In der Nase befinden sich 350 Duftrezeptoren. Aber nicht nur in der Nase findet man diese, sondern auch in den Körperzellen und somit in der Haut und in allen Organen.

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Düfte sind überall. Ob es nun der frischgebrühte Kaffee am Morgen ist oder auch der recht miefige Geruch in der U-Bahn – sie sind da, und wir können uns ihnen nicht entziehen. Und sie machen auch etwas mit uns, denn sie können unsere Stimmung beeinflussen, positiv, aber auch negativ. Dafür sorgen 350 Duftrezeptoren in der Nase, die die Gerüche ins Gehirn oder, genauer gesagt, direkt ins Emotionszentrum weiterleiten. Von dort aus beeinflussen sie aber nicht nur die Stimmung. Sie können uns gedanklich auch auf eine Zeitreise in die Vergangenheit schicken – in die Kindheit zum Beispiel oder an den letzten schönen Urlaubsort.

Warum das so ist, erklärt Hanns Hatt, Professor für Zellphysiologie an der Universität Bochum: "Wenn ich einen Duft wahrnehme, wird er im Gehirn abgespeichert und mit ihm auch die jeweilige Situation und Emotion. Esse ich etwa herrliche Vanillekipferln, prägt sich dieses Wohlgefühl gemeinsam mit dem Duft ein." Strömt dieser Vanilleduft zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Nase, erinnert man sich unmittelbar an die Situation zurück und an das Wohlgefühl, das man dabei hatte.

Jedoch verbindet nicht zwangsläufig jeder oder jede eine positive Emotion beim Geruch von Vanille. Diese Art der Duftbeeinflussung über unsere Riechzellen und unser Gehirn ist eine ganz individuelle – je nachdem in welcher Situation man den Duft kennengelernt hat, verbindet das Gehirn auch ein spezielles Gefühl damit.

Auch Organe können "riechen"

Düfte können aber noch mehr als uns an bestimmte Situationen und Gefühle zu erinnern. Denn: Nicht nur in unserer Nase befinden sich Duftsensoren, sondern überall im Körper sind sie, nämlich in den Zellen. Darum können sogar die Organe "riechen". Hatt erklärt: "Unsere Organe können natürlich nicht im klassischen Sinn riechen, aber in verschiedenen Studien konnten wir zeigen, dass sich die Duftsensoren, die wir aus der Nase kennen, über den gesamten Körper ausbreiten. Es gibt sie in allen Körperzellen, in der Haut, im Herz, in der Lunge oder auch im Darm." Diese Duftsensoren können durch bestimmte Gerüche angeregt werden und beeinflussen die Zellen im Körper. "So stimulieren bestimmte Düfte etwa die Darmzellen und können somit die Verdauung anregen." Ähnlich funktioniert das beim Herzen. Werden die Zellen durch spezifische Düfte angeregt, lassen sie das Herz schneller oder langsamer schlagen.

Dabei kommt es natürlich auf die richtige Duftnote an. Welche Gerüche wie auf bestimmte Organe wirken, konnten Hatt und sein Team bereits im Reagenzglas zeigen. Auf Darmzellen etwa zeigen vor allem Eugenol und Carvon eine Wirkung. Eugenol ist ein natürlicher Duftstoff, der intensiv nach Gewürznelken riecht, Carvon kommt vor allem in Kümmel und Dille vor. Kein Zufall also, dass bereits unsere Vorfahren ganz instinktiv mit den "richtigen" Gewürzen gekocht haben. Denn schon die Uroma hat Kümmel auf den schwer verdaulichen Schweinsbraten gegeben und Gewürznelken ins Rotkraut. "Diese Duftstoffe stimulieren die Darmtätigkeit und können so die Verdauung verbessen", weiß Hatt.

Dabei ist es besonders wichtig, dass wir diese Duftstoffe auch über die Nahrung aufnehmen. "Es hilft in diesem Fall nicht, wenn wir nur am Kümmel riechen. Die Düfte müssen über das Essen in den Darm gelangen, damit die Duftsensoren in den Darmzellen stimuliert werden können." Nur dann schütten sie Serotonin aus, das wiederum die Darmtätigkeit aktiviert.

Anders als beim Vanilleduft etwa, der bei jedem Menschen individuell abgespeichert wird, erzielen diese Düfte bei jeder Person immer den gleichen Effekt. Hatt weiß: "Man könnte sagen, dass sie sozusagen wie Medizin wirken. Sie erzielen bei allen Menschen die gleiche, vorhersehbare Wirkung. Darum sprechen wir bei ihnen von Wirkdüften."

Das Herz kann Fettsäuren wahrnehmen

Aber nicht nur die Darmtätigkeit kann mit den sogenannten Wirkdüften verbessert werden, auch für die Wundheilung haben Hatt und sein Team einen Duft gefunden, der immer gleich auf die Hautzellen wirkt. Der Duftforscher erzählt: "Wenn man Sandalore, einen synthetischen Sandelholzduft, auf die Haut aufträgt, wird die Zellteilung der Hautzellen aktiviert. Wir konnten im Labor zeigen, dass die Wundheilung damit um bis zu 50 Prozent beschleunigt wird."

