In Zusammenhang mit den Protesten wurden bisher sechs Menschen im Iran zum Tode verurteilt.

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Teheran – Im Iran ist erneut ein Angeklagter im Zusammenhang mit den Protesten zum Tode verurteilt worden. Das Revolutionsgericht in Teheran befand ihn für schuldig, "während der jüngsten Unruhen ein Messer gezogen" zu haben, "mit der Absicht zu töten, Terror zu verbreiten und die Gesellschaft zu verunsichern", wie die iranische Justizbehörde auf ihrer Internetseite Misan Online am Sonntag bekanntgab.

Es ist bereits das sechste im Zusammenhang mit den Demonstrationen verhängte Todesurteil. Der Iran wird seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von Protesten erschüttert. Die 22-Jährige war von der Sittenpolizei festgenommen worden, da sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Sie starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Aktivisten werfen der Polizei vor, Amini misshandelt zu haben.

Die iranischen Behörden bezeichnen die meisten Demonstranten als "Randalierer", die von ausländischen Mächten instrumentalisiert würden, und schlagen die Proteste mit aller Härte nieder. Auch gegen prominente Kritiker gehen sie dabei vor.

Schauspielerinnen festgenommen

Die Schauspielerinnen Hengameh Ghasiani und Katajun Riahi wurden in Gewahrsam genommen, nachdem sie in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch abgenommen hatten, wie iranische Staatsmedien am Sonntag berichteten. Die 52-Jährige Ghasiani, eine vehemente Kritikerin des harten Vorgehens der Behörden, hatte am Samstagabend auf Instagram ein Video veröffentlicht, in dem sie ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit abnimmt.

"Vielleicht ist dies mein letzter Beitrag", schrieb sie. "Was auch immer mit mir geschieht, ihr sollt wissen, dass ich bis zu meinem letzten Atemzug auf der Seite der iranischen Bevölkerung stehe." Vergangene Woche hatte sie die iranische Regierung als "Kindermörder" bezeichnet und ihr vorgeworfen, mehr als 50 Kinder "ermordet" zu haben.

Sieben Prominente verhaftet

Auch Katajun Riahi, 60, hatte sich mit den Protestierenden solidarisiert. Vor einigen Wochen hatte sie dem in Großbritannien ansässigen Sender Iran International ein TV-Interview gegeben, bei dem sie kein Kopftuch trug, weshalb auch sie jetzt verhaftet wurde.

Laut Irna wurde Ghasiani wegen Anstiftung zu und Unterstützung von "Unruhen" sowie wegen Kontakts zu oppositionellen Medien festgenommen. Auch sieben weitere Prominente aus Film, Sport und Politik wurden Misan Online zufolge von der Justiz vorgeladen. Unter ihnen ist demnach auch Yahya Golmohammadi, Trainer des Teheraner Fußballvereins Persepolis FC. Er hatte die Spieler der iranischen Nationalmannschaft dafür kritisiert, dass sie "die Stimme des unterdrückten Volkes den Behörden nicht zu Gehör bringen".

Iranische Fußballspieler schweigen aus Solidarität

Als Zeichen der Solidarität angesichts von fast 400 Toten haben die Fußball-Nationalspieler des Irans vor ihrem WM-Auftaktspiel gegen England bei der eigenen Nationalhymne komplett geschwiegen. Bereits beim WM-Test gegen Nicaragua Anfang November hatten mit Vahid Amiri und Mehdi Torabi nur zwei Spieler mitgesungen, der Rest schwieg.

Offen kritische Spieler wie Leverkusens Sardar Azmoun oder Saman Ghoddos vom FC Brentford gehören zum Kader von Trainer Carlos Queiroz – was viele Beobachter durchaus überraschte. Vor der Abreise hatte aber dann ein Gruppenfoto der Mannschaft mit Präsident Ebrahim Raisi für große Aufregung gesorgt. Auch die iranischen Basketballer, Wasserballer und Sitzvolleyballer hatten zuletzt aus Solidarität mit den Protestierenden das Mitsingen bei der Hymne verweigert.

Die Unruhen finden indes kein Ende. Heftige Proteste gab es auch am Montag: Bei Ausschreitungen in Kurdengebieten im Westen und Nordwesten des Irans haben sich laut Augenzeugen bürgerkriegsähnliche Szenen abgespielt. In den Städten Javanrud und Piranshahr gab es demnach am Montag heftige Auseinandersetzungen, wobei iranische Sicherheitskräfte wahllos auf Demonstranten geschossen haben sollen. Die Schilderungen aus den Kurdengebieten ließen sich nicht unabhängig überprüfen. (APA, red, 21.11.2022)