Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, will die Ausschlusskriterien für Förderungen von Medien noch strenger formulieren.

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Mit ihrem Vorstoß für eine neue ORF-Finanzierung hat Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger einige Bewegung in die GIS-Debatte gebracht. Im Interview mit dem STANDARD schlug sie eine Budgetfinanzierung des ORF vor. Diese müsste das bisherige GIS-Volumen haben, automatisch inflationsangepasst werden, und all das abgesichert mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Regierungspartner ÖVP zeigte sich überrascht und verwies auf offene Verhandlungen für eine ORF-Novelle. Blimlinger sieht aber auch bei schon vorgelegten Medienentwürfen der Regierung etwa zu Medienförderungen noch Luft nach oben. Und sie vermisst einen Medienausschuss im Nationalrat: "Bezeichnend ist für mich, dass es für ein so wichtiges Thema wie Medien keinen eigenen Ausschuss gibt."

STANDARD: Sie haben gerade via Twitter auf eine Karikatur mit antisemitischen Konnotationen im Onlinemedium "Exxpress" aufmerksam gemacht und geschrieben: "Darum verschärfen wir die Ausschlussgründe in der Förderung, wer zu Hass aufstachelt, darf keine Förderung erhalten." Wäre eine solche Karikatur nach den neuen Regelungen ein Ausschlussgrund – etwa von der geplanten Qualitätsjournalismusförderung?

Blimlinger: Die Medienbehörde Komm Austria müsste das prüfen. Sie prüft ja auch, ob "Der Wegscheider" auf Servus TV mit den Vorgaben des Privatrundfunkgesetzes vereinbar ist. Das müsste sie aus unserer Sicht genauso machen.

STANDARD: Aber wäre ein einzelner Anlass nach derzeitigem Stand schon ein Grund für einen Förderstopp?

Blimlinger: Das muss man schärfen. Der "Exxpress" spielt russische Propaganda rauf und runter. Das ist nach meiner Wahrnehmung kein Einzelfall.

STANDARD: Sie haben in die Publizistikförderung, in die Digitaltransformationsförderung, in die Presseförderung und nun in die Journalismusförderung inhaltliche Ausschlusskriterien reklamiert – keine Förderung für Gewaltaufrufe und Hassbotschaften gegen die Demokratie und bestimmte Gruppen etwa. Sollte man diese Kriterien nicht auf alle Medienförderungen erweitern, zum Beispiel Privatrundfunkförderung.

Blimlinger: Natürlich sollten man das, bei der nächsten Novelle zu dieser Förderung. Und man sollte diese Ausschlusskriterien noch einen Deut strenger formulieren. Bei rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen, zum Beispiel wegen Wiederbetätigung, hat man hier einen klaren Anhaltspunkt; ob das ein Thema für die Medienbehörde Komm Austria ist …

STANDARD: … die Komm Austria prüft ja auch, ob "Der Wegscheider" sich in den inhaltlichen Vorgaben des Privatrundfunkgesetzes bewegt oder diese verletzt.

Blimlinger: Man muss einfach einen Weg finden, wie man rechtsstaatlich gesicherte Abläufe findet.

STANDARD: Machen Sie sich eigentlich Sorgen, dass Ihnen das Medium abhandenkommen könnte, mit dem Sie rasch auf solche Entwicklungen aufmerksam machen – nämlich Twitter nach der Übernahme durch Elon Musk?

Blimlinger: Ich glaube, ich kann mir auch ohne Twitter Gehör verschaffen.

STANDARD: Die Medienministerin hat einen Entwurf für eine neue "Förderung des qualitätsvollen Journalismus in Medien des Print- und Online-Bereichs" in Begutachtung geschickt. Kommt diese Förderung tatsächlich so – es gab doch schon einige Kritikpunkte.

Blimlinger: Die Bedingung von 30 Millionen Zeichen Content pro Jahr bei Onlinemedien – da müssen wir aus unserer Sicht noch heruntergehen oder womöglich auf das Zeichenlimit verzichten. Für uns sind auch zumindest drei angestellte Journalistinnen und Journalisten für Onlinemedien zu hinterfragen, wir wären für zwei. Ein Diskussionspunkt ist noch die Förderbedingung einer Anstellung für Auslandskorrespondenten – sie arbeiten häufig für mehrere Medien und nicht nur eines. Dieser Arbeitssituation sollten wir entsprechen.

