Das Aus der "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung stößt auf breiten Widerstand. Bei einer Veranstaltung bekräftigten mehrere Personen ihren Protest gegen einen Ministerialentwurf der Regierung, der die Umwandlung in eine Monatszeitschrift und Onlineplattform vorsieht.
Für den ehemaligen EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) ist das voraussichtliche Ende der "Wiener Zeitung" schlichtweg ein "Skandal". Es sei "höchst an der Zeit, dass wir mit wesentlich mehr Sorgfalt und Bereitschaft die freien Medien unterstützen und fördern", sagte Fischler bei einer Veranstaltung der IG Autorinnen Autoren und Initiative Medienvielfalt und Baukultur am Montag im Presseclub Concordia.
Videobotschaft von Elfriede Jelinek
Zur Veranstaltung schickte die Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek eine von Schauspielerin Maria Happel vorgetragene Videobotschaft, in der sie dazu aufruft, für die "Wiener Zeitung" zu "kämpfen, dass uns ein solches Medium erhalten bleibt".
Irmgard Griss, ehemalige Nationalratsabgeordnete (Neos), nannte die Diskussion um die Europäische Menschenrechtskonvention und Nachrichten über den Krieg in der Ukraine als Beispiele, "wie wichtig freie Medien sind". Sie seien "die Grundlage unserer Meinungen und Einstellungen. Um eine evidenzbasierte Einstellung zu finden, brauchen wir unabhängige, verlässliche und objektive Informationen. Dazu brauchen wir unabhängige, freie Medien."
Parlamentarische Diskussion
Eine parlamentarische Debatte regt Doris Bures (SPÖ), zweite Nationalratspräsidentin, an. Sie rief in "Erinnerung, wie wichtig die demokratischen Errungenschaften Menschenrechte, freie Meinungsäußerung und freie Medien sind". Gerade jetzt sei es "unerlässlich, für Pressefreiheit und Meinungsvielfalt und für die 'Wiener Zeitung' als professionelle, seriöse Tageszeitung einzutreten", sagte Bures.
Der ehemalige Nationalratsabgeordnete Walter Geyer (Grüne) hält "die 'Wiener Zeitung' für unverzichtbar". Vorschlag der Protestierenden sei eine 18-monatige Nachdenkpause für die Regierung, um Konzepte zu prüfen. "Im Vergleich zur 320-jährigen Geschichte der 'Wiener Zeitung' wäre das ein Wimpernschlag und für die Regierung keine Schande, sondern eine Größe", sagte Geyer.
Juwel zu Grabe getragen
"Wiener Zeitung"-Chefredakteur Walter Hämmerle sieht in dem Ministerialentwurf einen "Totalschaden". Mit dem Beschluss werde "ein Juwel zu Grabe getragen, das allein aufgrund der jetzt zugesagten Unterstützungen ein unglaubliches Potenzial hat, zu einem der besten Medien dieses Landes zu werden", sagte Hämmerle. Für eine Übernahme gebe es Interessenten, Hämmerle nennt etwa den Industriellen Hannes Androsch. Dieser bekundete zuletzt in der "Kronen Zeitung" Interesse. "Wenn jemand sagt, es gibt kein Interesse – dann sind es Fake News", sagte Hämmerle.
"Als Online-only-Medium ist die 'Wiener Zeitung' nicht marktfähig", sagte Medienwissenschafter Josef Trappel. "Wenn die 'Wiener Zeitung‘ zum Online-only-Produkt wird, steht sie im Wettbewerb mit allen anderen Onlinemedien, allen voran dem ORF. Dieses Match kann sie nicht gewinnen." Der Gesetzesentwurf sei "destruktiv und bringt dem Medienstandort weniger Vielfalt und weniger Qualität".
Journalistenausbildung
Auf wenig Gegenliebe stößt auch der im Gesetzesentwurf vorgesehene Mediahub für Journalistenausbildung. Dessen Weisungsgebundenheit gegenüber dem Bundeskanzleramt sei "in einer liberalen Demokratie ein Nogo", sagte Fritz Hausjell, Medienwissenschafter und Präsident von Reporter ohne Grenzen Österreich. Journalistenausbildung werde "de facto verstaatlicht", kritisierten auch Presserat und Journalistengewerkschafter Eike Kullmann. Der Presseclub Concordia lehnt das Gesetz als Ganzes ab, vor allem die darin vorgesehene Verstaatlichung der Journalismusausbildung. Gerhard Ruiss von IG Autorinnen und Autoren kündigt weitere Aktivitäten an. (prie, 21.11.2022)