Zuvor wurde die Lohnverhandlung in der vierten Runde unterbrochen.

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Wien – Nach den seitens der Arbeitgeber unterbrochenen Verhandlungen über den neuen Kollektivvertrag (KV) für Bahnbedienstete dreht die Gewerkschaft Vida an der Eskalationsspirale. Sie will am Montag, 28. November, einen 24-stündigen Warnstreik abhalten und hat dafür eine Streikfreigabe beantragt.

"Wir mussten mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeitgeber gestern nach einem nur kosmetisch geschönten Angebot die Bahn-KV-Verhandlungen ohne ersichtlichen Grund abgebrochen und die heutigen Verhandlungen verweigern", begründete der stellvertretende Vorsitzende des Fachbereichs Eisenbahn in der Vida und Chefverhandler in der KV-Runde, Gerhard Tauchner, die Vorgangsweise. Der Mangel an Wertschätzung für die Leistungen der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sei inakzeptabel. Laut Tauchner bleibt die Gewerkschaft aber verhandlungsbereit.

"Äpfel sind herunten"

Die Arbeitgeberseite kontert scharf: "Es wird kein besseres Angebot kommen", sagte Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber zum STANDARD. "Die Äpfel sind herunten. Will die Gewerkschaft nun den ganzen Baum umschneiden?" Streik sei das denkbar ungeeignetste Mittel um diesen Konflikt zu lösen, mahnt Scheiber zur Vernunft. Man lasse sich nicht erpressen. 24 Stunden lang kein Service für die Fahrgäste, das sei angesichts des bisherigen Verhandlungsangebots unverhältnismäßig und auch nicht zumutbar.

Wie berichtet, bieten die Bahnbetreiber 7,5 Prozent Erhöhung der Löhne und Gehälter, aber mindestens um 200 Euro.. Das ist mehr als die Metaller vor drei Wochen herausverhandelt haben. Bei den untersten Einkommensgruppen entspreche dies um bis zu 13 Prozent höhere Bezüge. Die Vida hingegen forderte 400 Euro, das wären bis zu 24 Prozent Erhöhung.

"Kommen nicht weiter"

Am Sonntag hatte die Arbeitgeberseite die Verhandlungen am Sonntag in der vierten Runde unterbrochen. "Wir kommen nicht mehr weiter und reden gegen eine Wand", erklärte Chefverhandler Thomas Scheiber. vom Fachverband der Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer. "Vor dem Hintergrund dieses Angebotes Streikszenarien in den Raum zu stellen, ist maßlos und unverantwortlich", kritisierte Scheiber, im Brotberuf Chef der Innsbrucker Verkehrsbetriebe. "Die Gewerkschaft hat den Boden der Realität komplett verlassen. Ein Plus von bis zu 24 Prozent würde die Unternehmen mehr als 400 Millionen Euro kosten und wäre insbesondere für die Güterbahnen unfinanzierbar. Das gefährde angesichts hoher Energiekosten die Arbeitsplätze.

Freiwillige Anhebung der Löhne

Der Fachverband empfiehlt seinen mehr als 65 Mitgliedsunternehmen, darunter ÖBB und Westbahn, die Löhne und Gehälter per 1. Dezember 2022 befristet auf zwölf Monate um 200 Euro pro Monat, mindestens aber um 7,5 Prozent zu erhöhen. "Wir stehen stark unter Druck", sagte ÖBB-Generaldirektor Andreas Matthä. Die Akonto-Erhöhung werde man als größter Arbeitgeber der Branche jedenfalls auszahlen. Matthä appellierte an die Vernunft – und indirekt an "seinen Betriebsrat", ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit. Er ist zugleich Vorsitzender der Vida, mischt im Hintergrund also kräftig mit.

Hier rächt sich, dass die Entgelte von Personen- und Güterverkehrsunternehmen in einem Aufwasch verhandelt werden. Denn im öffentlichen Schienenpersonennah- und Regionalverkehr bestellt der Staat die Leistung und übernimmt im Wege der gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge die Kostensteigerungen bei Personal und Energie. Im liberalisierten Güterverkehr müssen die gegenüber dem Straßengütertransport ohnehin ins Hintertreffen geratenen Güterbahnen die Kosten selber stemmen.

Die Vida bleibt bei ihrer Forderung nach mindestens 400 Euro mehr pro Monat. Einmalzahlungen abseits des KVs würden nicht infrage kommen – obwohl heuer krisenbedingt pro Person bis zu 3000 Euro steuerfrei als Prämie ausbezahlt werden können. Das begünstigt beide Sozialpartner. "Wir haben heuer ganz bewusst einen Fixbetrag gefordert, weil wir die unteren und mittleren Einkommen stützen müssen", erklärte die stellvertretende Vida-Chefin Olivia Janisch im Ö1-Radio. (ung, APA, red, 21.11.2022)