STANDARD: Habe ich Sie eigentlich im – autorisierten – Interview 2020 missverstanden, dass Sie Mitgliedschaft in Selbstkontrollorganen der Branche als Kriterium für Medienförderung befürworten?

Blimlinger: Wir haben intensiv darüber nachgedacht, diskutiert, und ich bin davon abgekommen, dass das eine gute Idee wäre. Das habe ich auch schon in einem späteren Interview gesagt. Hier geht es doch nur um die "Kronen Zeitung", das soll man dann doch bitte sagen. Alle anderen größeren Medien sind im Presserat. Hat das etwas daran geändert, wie – zum Beispiel – "Österreich" ist?

STANDARD: Mitglieder des Presserats müssen Entscheidungen gegen sie veröffentlichen. Das wäre mir hier noch nicht so oft untergekommen, aber womöglich habe ich da etwas übersehen. Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter findet, man sollte jene Qualitätskriterien, für die es in der geplanten Journalismusförderung einen Bonus geben soll, zur Bedingungen für die Förderung machen.

Blimlinger: Zum Beispiel ein Redaktionsstatut? Warum hat DER STANDARD eigentlich keines?

STANDARD: Das kann sich ändern.

Blimlinger: Grundbedingung für Journalismusförderung sind aus meiner Sicht die Journalistinnen und Journalisten, die bei einem Medium arbeiten. Und wir haben in den Verhandlungen dafür plädiert, weitere Qualitätskriterien als Bonussystem einzurichten und darüber sind wir uns einig.

STANDARD: Die Mediennovellen in Begutachtung umfassen neben der Journalismusförderung auch eine Novelle der Medientransparenzregeln für Werbung öffentlicher Stellen mit weniger Ausnahmen und mehr Erklärungen zu Buchungen. Diskutiert wurde auch eine Obergrenze für öffentliche Werbebuchungen – warum kam die schließlich nicht in den Entwurf?

Blimlinger: Das BKA hat sich im ersten Entwurf zu einem Deckel bekannt und dann um etwas Bedenkzeit zur Umsetzung gebeten. Ich bleibe optimistisch, dass die Begutachtungszeit dafür genutzt wird, an einem Modell zu arbeiten, dass der jahrzehntelangen Praxis der verdeckten Medienförderung durch Inserate ein Ende bereitet wird. Aber auch im jetzigen Entwurf sind schon viele Punkte, die eine erhebliche Verbesserung bringen

STANDARD: Über einen wesentlichen Teil der Medienförderungen in hoher zweistelliger Millionenhöhe entscheidet der Medien-Geschäftsführer der RTR letztlich alleine, den die Medienministerin bestellt. Ist das eine gute Konstruktion?

Blimlinger: Da wäre ein Vorstand – Vier-Augen-Prinzip – oder ein Gremium zur Vergabe sinnvoll. Und wenn man von den Empfehlungen des Beirats abweicht, müsste man das gegenüber dem Antragsteller und der Öffentlichkeit begründen.

STANDARD: Mit dieser Mediennovelle hat die Regierung auch den Entwurf in Begutachtung geschickt zum Umbau der "Wiener Zeitung" von der Tageszeitung mit Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen zum öffentlich geförderten Onlinemedium mit Printableger, zur Ausbildungsinstitution, zur Veröffentlichungsplattform und zur Content Agentur werden. Was sagt eigentlich die EU zu den neuen Beihilfen – der Journalismusförderung und den 16,5 Millionen für die "Wiener Zeitung"?

Blimlinger: Die Notifzierung durch die EU ist nach der Begutachtungsphase vorgesehen.

STANDARD: Und weil eine von der Republik direkt finanzierte Tageszeitung bei der EU nicht durchgehen würde, werden daraus diese vielen Aufgabengebiete mit fast so viel Förderung wie bisher die Tageszeitung umsetzte. Und ein Onlinemedium geht?

Blimlinger: Die Erläuterungen zum Gesetz machen klar, in welche Richtung das gehen sollte – dort wird die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung als Vorbild genannt. Das ist zweifellos eine wesentliche öffentliche Wissensvermittlung und Demokratiestärkung, die man fördern kann. Man kann aber mit den 7,5 Millionen vielleicht auch eine Wochenzeitung machen. Wenn die EU diese Finanzierung genehmigt.

