu Jahresbeginn die Unruhen im Zuge des innenpolitischen Machtkampfs mit der Hilfe Russlands blutig niederschlagen ließ, hat Tokajew die Nähe zur Regierung in Moskau kaum mehr gesucht. Zudem vermied er es bisher, Russlands Krieg in der Ukraine öffentlich zu unterstützen.

Jedoch ist Russland Kasachstans größter Handelspartner. Das Abgleiten Russlands in die Rezession hat die kasachische Wirtschaft daher auch geschwächt. In den vergangenen Monaten wurde Kasachstan nicht zuletzt wegen seiner Ölvorkommen auch von Europa, das Alternativen zu russischen Brennstoffen sucht, stärker umworben. Jedoch werden 80 Prozent des in Kasachstan geförderten Rohöls über eine Pipeline in die südrussische Hafenstadt Noworossijsk gepumpt. Kasachstan selbst hat keinen Zugang zu den Weltmeeren. (Flora Mory, 21.11.2022)