Einst wurden ihm politische Ambitionen nachgesagt, jetzt ist er wieder da: Ex-Disney-Chef Bob Iger kehrt zum Medienkonzern zurück.

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Es war eine kurze Pause, die Bob Iger als Chef von Disney machte. Von 2005 bis 2020 hatte Iger den Konzern geleitet – und im November 2019 noch den Streamingdienst Disney+ eingeführt. Dann übernahm Bob Chapek das Ruder im Medienkonzern, und die Pandemie zwang die Menschen zum Homeoffice samt Home-Entertainment. Viele Kinopremieren konnten nicht mehr stattfinden, die Menschen waren gezwungen, daheim zu bleiben. "Für Streamingdienste hatte die Pandemie Idealbedingungen geschaffen", sagt Monika Rosen-Philipp, Börsenexpertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft (ÖAG).

Doch damit ist es jetzt vorbei. Die Pandemie läuft, aus und Präsenz-Events und Outdooraktivitäten kehren zurück. Das spüren die Anbieter von Home-Entertainment alle. Disney+ hat mit weltweit 235 Millionen Abos im dritten Quartal zwar Konkurrent Netflix (223 Mio. Kunden) überholt, doch der Dienst lohnt sich für Disney – noch – nicht. Oder anders ausgedrückt: Er verbrennt enorm viel Geld. Allein im vergangenen Quartal verursachte er Disney+ einen operativen Verlust von 1,47 Milliarden Dollar (1,42 Mrd. Euro).

Ein Grund dafür sind die hohen Kosten für aufwendig produzierte Filme und Serien, die bisher nicht von den Abo-Erlösen gedeckt werden. Disney ist hier – im Vergleich zur Streamingkonkurrenz – in einer brisanteren Lage, muss das Haus doch auch für das Kino Filme produzieren.

Weiter Weg

Chapek hatte in Aussicht gestellt, dass das Streaming bis September 2024 profitabel arbeiten soll. Doch der Weg dorthin wird nicht leicht. Für die Verluste bei Disney+ kamen zuletzt die nach der Pandemie-Auszeit boomenden Themenparks auf. Doch die Erträge blieben auch dort hinter den Annahmen zurück. Mit dem jüngsten Quartalsgewinn von 162 Millionen Dollar verfehlte Disney jedoch die Erwartungen der Analysten, die Aktie sackte ab. Seit Jahresbeginn hat Disney an der Börse 40 Prozent an Wert eingebüßt.

Chapek kündigte Sparmaßnahmen wie einen Einstellungsstopp und einen Stellenabbau an. Auch die Kosten für Disney+ sollen angehoben werden. Ab 8. Dezember sollen Kunden, die ohne Werbung schauen wollen, 10,99 Dollar pro Monat bezahlen. Kunden, die Werbung akzeptieren, sollen 7,99 Dollar bezahlen. Eine Strategie, die dem Konzern scheinbar selbst nicht schmeckt. Daher der Rückruf von Iger, der sich vorerst verpflichtet hat, den Konzern für zwei Jahre zu leiten.

Iger ist der Architekt des heutigen Disney-Konzerns. In seiner Ära kaufte Disney das Animationsstudio Pixar, die Firmen hinter der Star Wars-Reihe und den lukrativen Marvel-Filmen sowie das Hollywoodstudio 21st Century Fox.

Zu tun haben wird Iger jedenfalls genug: Disney geriet heuer ins Visier aggressiver Investoren, die sich bei Unternehmen einkaufen und dann Veränderungen fordern. So forderte Milliardär Dan Loeb zeitweise, den Sportsender ESPN abzustoßen. Erwartet wird auch, dass Iger die Abopreise für Dezember wieder ändern könnte.

Schwieriges Umfeld

Das Umfeld für Streamingdienste hat sich in den vergangenen Monaten verschärft. Neben Disney+ feilschen ja auch Amazon und Netflix um Kunden. "Der Streamingmarkt ist nicht unendlich expandierbar", sagt Rosen-Philipp. Es stelle sich vermehrt auch die Frage, wie viele Dienste sich ein Haushalt leisten könne. "Steigende Kosten für Energie und die hohe Inflation beschränken das verfügbare Einkommen der Konsumenten", fasst Rosen-Philipp zusammen.

Für die Anbieter heißt das, dass sie ihr Angebot verlockender gestalten müssen. Netflix etwa will künftig Live-Content bringen. US-Komiker Chris Rock soll als erster Künstler live bei Netflix auftreten. Auch Liveübertragungen von Konzerten oder Sportveranstaltungen seien in Planung, hieß es zuletzt. Konkurrenz kommt auch von TV-Stationen. So will RTL in Deutschland und den Niederlanden mit eigenem Streamingangebot Kunden gewinnen.

Der Kostendruck ist enorm, die Tech-Branche ohnehin gerade unter Druck. Auch bei Amazon sollen tausende Jobs abgebaut werden. Nach einer Ausgabenoffensive in der Pandemie steht der Konzern jetzt unter Druck, die Kosten zu senken.

Überrascht hat der Wechsel zu Iger auf allen Ebenen. Brancheninsider waren verwundert, hatte Iger Chapek damals doch selbst ausgesucht. Die Mitarbeiter wurden via E-Mail über die Rückkehr benachrichtigt. Viele hielten das für eine gefälschte E-Mail. Börsianer jubeln, die Aktie lag vorbörslich im Plus. (Bettina Pfluger, 22.11.2022)