US-Außenminister Antony Blinken bei der Ankunft in Katar. Dort erwartete ihn neben der fünften Runde von offiziellen strategischen Gesprächen auch das erste WM-Fußballspiel der US-Nationalmannschaft.

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Die USA streuten dem WM-Gastland vor dem Besuch von Außenminister Antony Blinken – der sich am Montag das Spiel der US-Nationalmannschaft gegen Wales anschaut – strategisch Rosen: "Katar ist ein beständiger und wichtiger Partner der USA, und die US-katarischen Beziehungen vertiefen sich", hieß es in einem Briefing des US-Außenministeriums. In der Tat, im März ist Katar zum MNNA ("major non-Nato ally") der USA aufgestiegen, "längst überfällig" sei das gewesen, hieß es im Briefing.

Das ist ein Status, den die alten Verbündeten und braven Waffenkäufer Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nicht haben. Die Antwort auf die Frage "Warum Katar?" ist indes nicht schwer zu beantworten: In El Udaid im Inneren der Halbinsel haben die USA die größte Luftwaffenbasis in der Region, dort befindet sich unter anderem das Hauptquartier des US Central Command.

2017, als Saudi-Arabien, die VAE, Bahrain und Ägypten (das sogenannte Quartett) Katar mit einem Totalboykott in die Knie zwingen wollten, machten die USA – damals sogar unter dem Saudi-Freund Donald Trump – schnell klar, dass sie sich Katar nicht abschießen lassen würden. Ein jährlicher "Strategischer Dialog" wurde eingeführt, dessen fünfte Runde während des jetzigen Blinken-Besuchs angesetzt ist.

Wer weiß, wie die Krise mit dem Quartett ausgegangen wäre, wenn nicht die USA ihre schützende Hand über Katar gehalten hätten. Der Forderungskatalog, den die vier Doha überreichten, umfasste mehrere Punkte, vor allem ein Ende der katarischen Kontakte zur Muslimbrüderschaft: Katar hatte – wie die Türkei – im Gegensatz zu den anderen Golfstaaten die Bewegung unterstützt, die von den Quartettstaaten als Terrororganisation eingestuft wird. Inzwischen ist sie unwichtig, und in Katar sah man am Samstag die Präsidenten der Türkei und Ägyptens, Tayyip Erdoğan und Abdelfattah al-Sisi, Hände schütteln.

Pragmatische Beziehungen zum Iran

Aber auch die Distanzierung vom Iran wurde gefordert, mit dem Katar im Golf das weltweit größte Gasfeld teilt, sowie eine Schließung des TV-Senders Al Jazeera. Den gibt es zwar immer noch, aber er ist zurückhaltend, was Kritik an den nachbarlichen Herrscherhäusern betrifft, zuvor ein ständiges Ärgernis. Aber bei einem Gipfel in Saudi-Arabien wurde zu Jahresbeginn 2021 der Streit offiziell beigelegt – ohne dass Katar den Wunschkatalog des Quartetts abgearbeitet hätte.

Was das katarische Verhältnis zum Iran betrifft, erwies sich die Politik der vier eindeutig kontraproduktiv: Das boykottierte Doha, auf die Benutzung des iranischen Luftraums und auf Importe über den iranischen Hafen Bushehr angewiesen, rückte Teheran eher noch näher. Zuletzt versuchte sich Katar als Vermittler zwischen den USA und Iran bei den – inzwischen wohl unrettbaren – Atomgesprächen.

Es gehört zur Politik Katars, sich als Genf am Persischen Golf etablieren zu wollen, eine Rolle, die traditionell dem Oman und teilweise auch Kuwait vorbehalten war. Die USA gingen darauf ein: Ab Oktober 2018 fanden in Doha die Friedensverhandlungen zwischen den afghanischen Taliban und den USA statt.

Schleuse für Evakuierung aus Afghanistan

Und nach dem unrühmlichen, chaotischen Abzug der US-Truppen aus Kabul im August 2021 wurde Katar zur Schleuse für Afghanen und Afghaninnen, die die USA nach der neuerlichen Machtübernahme der Taliban herausholten.

Die strategische Bedeutung, die die USA Doha zusprechen, ist Balsam auf die Wunden der von Imageproblemen vor der WM gebeutelten katarischen Führung. Die USA betonen zwar, dass sie im Dialog mit Katar die Menschenrechte ansprechen: LGBTQI, Frauen, Fremdarbeiter, alle vor Beginn der WM hochgekochten Skandalthemen. Es ist aber offensichtlich, dass Washington in Katar andere Prioritäten hat.

MbS groß im Bild

Den Gästen aus der Region sind diese Themen völlig egal, wenn nicht zuwider. Bei der Eröffnung der Spiele war auch der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman groß im Bild. Der Präsident der VAE und Emir von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed, blieb jedoch zu Hause, es kam nur sein Vize, der Emir von Dubai. Dass das emiratisch-katarische Verhältnis auch nach der Versöhnung 2021 nicht vollends repariert ist, ist ein offenes Geheimnis. Und mit Bahrains Herrscherfamilie Khalifa hat die katarische, die Al Thani, auch historisch einige Hühner zu rupfen und umgekehrt.

Alle haben sie gemeinsam, dass sie sich durch Sport- und hochrangige Politikveranstaltungen auf ihrem Boden profilieren wollen. In Abu Dhabi war soeben die Formel 1 zu Gast, in Bahrain der "Manama Dialogue" – Katar beherbergt jährlich das "Doha Forum".

Die USA wurden jedoch kürzlich schmerzlich daran erinnert, dass sie auch Saudi-Arabien nicht links liegen lassen sollten: als die Saudis in der Opec+ den russischen Vorstellungen einer Drosselung der Ölförderung folgten. Am Freitag bekam Saudi-Arabien seinerseits einen Wunsch von den USA erfüllt: Washington erkennt die rechtliche Immunität von Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) an, der sich zu diesem Zwecke zum saudischen Premierminister – ein Job, den eigentlich der König innehat – ernennen ließ. Damit sind in den USA angestrengte Prozesse in der Causa Jamal Khashoggi hinfällig, für dessen Ermordung 2018 laut CIA MbS verantwortlich sein soll. (ANALYSE: Gudrun Harrer, 21.11.2022)