Kassym-Schomart Tokajew bleibt der Präsident Kasachstans.

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Astana/Moskau – Von solchen Wahlergebnissen können Politiker in Europa nur träumen. Mit 81,31 Prozent aller Stimmen ist Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew wiedergewählt worden. "Insgesamt verlief der Wahltag ruhig. Die Abstimmung wurde effizient organisiert, und die Verfahren wurden im Allgemeinen eingehalten", so die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Zu kritisieren waren allerdings Einschränkungen bei der Registrierung von Kandidaten und mangelnde Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen von Medien.

In der Ex-Sowjetrepublik versucht Präsident Tokajew einen heiklen Spagat zwischen dem Westen und Russland. Rhetorisch dient sich der Präsident derzeit vor allem dem Westen an. Als Kremlchef Wladimir Putin auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum seine Gebietsansprüche geltend machte, verkündete Tokajew, sein Land würde niemals die Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk anerkennen.

Auf der UN-Generalversammlung im September enthielt sich Kasachstan bei der Abstimmung zur Frage, ob der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auch per Videokonferenz das Rederecht erhalten könne. Andererseits sagte Tokajew in einer Rede vor Bürgern der Stadt Schymkent, Kasachstan werde alles unternehmen, um die guten Beziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten. Aber auch die Partnerschaft mit der EU stehe im Vordergrund, fügte er hinzu.

Noch an Russlands Seite

Trotz aller Liebäugelei mit dem Westen: Noch steht Kasachstan an der Seite Russlands. Zur Befriedung der Unruhen im Machtkampf zwischen Anhängern des früheren Präsidenten Nursultan Nasarbajew und ihm musste Tokajew Putin bitten, dass das von Russland dominierte Militärbündnis, die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), hilft. Die russischen Soldaten sorgten rasch für Ruhe – und zogen wieder ab.

Wirtschaftlich will Kasachstan von Russland, aber auch vom Westen profitieren. Das Land hat viele Rohstoffe: Öl, Gas und seltene Erden. 80 Prozent des in Kasachstan geförderten Rohöls aus dem gigantischen Tengis-Ölfeld werden über eine Pipeline in die südrussische Hafenstadt Noworossijsk gepumpt. Kasachstan selbst hat keinen Zugang zu den Weltmeeren.

In Zukunft soll Öl aus Kasachstan auch auf direktem Weg in den Westen fließen. Eine Pipeline durch das Kaspische Meer soll gebaut werden, kasachisches Öl könnte dann via Aserbaidschan unter Umgehung Russlands in Richtung Westen gelangen. Das Land verfügt auch über die zweitgrößten Uranreserven der Erde und liefert bereits heute 40 Prozent des weltweit benötigten Roh-Urans. Begehrt ist es im Westen, wo über die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken nachgedacht wird.

"Neues Kasachstan"

Bereits im Juni hat Tokajew nach einer Verfassungsänderung ein "neues Kasachstan" versprochen. Er hat einen harten Kurs gegen Korruption und Vetternwirtschaft angekündigt – und mehr Chancengleichheit. "Wir werden die Verfassungsreform klar und konsequent umsetzen. Wir bewegen uns hin zu einer neuen Form der politischen Struktur des Landes. In der Wirtschaft wird es drastische Veränderungen geben. Wir werden das Wohlergehen der Bürger fördern."

Kasachstans Wirtschaft profitiert von den Spannungen zwischen Russland und dem Westen. Das Land hat sich den Sanktionen des Westens nicht angeschlossen. Bereits jetzt ist Kasachstan ein wichtiges Transitland für Waren aus westlicher Produktion, die eigentlich sanktioniert sind oder deren Hersteller Russland boykottieren.

Zentralasien-Experte Juri Solosobow erwartet verstärkt Investitionen westlicher Firmen. "Dies wird es den Europäern ermöglichen, ihr Gesicht zu wahren, aber Geschäft ist Geschäft, und es ist profitabel und bequem, Geschäfte durch das neutrale Kasachstan zu machen", meint Solosobow gegenüber der Online-Zeitung Nowaja Gaseta.

Kasachstan wird also zum wichtigen Player in der Region werden. Europas Politiker geben sich in der Hauptstadt Astana die Klinke in die Hand. Bundespräsident Alexander Van der Bellen traf Tokajew im September im Rahmen der 77. UN-Vollversammlung in New York. Österreich pflege eine gute Beziehung zu Kasachstan, "vor allem im Wirtschaftsbereich", erklärte Van der Bellen dabei. (Jo Angerer, 21.11.2022)