Vor dem ersten Kaffee am Morgen läuft bei vielen gar nichts. Das liebste Genussmittel der Österreichinnen und Österreicher kann aber mehr als nur munter machen.

Foto: So wirkt Koffein

Ihren Kaffee darf man den Österreicherinnen und Österreichern nicht wegnehmen, wir sind eine Nation der Vieltrinker. Laut Angaben des Österreichischen Kaffee- und Tee-Verbandes trinkt jeder fast drei Tassen am Tag. Damit kommen wir auf über 160 Liter pro Kopf und Jahr, das macht uns zu den Europameistern beim Kaffeekonsum. Auch die Arten des Genusses sind hierzulande vielfältiger als in der restlichen (Kaffee-)Welt: Espresso, kleiner Brauner, Verlängerter, Wiener Melange, Latte macchiato, Capuccino, Flat White, Cold Brew, Iced Coffee oder Coffee Tonic sind nur die beliebtesten Sorten und Zubereitungsarten.

Doch Kaffee ist nicht nur ein Genuss. Er enthält beachtliche Mengen Koffein – ebenso wie Tee und auch Schokolade, was viele nicht wissen. Und Koffein werden gemeinhin viele gesunde und ungesunde Eigenschaften nachgesagt. Das unabhängige Schweizer Fachblatt "pharma-kritik" hat die aktuelle Studienlage zu Koffein und seiner Wirkung auf den Menschen ausgewertet. Das Fazit der Ärztin und Autorin des Beitrags, Barbara Loeliger, dürfte Kaffeetrinkern gefallen: "Aus gesundheitlicher Sicht ist gegen Koffeinkonsum nichts einzuwenden." Und es spreche auch nichts gegen den Versuch, Koffein gezielt als Wachmacher oder zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit einzusetzen.

Auch Schwarztee und dunkle Schokolade putschen auf

Allerdings: Wer auf Koffein empfindlich reagiere, solle seinen Konsum anpassen, sonst könne es zu unangenehmen Nebenwirkungen wie Nervosität oder Einschlafproblemen kommen. Auch bei manchen Beschwerden rät die Ärztin eher zur Zurückhaltung. "Wer unter Eisenmangel leidet, häufig urinieren muss, einen trockenen Mund hat oder durch die Menopause stark schwitzt, sollte versuchsweise weniger Koffein konsumieren, das könnte die Beschwerden eventuell verbessern." Zu schnell sollte man allerdings nicht reduzieren, sonst könne es zu Entzugserscheinungen mit Kopf- und selten Gliederschmerzen kommen.

Auch der chronische Koffeinkonsum durch Kaffee und Tee schade wahrscheinlich nicht, denn die Fülle von Studien und deren relativ einheitliche Resultate legen den Schluss nahe, dass Kaffeekonsum auf lange Sicht gesundheitlich mehr nützt als schadet. Die Untersuchungen weisen dabei alle in die gleiche Richtung: Wer täglich zwei bis drei Tassen Kaffee trinkt, kann sein Sterberisiko um bis zu 15 Prozent verringern. Denn das Getränk schützt laut Studien unter anderem vor Herz- und Kreislaufkrankheiten, Typ-2-Diabetes oder Leberschäden. Allerdings führen Forschende die langfristigen Effekte nicht auf das Koffein selbst zurück. Vermutet werden dahinter vielmehr andere bioaktive Substanzen wie Alkaloide, Flavonoide oder Terpene. Forscher schätzen, dass es in Kaffee, Tee und Kakao über 1.000 Substanzen gibt, die als potenziell gesundheitsförderlich infrage kommen.

