Nächste Runde im Clinch um die Ausrichtung der SPÖ: Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil.

Foto: Matthias Cremer

Erste im Vergleich zur Konkurrenz, aber nur Zweite im eigenen Lager: In dieser Rolle findet sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek wieder. Zwar liegen die Sozialdemokraten demnach jedenfalls auf Platz eins. Doch offenbar macht es einen beträchtlichen Unterschied, wer die Partei anführt. Während Rendi-Wagner lediglich auf 27 Prozent käme, sieht die Erhebung den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil bei 32 Prozent.

Das Pikante daran: Es ist Doskozils burgenländische SPÖ selbst, welche die Umfrage in Auftrag gegeben und an die Öffentlichkeit gespielt hat. Nimmt der stimmlich angeschlagene Landesvorsitzende Anlauf, um Rendi-Wagner doch noch als Spitzenkandidat für die nächste Nationalratswahl abzulösen?

Burgenländische Weg

Wer an offizieller Stelle nachfragt, bekommt ein Dementi serviert. "Wenn wir das wollten, würden wir das eleganter angehen", sagt Roland Fürst, Geschäftsführer der Landespartei. Vielmehr sei es um die Erkenntnis gegangen, ob der "burgenländische Weg" auch in ganz Österreich ziehen würde. "Wir bekommen ja immer wieder ausgerichtet, dass dieser nur bei uns zu Hause funktioniere," so der Doskozil-Vertraute: Die Umfrage beweise "eindrucksvoll" das Gegenteil.

Bestätigt fühlen sich die Burgenländer in der heikelsten Streitfrage. Als abgehoben gilt ihnen die Linie der Bundes-SPÖ in der Asyl- und Migrationspolitik – so wollte Rendi-Wagner bislang partout keine Flüchtlingskrise erkennen. Auch dass die dominante Wiener SPÖ Erleichterungen bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft fordert, während sich die Bewohner an der Grenze vor lauter Asylwerberandrang nachts nicht mehr aus dem Haus trauten, stößt auf Kopfschütteln.

Rechte Asyllinie, linke Sozialpolitik

Da kommt es gerade recht, dass Umfragenmacher Hajek den Vorsprung des Rivalen hauptsächlich mit ebendiesem Thema erklärt: "Doskozil strahlt beim Thema Migration und Asyl in Wählerschichten rechts der Mitte aus." Zwar verliere er gleichzeitig Stimmen von links, doch das wiege das Plus bei weitem nicht auf. In Daten gefasst: Unter Doskozil läge die SPÖ um elf Prozentpunkte vor den Blauen, unter Rendi-Wagner nur um zwei.

Ein Flügelkampf also zwischen links und rechts? Das greift zu kurz. Denn abseits der Ausländerfrage setzt Doskozil geradezu sozialistische Signale. Die Verstaatlichung der Pflege zählt ebenso dazu wie der im Land forcierte Mindestlohn von 1.700 Euro netto im Monat. Auch da fügt sich die Umfrage ins burgenländische Wunschbild: Eine Mehrheit zieht dieses Projekt der Einführung einer Viertagewoche vor, wie sie die Bundes-SPÖ forciert.

Wiener Ärger

Ob das auch auf Sozialdemokraten westlich des Leithagebirges Eindruck macht? Unumstritten war Rendi-Wagner nie. So mancher Parteikollege könnte sich per se mit einem Wechsel knapp vor der Wahl anfreunden – zumal es einem Kandidaten mit Appeal im rechten Lager leichter fiele, die für eine Ampelkoalition mit Grünen und Neos nötige Mehrheit zu erreichen. "Doch der Hans Peter", sagt ein Wiener Funktionär, "ist drauf und dran, sich selbst ins Out zu schießen."

Bei einer Sitzung des Parteivorstandes der Wiener SPÖ am Montag hätten sich selbst wohlgesonnene Genossen über die jüngste "Störaktion" empört, heißt es. Doskozils Verhalten laufe auf parteischädigendes Verhalten hinaus – gerade im Hinblick auf den anlaufenden Wahlkampf in Niederösterreich. Viel Aufwand trieb die Partei, um Spitzenkandidat Franz Schnabl bei einem "Themenrat" am Samstag in Wiener Neustadt eine Bühne zu bieten. Doch einmal mehr, so die Interpretation der Kritiker, sei Doskozil hineingegrätscht: erst mit einem Interview in der "Krone", dann mit der selbstbeweihräuchernden Umfrage.

Vor den Kopf gestoßen

"Das ist nichts anderes als Sabotage" schimpft ein verärgerter Parteikollege: "Doch er tut sich damit sich selbst nichts Gutes, sondern stößt immer mehr vor den Kopf."

Beim wohl mächtigsten Sozialdemokraten in Österreich scheint Doskozil dies längst gelungen zu sein. Rendi-Wagner werde die Kanzlerkandidatin bei der nächsten Nationalratswahl sein, versicherte Wiens Bürgermeister vor einer Woche der deutschen Zeitung "Die Welt": "Ohne Wenn und Aber." (Gerald John, 21.11.2022)