STANDARD: Im Entwurf über die "Wiener Zeitung" stehen dezidiert "Mediaagenturleistungen" als Aufgabe. Soll die Wiener Zeitung GmbH als Mediaagentur tätig werden, also für andere, etwa öffentliche Stellen, Werbeschaltungen planen und buchen?

Blimlinger: Das ist, denke ich, nicht gemeint, das müssen wir noch anschauen. Man wird sich alle Stellungnahmen, Anregungen und Kritikpunkte nach dem Begutachtungsverfahren in Ruhe ansehen und nach Möglichkeit einarbeiten.

STANDARD: Und warum hat man nicht versucht, die "Wiener Zeitung" zu verkaufen?

Blimlinger: Weil sie niemand will! Das ist ganz einfach. Es hat immer wieder Leute gegeben, die Interesse angemeldet haben. Aber es gab nie ein Angebot. Es war immer klar: Wenn Menschen das kaufen, stellen sie die Zeitung ein.

STANDARD: Das kann die Republik dann selbst auch machen?

Blimlinger: Jedenfalls ohne jemandem die angesehene, offizielle Marke "Wiener Zeitung" zu überlassen.

STANDARD: Ist es eine sinnvolle und gute Konstruktion, einem dem Bundeskanzler unterstellten Unternehmen ein Budget für Journalismusausbildung zu geben, das vielfach höher ist als jenes aller anderen bestehenden, privaten und/oder von der Branche organisierten Journalismusausbildungen?

Blimlinger: Die "Wiener Zeitung" ist schon seit vielen Jahrzehnten im Eigentum der Republik und dem Bundeskanzleramt unterstellt. Und sie hat seit vielen Jahren eine Lehrredaktion, bei der die Menschen in Ausbildung nun für ein Jahr angestellt werden, das kostet; sie bildet in Kooperation mit anderen Medien aus, wo diese arbeiten, derzeit etwa "Dossier" und "Kleine Zeitung". Ein Großteil der Ausbildung in Österreich ist staatlich oder staatlich finanziert und viele unterstehen Ministerien, wie Schulen oder Pädagogische Hochschulen.

STANDARD: Eine Frage zum ORF muss ich Ihnen noch stellen: Wie sehen Sie als Kultur- und Mediensprecherin die Debatte um eine Neupositionierung von FM4 und die künftige Gestaltung von Ö1 unter Sparnotwendigkeiten?

Blimlinger: Ich werde leicht unrund, wenn Politikerinnen öffentlich erklären, ein Sender solle immaterielles Kulturerbe werden. Vielleicht waren die Aussagen von ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher nicht sehr geschickt formuliert – aber: Man kann ein Programm nicht auf ewig festschreiben. Man muss überlegen können, welche Änderungen möglich und sinnvoll sind. Man kann nicht davon ausgehen, dass FM4 für immer so bleiben kann, wie FM4 klingt oder geklungen hat – und dafür womöglich einen weiteren ORF-Sender machen, für den es weder Geld noch gesetzlichen Auftrag gibt. Es muss uns auch klar sein: Ö3 finanziert Ö1 und FM4.

STANDARD: Zur Not gäbe es dafür auch eine Menge Gebühren – oder in Zukunft Haushaltsabgabe oder Bundesbudget. Haben Sie noch etwas auf der medienpolitischen Wunschliste?

Blimlinger: Vieles. Aber vielleicht etwas Grundsätzliches: Bezeichnend ist für mich, dass es im Nationalrat für ein so wichtiges Thema wie Medien keinen eigenen Ausschuss gibt, sondern immer im Verfassungsausschuss diskutiert wird. Das ist natürlich eine verfassungsrechtliche Materie, aber eine Materie, die wirklich einen eigenen Ausschuss verdient. Aus politischen Gründen mag ein Südtirol-Ausschuss notwendig sein, aber wenn es den gibt, muss es auf jeden Fall einen Medienausschuss geben.

STANDARD: Das war eine langjährige Forderung von Norbert Steger, zuletzt vor allem als freiheitlicher Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats mit seinen Strache-Chats über rauszuschmeißende ORF-Menschen in den Medien.

Blimlinger: Wenn Steger hier für stärkere parlamentarische Verankerung in der Medienpolitik eingetreten ist, hatte er – auch wenn mir das schwerfällt zu sagen – in diesem Punkt recht. (Harald Fidler, 21.11.2022)