Fest steht aber, dass Koffein, abgesehen von den potenziellen langfristigen Auswirkungen, eine unmittelbare Wirkung im gesamten Körper hat. Doch wie sieht diese konkret aus? Hier gibt es einen Überblick:

Zentralnervensystem

Im Gehirn verbreitet Koffein eine anregende Wirkung, reduziert das Müdigkeitsgefühl und verbessert die geistige Leistungsfähigkeit. "So lassen sich langweilige Tätigkeiten besser durchhalten, komplexe Aufgaben profitieren davon aber nicht", sagt Barbara Loeliger nach Durchsicht der Studien. Mehr als drei Tassen Kaffee zeigten in Studien keinen weiteren Nutzen. Spätnachmittags oder abends konsumiert, kann Koffein zudem das Einschlafen erschweren.

Herz und Kreislauf

Koffein lässt den Blutdruck nur anfangs leicht ansteigen, wenn man Kaffee noch nicht regelmäßig konsumiert, die Werte normalisieren sich mit der Zeit wieder. Auch die Herzfrequenz wird langfristig kaum beeinflusst. Kaffee kann daher auch nach einem Herzinfarkt ohne Bedenken bis zu drei Tassen am Tag getrunken werden, so Barbara Loeliger.

Muskeln

Bis zu drei Tassen Kaffee erhöhten in Studien die körperliche Leistungsfähigkeit bei Sportarten, wo es auf Muskelkraft und Ausdauer ankommt. "Ein Kaffee vor dem Joggen ist daher keine schlechte Idee ", sagt Loeliger. Bei mehr als vier Tassen Kaffee zeigten sich eher negative Effekte auf die körperliche Leistung.

Lunge

Koffein kann die Bronchien etwas weiten, was beim Sport hilfreich und auch Asthmatikern angenehm ist.

Magen-Darm

"Bei einigen Personen regt Koffein bereits nach wenige Minuten den Enddarm und damit den Stuhlgang an", sagt Loeliger. Sie empfiehlt ihren Patienten mit Verstopfung morgens einen Kaffee zu probieren. Patienten mit Reflux sollten dagegen ihren Kaffeekonsum reduzieren, da er die Magensäureproduktion anregt.

Kinder und Jugendliche

Ob zu viel Koffein die Entwicklung des Gehirns bei Kindern und Jugendlichen stört, ist noch ungeklärt. Derzeit wird ihnen maximal 2,5 mg Koffein pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen. "Das wird jedoch schnell durch Energydrinks, Cola und Eistee überschritten", so Loeliger.

Schwangerschaft

In der Schwangerschaft baut sich Koffein durch den erhöhten Östrogenspiegel nur langsam ab. Beim Stillen gelangt es über die Muttermilch ans Neugeborene. "Die genauen Auswirkungen sind noch unklar, Schwangere und Stillende sollten daher maximal ein bis zwei Tassen Kaffee am Tag trinken oder auf koffeinfreie Produkte umstellen", sagt Barbara Loeliger.

Überkonsum und Vergiftung

Schon bei mehr als vier Tassen kann es bei Koffein-empfindlichen Personen zu Angststörungen kommen, ab zehn Tassen auch zu aggressivem Verhalten. Eine lebensgefährliche Überdosierung mit Kopfschmerzen, Erbrechen, Zittern, Schwindel und Herzrhythmusstörungen tritt aber im Normalfall nur bei exzessivem Koffeinkonsum durch Koffeintabletten oder -pulver oberhalb mehrerer Gramm auf.

Als Medikament

Bei manchen Personen kann eine Tasse Kaffee die Wirkung von Schmerzmitteln wie Paracetamol oder Ibuprofen verstärken. "Ich empfehle das zum Beispiel bei Migräne oder Spannungskopfschmerzen", sagt Loeliger. In Österreich gibt es in der Apotheke unterschiedliche Wirkstoffkombinationen aus Koffein und Paracetamol, Ibuprofen und Acetylsalicylsäure, allerdings mit nur geringem Koffeingehalt von meist 50 mg, dessen Wirkung bei Schmerzen nicht ausreichend belegt ist. (Andreas Grote, 22.11.2022)