Bei den Düften für das Herz ist es dann nicht mehr ganz so blumig. Denn: Duftrezeptoren im Herzen springen auf mittellange Fettsäuren an, die sich im Blut befinden. Die Duftrezeptoren im Herzen können also Blutfette "riechen". Hatt weiß: "An Herzzellen im Labor konnten wir feststellen, dass sich die Herzfrequenz verlangsamt, wenn diese Fettduftrezeptoren aktiviert werden." Diese Erkenntnis deckt sich mit anderen, bereits bekannten Untersuchungen. "Man weiß, dass bei Menschen mit hohen Blutfettwerten tatsächlich die Herzleistung verschlechtert ist."

Die gute Nachricht: Man kann diesen Effekt auch rückgängig machen. Denn: Jeder Duftsensor kann mit einem Duft aktiviert werden, und man kann ihn mit einem Antiduft auch blockieren. "Wir haben bereits diesen Antiduft gefunden und konnten im Labor bei isolierten Herzzellen zeigen, dass nach Gabe des Antidufts das Herz wieder normal schlägt", erklärt der Duftforscher. Sogar das Wachstum von bestimmten Krebszellen konnte das Forscherteam im Reagenzglas mithilfe verschiedener Düfte verlangsamen. Ob das auch beim Menschen funktioniert, ist jedoch noch nicht geklärt – klinische Studien dazu gibt es noch keine.

Duftende Konzentrationssteigerung

Neben den Organen kann auch die Stimmung durch verschiedene Düfte beeinflusst werden. Vor allem jetzt, im grauen Winter, könnte das recht hilfreich sein. Aber auch um die besinnliche Weihnachtsstimmung noch ein bisschen zu verstärken, kann mit Düften nachgeholfen werden. Dabei gibt es zwei Arten von Düften. Die einen wirken ganz individuell auf Menschen, indem sie mit bestimmten Erinnerungen verknüpft sind. Das könnte der bereits gennannte Vanilleduft sein, der vielleicht an die Vanillekipferln von der Oma erinnert.

Neben diesen Gerüchen gibt es noch Düfte, die bei jedem Menschen im Gehirn gleich wirken. "Lavendel etwa ist so ein Duft. Er stimuliert die Zellen im Gehirn, die für die Beruhigung zuständig sind", weiß Hatt. Man nimmt den Duft über die Nase auf, und er gelangt in das Gehirn. Zusätzlich werden die Duftmoleküle auch durch die Lunge ins Blut geleitet.

Der Entspannungseffekt kann sogar noch einmal gesteigert werden, wenn man ein paar Tropfen Lavendelöl ins Badewasser gibt. Denn ähnlich wie die Organe besitzen auch die Hautzellen Duftsensoren, die auf bestimmte Düfte reagieren: "Die Duftmoleküle werden über das Öl im Badewasser dann noch zusätzlich über die Hautzellen aufgenommen." Den gleichen Effekt erzielt man übrigens auch, wenn die ätherischen Öle direkt auf die Haut aufgetragen werden. Etwa durch Bodylotions oder Hautöle, die mit ätherischen Ölen angereichert sind.

Wer gern Duftlampen benutzt, kennt vielleicht bereits fertige Duftmischungen, die etwa damit werben, dass sie die Konzentrationsfähigkeit steigern. Laut dem Experten kann das funktionieren, aber nur, wenn man sein Gehirn auf diese bestimmte Duftmischung konditioniert. Die Wirkung wird also durch Erinnerung erzielt. Der Duftforscher erzählt aus seiner Praxis: "Wenn ich ganz konzentriert arbeiten muss, rieche ich immer am gleichen Duft. Das ist ein Duft mit dem ich nichts anderes verbinde und den ich in keiner anderen Situation verwende."

Empfehlenswert sind hier Zitrusdüfte, die Cineol oder Geraniol enthalten. Denn sie blockieren ohnehin schon die Beruhigungssensoren im Gehirn. Wenn das Gehirn dann immer wieder beim konzentrierten Arbeiten diesen Duft wahrnimmt, konditioniert es sich darauf, und die Aufmerksamkeit kann gesteigert werden. Fertige Duftmischungen führen also nicht zwangsläufig zum gewünschten Ergebnis, vor allem dann nicht, wenn man sie auch in anderen Situationen verwendet.

Bei der Beduftung zu Hause sollte man übrigens darauf achten, dass die ätherischen Öle nicht zu heiß werden. Hatt erklärt: "Diese Duftlampen, wo unten eine Kerze drin ist, empfehle ich eher nicht. Die Lampe erzeugt hohe Temperaturen, und dadurch werden die ätherischen Öle verändert." Noch schlimmer sei der Effekt bei Duftkerzen: "Da wird zusätzlich auch noch das ganze Kerzenmaterial mitverbrannt, das in der Regel keine besonders gute Qualität besitzt und das wir dann auch noch einatmen." Er empfiehlt "Ultraschalldiffusoren, die ohne große Hitze die ätherischen Öle in der Luft verteilen. Ähnliche Effekt haben auch Düfte, die in die Luft gesprüht werden." (Jasmin Altrock, 5.12.2022)