Wenn Eltern vermuten, dass die Tochter oder der Sohn Drogen nimmt, sollten sie auf jeden Fall darüber sprechen.

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Rauchen, trinken, kiffen. Eltern sind oft besorgt, dass das eigene Kind süchtig werden oder gar zu illegalen Drogen greifen könnte. Deswegen die guten Nachrichten zu Beginn: Junge Menschen rauchen immer weniger. Laut einer ESPAD-Studie aus dem Jahr 2019 hat sich bei den 15-Jährigen der Anteil der täglich Rauchenden seit 2002 sogar mehr als halbiert. Der Hauptgrund: Rauchen ist nicht mehr in. Und auch der Alkoholkonsum der Jugendlichen, vor allem der Burschen, ist zurückgegangen.

Werden illegale Drogen konsumiert, dann meistens Cannabis. Andere Drogen wie Ecstasy, Kokain und Amphetamin werden von maximal sechs Prozent aller Jugendlichen in Österreich genommen. Wobei es sich dabei meist auf ein Austesten illegaler Substanzen beschränkt.

Lisa Brunner, Leiterin des Instituts für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien, erklärt, woran Eltern erkennen, ob ihr Kind Drogen nimmt – und wie sie am besten reagieren.

STANDARD: Bei den Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 17 Jahren hat jede und jeder Fünfte bereits mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert. Wie kommen Jugendliche heutzutage überhaupt an Drogen?

Brunner: Aus der Beratung wissen wir, dass die Beschaffung illegaler Substanzen vor allem durch Bekannte und Freunde erfolgt. Allgemein ist auch der Kauf illegaler Substanzen durch das Darknet angestiegen – allerdings kann hier keine Auswertung bezüglich Alter getroffen werden. Zwar verändern sich die Plattformen, aber Social Media als Ganzes kann hier auch eine Rolle spielen.

STANDARD: Drogenkonsum und Suchtprobleme ziehen sich durch alle gesellschaftlichen Milieus. Gibt es Kinder und Jugendliche, die besonders gefährdet sind?

Brunner: Der sozioökonomische Status spielt vor allem bei der Art des Konsums eine Rolle. So zeigt sich, dass bei Jugendlichen, die sozioökonomisch benachteiligt sind, der Konsum wesentlich risikoreicher ist. Hier spielen diverse Faktoren eine Rolle: von mangelndem Wissen bezüglich "harm reduction" (Risikoreduzierung und Schadensminimierung) und "safer use" (möglichst sichere Art des Konsums) bis hin zu weiteren psychosozialen Belastungen. Andere Studien der WHO zeigen, dass etwa der Schultyp größeren Einfluss auf den Substanzkonsum hat als die familiäre Herkunft.

STANDARD: Das bedeutet, Eltern haben kaum Einfluss darauf?

Brunner: Studien und Befragungen zeigen deutlich: Viele Jugendliche probieren im Laufe des Erwachsenwerdens Drogen aus. Eltern sollten grundsätzlich Ruhe bewahren, sich bewusst sein, dass Kinder sich in der Pubertät grundsätzlich verändern und Grenzen austesten. Ob Suchtmittel legal oder illegal sind, ist bei einem problematischen bzw. risikoreichen Konsum zweitrangig.

STANDARD: Woran erkennen Eltern, dass ihre Kinder Drogen konsumieren?

Brunner: Grundsätzlich können Eltern auf einige Faktoren besonders achten:

  1. Mein Kind hat sich stark verändert: starke Stimmungsschwankungen, die über das "durchschnittliche Pubertieren" hinausgehen. Je nach Substanz können Folgen des Konsums Aggressivität, Unruhe oder depressive Symptome wie Antriebslosigkeit, Rückzug und Isolation über einen längeren Zeitraum sein.
  2. Plötzlich ist alles anders: neuer Freundeskreis, kein Interesse mehr an vormals geliebten Hobbys und Aktivitäten, Konzentrationsstörungen, Apathie und nur schwer zu motivieren – auch auf diese Veränderungen sollte man achten. Insbesondere kann sich das in der Schulleistung bzw. Anwesenheit in der Schule niederschlagen.
  3. Geldprobleme: Plötzlich reicht das Taschengeld nicht aus, es fehlt etwas in den Geldtaschen der Eltern, oder größere Summen verschwinden auf einmal – illegale Substanzen kosten unterschiedlich viel Geld, jedoch ist jeglicher regelmäßige Konsum ein kostspieliges Unterfangen.

STANDARD: Dass Jugendliche hin und wieder Alkohol trinken oder eine Zigarette rauchen, beunruhigt wahrscheinlich die wenigsten Eltern. Schlucken sie auf einer Party hingegen Ecstasy oder nehmen andere Substanzen, sieht das schon anders aus. Helfen da Verbote?

Brunner: Klar ist, verbieten allein reicht nicht. Einsperren geht nicht. Wichtig ist, eine klare Haltung altersadäquat und deutlich zu vermitteln und auch zu begründen. Regeln und Grenzen sollten gemeinsam vereinbart werden. Dazu gibt es einen Podcast, den ich sehr empfehlen kann: "Muss ich das Kiffen verbieten?"

STANDARD: Sollten Eltern, wenn sie selbst schon illegale Drogen genommen haben, dem Nachwuchs davon erzählen?

Brunner: Ob man von den eigenen Erfahrungen erzählen sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn ein Kind direkt fragt, ist Ehrlichkeit wichtig. Denn auch das gehört zur Vorbildwirkung. Jedoch geht es auch darum, dabei Risiken zu vermitteln und Selbstbestimmung zu betonen, etwa: "Es ist immer möglich, NEIN zu sagen, man muss sich dem Gruppenzwang nicht beugen." Wichtig ist, dass die eigenen Erfahrungen nicht zu einer Verharmlosung oder Idealisierung von (illegalen) Substanzen führen. Man sollte die Gelegenheit nutzen, um mögliche negative Konsequenzen aufzuzeigen. (Nadja Kupsa, 21.11.2022)

Zehn Tipps, wie Eltern mit Kindern über Drogen sprechen sollen

  1. Fragen und Ängste von Kindern ernst nehmen.
  2. Das offene und ehrliche Gespräch auf Augenhöhe ist die Basis, um aufzuklären. Kinder sollten wissen, dass sie sich mit Fragen immer an Sie wenden können.
  3. Umgang mit negativen Emotionen lernen: Unangenehme Gefühle lassen sich nicht wegzaubern. Wir können aber fürsorglich mit ihnen umgehen, während sie da sind. Jedes Gefühl verändert sich auch wieder.
  4. Nehmen Sie eine klare Haltung bei Gesprächen über Suchtmittel ein.
  5. Sprechen Sie darüber, warum Menschen Suchtmittel nehmen und welche Auswirkungen das hat.
  6. Sprechen Sie über "harm reduction" und "safer use": kein Mischkonsum, nichts von Fremden annehmen, Vertrauensperson dabeihaben.
  7. Die Informationen sollten sachlich und faktenbasiert sein.
  8. Keine Verharmlosung legaler Substanzen wie Alkohol oder Nikotin.
  9. Vertrauen schaffen und Sicherheit geben: Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es sich immer an Sie wenden kann. "Wenn du Hilfe brauchst, sind wir immer für dich da. Wenn du Probleme hast, bestrafen wird dich nicht, sondern versuchen gemeinsam Lösungen zu finden. Egal, was du genommen hast, ruf mich an."
  10. Holen Sie sich professionelle Unterstützung und Beratung.