Das Restaurant Bauer ist ein Veteran des noblen Fortgehens in Wien. Seit dem Jahr 1989 wird dem Gutesser von Welt, dem Weinkenner von Graden und anderen Spesenrittern in der Sonnenfelsgasse aufgekocht. Der erste Küchenchef war Harald Brunner, damals frisch den Fängen Reinhard Gerers entkommen, dann kam der hinterher selbst zum Edelwirten aufgestiegene Christian Domschitz.

Ambiente wie gehabt, nur der Betreiber ist neu: Das Bauer in der Sonnenfelsgasse wurde zum Duchardt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Hummerkrautfleisch, ein Gericht, das es in den 1990ern zu lokaler Berühmtheit brachte, hat Domschitz hier auf Anregung seines Chefs zum ersten Mal gekocht – und es dann zu Mörwald und ins Schwarze Kameel weitergetragen. Noch heute steht es in seinem Burgtheater-Restaurant wie ein Faktotum aus versunkener Zeit auf der Karte. Auf Domschitz folgte der begnadete Herbert Malek – in dessen "Hirschen" Walter Bauer in einer sehr wienerischen Volte der Arbeitsverhältnisse einst als Oberkellner angestellt gewesen war. Aber das ist alles so lange her. Die vergangenen zwölf Jahre machte jedenfalls Mike Feierabend den Küchenchef. Das ist er auch heute noch, dabei hat Walter Bauer das Restaurant, dem er den Namen gab, mit Anfang Oktober abgegeben.

Gastro-Legenden

Fisch wird im Restaurant Duchardt vorzugsweise bei Niedertemperatur ins Schaumig-Cremige gezogen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Küchentechnisch hat sich also kaum etwas verändert – das Essen aber war den Habitués im Bauer stets nur ein Grund (und selten der wichtigste). Walter Bauer ist als ebenso schmähbegabter wie diskreter Gastgeber Legende, noch legendärer ist der unfassbare Keller, den er in den vergangenen Jahrzehnten aufzubauen wusste. Mythische Namen wie Coche-Dury und Romanée-Conti, die sich längst nur Oligarchen und andere fette Katzen leisten können, hat Bauer zur rechten Zeit und in Ehrfurcht gebietender Jahrgangsvielfalt in seinem Weinkeller versammelt. Bei den Graubündener Weltstars Martha und Daniel Gantenbein konnte er, für ein Restaurant dieser Kleinheit unerhört, die heiß umfehdeten Pinot noirs ab Hof beziehen – an den edelsten Adressen der Wachau sowieso. Im Keller vom Bauer warteten Schätze, die nicht nur für Wien einzigartig waren – und zu Preisen, wie sie nur ein Verliebter kalkulieren kann.

Einige dieser Flaschen hat auch Marcus Duchardt noch zur Verfügung, der Neue im Bauer. Eine Übernahme des gesamten Kellers aber ging sich nicht einmal ansatzweise aus. Noch prangt der Name des Vorgängers auf dem Geschäftsschild, das ist kein Zufall: Kontinuität ist das Motto, schließlich ist auch das Ambiente noch genauso wie bei der Eröffnung vor 33 Jahren. Nur logisch, dass neben Küchenchef Feierabend auch Restaurantleiterin Annett Poussin nach wie vor in Diensten steht.

Le nouveau est arrivé

Duchardt kommt aus der Münchner Luxushotellerie, hat aber auch in Frankreich und auf Mallorca gekocht und versteht seine Rolle einstweilen in der Nachfolge Walter Bauers – also im Gastraum. Feierabends Essen ist altmodisch wie eh und je, Fisch wird, wie in den 1990ern von Hans Haas im Tantris praktiziert, vorzugsweise bei Niedertemperatur ins Schaumig-Cremige gezogen und ließe sich jederzeit als Säuglingsnahrung verfüttern. Kürbisravioli geraten, nicht nur wegen der Garnitur aus schwarzen und karamellisierten Nüssen, fast schon desserthaft süß, die darüber gehobelte Trüffel (laut Speisekarte aus dem Périgord) kann geschmacklich nichts und konsistenzmäßig dezent altkeksige Noten beisteuern.

Rücken vom Frischling, in grünlicher Farce gebraten, ist exemplarisch saftig, richtig gut – das in einem Extra-Tiegel gereichte Ragout aus kleingehackter Schulter wirkt aber gar eilig, weil zach geschmort. Keinesfalls versäumen: die auf der Karte gar nicht vermerkten, hochreifen französischen Rohmilchkäse. Und, natürlich, die immer noch in bemerkenswerter Jahrgangstiefe vorrätigen Halbflaschen aus den großen Appellations der Welt.
(Severin Corti, 25.11.2022)