Den Kampf gegen Hass im Netz hat nun die Europäische Union übernommen.

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Am vergangenen Mittwoch ist der Digital Services Act (DSA) in Kraft getreten, der die Regulierung von Onlineplattformen auf EU-Ebene harmonisieren soll. Dadurch wird nationalen Alleingängen wie dem österreichischen Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G), das 2020 als Teil des Hass-im-Netz-Pakets erlassen wurde, der Boden entzogen.

Im Zusammenhang mit Hass im Netz wird oft betont, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein dürfe. In Wahrheit ist es das auch nicht. Im Gegenteil, die meisten nationalen Rechtsordnungen, wie auch die österreichische, bieten Betroffenen weitreichende Abhilfemöglichkeiten gegen Beleidigungen, Drohungen, Cybermobbing und andere Formen von Hass im Netz. Das Problem ist dabei seit jeher die Durchsetzung auf nationaler Ebene.

Überstürzt erlassene nationale Gesetze konnten dem inhärent grenzüberschreitenden Charakter des Internets naturgemäß nicht gerecht werden. Auch das KoPl-G kann nicht als Erfolgsprojekt verbucht werden.

Erstens dürfen Onlineplattformen nach dem Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie der EU grundsätzlich nur von jenem Mitgliedsstaat reguliert werden, in dem die Onlineplattform ihren Sitz hat. Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof bereits Zweifel an der Unionsrechtskonformität des KoPl-G angemeldet und den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Zweitens hat sich seither weder die Anzahl der Hasspostings im Internet verringert, noch wurden zur Rechtsdurchsetzung notwendige Ressourcen von Gerichten und Behörden im nötigen Ausmaß aufgestockt.

Fragmentierte Rechtslage

Auf EU-Ebene wird schon seit längerem die mitgliedsstaatenübergreifende Regulierung dieses Bereichs angestrebt. Nationale Gesetze, wie sie auch in Deutschland, Frankreich und Dänemark verabschiedet wurden, führen zu einer Fragmentierung der EU-Rechtslage und damit zu künstlichen Hindernissen für die grenzüberschreitende Erbringung von Onlinediensten. Gegen all diese Gesetze hat die EU-Kommission klar Stellung bezogen. Die Mitgliedsstaaten wurden – insbesondere im Lichte des vorliegenden DSA – zur Zurückhaltung aufgefordert, um das Entstehen künstlicher Handelshemmnisse zu verhindern.

Nationale Alleingänge führen auch zur Löschung rechtmäßiger Inhalte und greifen damit empfindlich in die Meinungsäußerungsfreiheit ein. Beispielsweise hat die ungarische Regierung versucht, mittels nationaler Gesetzgebung den Zugang zu LGBTQI-Content unter dem Deckmantel "schädlicher Inhalte" in sozialen Medien einzuschränken. Auch das KoPl-G hat – teilweise aufgrund legistischer Versehen – rechtmäßige Inhalte einer Löschungspflicht unterworfen.

Inhaltlich führt der DSA ein abgestuftes Regelungssystem mit umfangreichen Pflichten für unterschiedliche Arten von Anbietern digitaler Services ein. Den strengsten Pflichten unterliegen dabei Plattformen und insbesondere große Onlineplattformen, wie beliebte Social-Media-Provider.

Viele Überschneidungen

Anwendungsbereich und Pflichten des DSA decken sich weitgehend mit denen des KoPl-G. So regeln beide Rechtsakte die obligatorische Einführung von Meldeverfahren für mutmaßlich rechtswidrige Inhalte, inklusive weitreichender Details wie der Offenlegung der Gründe für die Entscheidung über die Löschung gemeldeter Inhalte. Weiters verpflichten sie Plattformen dazu, ein Beschwerdeverfahren gegen die von ihnen getroffenen Entscheidungen zu etablieren und Transparenzberichte zu verfassen.

Wie ist nun mit diesen Überschneidungen und allfälligen Widersprüchen umzugehen? Laut dem Anwendungsvorrang hat Unionsrecht grundsätzlich Vorrang vor dem nationalen Recht der Mitgliedsstaaten. Wenn nationales Recht KoPl-G unmittelbar anwendbarem EU-Recht widerspricht, wird es vom Unionsrecht "verdrängt". Das bedeutet, dass jedes Gericht und jede Behörde in einem Mitgliedsstaat das nationale Gesetz unangewendet lassen muss. Von diesem Prinzip sind jedoch nicht nur widersprechende Regelungen umfasst, sondern auch nationale Gesetze, die den Wortlaut von vorrangigem Unionsrecht verdoppeln. Auch nationale Bestimmungen, die über den DSA hinausschießen, sind von der Verdrängung erfasst. Ein Beispiel im KoPl-G ist die Vorgabe, dass Onlineplattformen rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden bzw. in schwierigen Fällen nach eingehender Prüfung binnen sieben Tagen löschen müssen. Der DSA hingegen gibt nur vor, dass die Löschung "zeitnah" zu erfolgen hat.

Der DSA wird ab dem 17. Februar 2024 im gesamten Unionsgebiet unmittelbar anwendbar. Ab diesem Zeitpunkt wird de facto das KoPl-G von EU-Recht verdrängt werden. Im Interesse der Rechtssicherheit ist die Regierung nun jedenfalls gezwungen zu handeln. Um kein totes Pferd zu reiten, sollte sich der Gesetzgeber möglichst bald dazu durchringen, das KoPI-G als Ganzes aufzuheben. (Lukas Feiler, Silvia Grohmann, Ariane Müller, 21.11.2022)