Es brennt auch in Woche zwei weiter an Österreichs Hochschulen. Seit vergangenem Mittwoch ist der Hörsaal C1 im Alten AKH der Uni Wien besetzt. Es folgten Uni-Räume in Innsbruck und Salzburg. Am Montag wurde die Akademie der bildenden Künste in Wien zum Schauplatz der Klimaschützerinnen und Umweltaktivisten. Dort besetzten am Nachmittag rund 20 Personen die Aula.

Amina Guggenbichler ist eine der Sprecherinnen der Unibesetzung. Sie fordert unter anderem mehr Geld für die Unis.
Foto: Robert Newald

Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt Amina Guggenbichler, warum derzeit Hörsäle okkupiert werden. Die Studentin der Sozialen Arbeit ist eine der Sprecherinnen von Erde brennt, ihre Anliegen sind breitgefächert und gehen über den Klimaschutz hinaus: Sie reichen vom Ausstieg aus fossiler Energie über mehr Geld für die Unis bis hin zu einem klimagerechten Lehrplan.

STANDARD: Die Unis beklagen, dass ihnen das Geld fehlt, die TU Wien plant daher eine Schließung der Uni ab Mitte Dezember, um Geld zu sparen. Ist das der richtige Zeitpunkt für eine Besetzung?

Guggenbichler: Es ist ganz sicher der richtige Moment. Wann sollen wir sonst protestieren? Dann, wenn die Energiekrise wieder vergessen worden ist, wenn die Medien wieder aufgehört haben, darüber zu berichten? Dass die Unis viel zu wenig Budget haben, ist gerade jetzt Thema, wann sollen wir laut werden, wenn nicht jetzt? Für mich gibt es keine andere Alternative.

STANDARD: Der Forderungskatalog der Besetzenden ist lang. Was muss erfüllt werden, damit Sie den Hörsal wieder räumen?

Guggenbichler: Wir wollen, dass sich im Curriculum etwas ändert. Und: Solange die Unis mit ihrem Budget nicht einmal den Status quo decken können, ist nicht der Zeitpunkt gekommen, um wegzugehen, sondern lauter zu werden und weiterzuprotestieren. Anders wurden wir bisher nicht gehört. Wir sind wahnsinnig viele, wir sind laut, und wir werden sicherlich mutiger, weil sonst wären die Hörsäle hier nicht so voll besetzt. Wir bleiben, bis etwas passiert.

Tag eins der Besetzung des Hörsaals C1.
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Laut den Rektoraten fehlen den Unis rund 1,2 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahren. Das Dreijahresbudget wurde bereits Ende 2021 mit dem Bildungsministerium ausverhandelt – vor dem Krieg in der Ukraine und der daraus resultierten Teuerung. Zusätzliche 400 Millionen Euro sagte Minister Martin Polaschek für das Jahr 2023 bereits zu, damit sollen die Unis die steigenden Personal- und Energiekosten bewältigen können. Das reicht den Besetzenden jedoch nicht. Guggenbichler fordert auch mehr Geld für die Forschung – um Klimabildung im Lehrplan zu verankern.

STANDARD: Wie kann ein klimagerechter Lehrplan aussehen?

Guggenbichler: Die Klimakrise ist akut, und wir wissen, dass wir nur noch wenig Zeit haben, um eine Kehrtwende zu schaffen. Eine gescheite Klimabildung kann die Menschen darüber aufklären und aufzeigen, was man jetzt tun kann. Dass es Interesse an dem Thema gibt, zeigt die Besetzung: Wir bieten ein alternatives Bildungsprogramm an mit Vorträgen und Diskussionen. Da ist der Hörsaal bis an die Decke gefüllt.

STANDARD: Nicht nur die Klimakrise ist Fokus eures Protests, auch jene der Bildung und im Sozialbereich. Wie lassen sich all diese Themen in einer Besetzung vereinbaren?

Guggenbichler: Klimagerechtigkeit kann nur erreicht werden, wenn die soziale Ungleichheit auch gelöst worden ist. Solange noch immer die reichsten paar Prozent die meisten Profite machen, auch in Zeiten der Energiekrise, bleiben andere auf der Strecke. Zum Beispiel: Wir fordern Gratis-Öffis nicht nur, damit mehr Menschen diese nutzen, sondern auch, weil sich nicht alle Menschen ein Auto leisten können. Das Gleiche gilt für regionale, nachhaltige Lebensmittel: Wir wollen eine Verbilligung, damit diese für alle zugänglich sind. Wer kann sich Veganismus leisten?

STANDARD: Viele der Forderungen richten sich nicht an die Unis, nicht einmal an den Bildungsminister, etwa der Ausstieg aus fossilen Energien. Warum also einen Hörsaal besetzen?

Guggenbichler: Die Uni ist unser Handlungsfeld und unser Lebensraum. Wir sind nicht mehr in der Schule oder im Kindergarten, und wir arbeiten auch nicht primär. Wir sind Tag für Tag in der Uni und in diesen Strukturen gefangen. Fridays for Future geht alle paar Monate auf die Straße, aber was ist passiert? Viel zu wenig.

Im besetzten Hörsaal C1 ist es Montagfrüh ruhig. Sprecherin Amina Guggenbichler ist vor Ort und will auch nicht gehen.
Foto: Robert Newald

Am Montagmorgen sind nur wenige Studierende im besetzten Hörsaal C1 zu finden – "Plenum", sagt Guggenbichler. Dort findet die Planung für die kommenden Tage der Besetzung statt. Aktuell wird der Klimaaktivismus der verschiedenen Gruppierungen heißdiskutiert. Nicht zuletzt wegen Klebeaktionen, die den Verkehr stören, oder durch die Schüttaktionen in den Museen der Letzten Generation.

STANDARD: Gibt es für Sie auch Grenzen des Aktivismus?

Guggenbichler: Aktivismus ist notwendig, bis etwas passiert. Solange niemand geschädigt wird bei dem Protest oder Menschen massiv eingeschränkt werden, ist das auch vollkommen in Ordnung. Dazu gehört auch die Störung des Betriebs. Ich habe mich nicht an der Straße angeklebt, das ist nicht mein Zugang. Ich will andere Protesterfahrungen sammeln.

ZUR PERSON

Amina Guggenbichler (21) ist Sprecherin von Erde brennt. Die Studentin – sie studiert Soziale Arbeit – sammelte bereits als Schülerin Erfahrungen bei Fridays for Future und später in der Bewegung Lobau bleibt. (Oona Kroisleitner, Alara Yilmaz, 22.11.2022)

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DER STANDARD