Dem Lkw kommt der Güterzug kaum mehr nach, mit steigenden Kosten schwindet die Wettbewerbsfähigkeit.

Foto: HO / ÖBB-RCA / David Payr

Wien – Energie- und Personalkostensteigerungen kommen bei den Schienenbahnen an. Die ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria (RCA) kündigte am Montag Preiserhöhungen an: Um 20 Prozent mehr müssen RCA-Kunden in Österreich für Frachttransporte bei Österreichs Marktführer künftig zahlen, kündigten ÖBB-Holding-Chef Andreas Matthä und RCA-Vorstandssprecher Clemens Först am Montag an.

Man sehe sich gezwungen, diese Kostensteigerungen im Markt weiterzugeben. Die Branche sei margenschwach und hochgradig energieintensiv. Man gehe dabei "transparent und fair" vor, betonte Först. Den Kunden werde der Tarif exklusive Energie dargelegt, die Kostenfaktoren offengelegt. In der europaweit tätigen Rail-Cargo-Gruppe werde der Mehraufwand für Traktionsenergie 2023 knapp 100 Millionen Euro ausmachen, davon 60 Millionen in Österreich. Wie viel davon über staatliche Energiehilfen für Bahnen abgegolten wird, war am Montag nicht in Erfahrung zu bringen.

Die Kostenbrocken

Die Aussichten sind düster, die Kostenbrocken erheblich: Den Durchschnittspreis für Traktionsenergie gab der Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur in einer Kundeninformation für 2022 mit 63,78 Euro pro Megawattstunde an, den unverbindlichen durchschnittlichen Richtpreis für Neukunden im Jahr 2023 mit 187,68 Euro – das wäre eine Steigerung um 187 Prozent. In der Bahnbranche ist davon die Rede, dass die Energiekosten von unter zehn Prozent des Umsatzes auf bis zu zwanzig Prozent des Umsatzes steigen. Ein Novum im Schienenverkehr.

Gehütet wie ein Staatsgeheimnis wird in der RCA übrigens auch die Vorschau für das laufende Geschäftsjahr. Die mit Eigenkapital seit Jahren an der Untergrenze herumkurvende ÖBB-Güterbahn werde auch heuer ausgeglichen bilanzieren, betonten Först und Matthä in der gemeinsamen Pressekonferenz. Die Rahmenbedingungen seien aber herausfordernd. Man wolle die Marktposition der RCA als eine der Speerspitzen in Europa bei Umsatz und Transportleistung jedenfalls absichern.

Personalkosten

Der zweite große Kostenbrocken ist Personal, und hier könnte die von ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit geleitete Eisenbahn- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida den Bogen überspannen. Die Arbeitgeber haben die Kollektivvertragsverhandlungen am Sonntag unterbrochen, weil sie mit den Forderungen der Gewerkschaft "nicht mehr mitkönnen", wie Chefverhandler Thomas Scheiber sagt. "Es ist sinnlos." Die Gewerkschaft droht nun mit Arbeitskampf, sie will am 28. November einen 24-stündigen Warnstreik abhalten.

Ins Geld gehen auch die Getreidetransporte aus der Ukraine, die sich bis dato auf eine Million Tonnen belaufen. Da der Gütertransport aus der Ukraine völlig zusammengebrochen ist, verursachen die Getreidetransporte Kosten, weil jede Menge Leerfahrten anfallen.

Investitionen

Neugeschäft ist für Güterbahnen übrigens im Anrollen: Laut Abfallwirtschaftsgesetz muss ab 2023 alles ab zehn Tonnen mit der Bahn transportiert werden. Das dürfte die aktuell acht Millionen Tonnen bei der RCA mittelfristig verdoppeln, hofft RCA-Chef Först. Dafür wird um 75 Millionen Euro Wagenmaterial angeschafft, darunter 400 Container-Tragewagen, sogenannte Mobiler. Mittelfristig erwarte man einen Anstieg der Abfalltransporte (rund acht Millionen Tonnen), die eine Verdoppelung der Flotte auf 1200 Mobiler notwendig mache.

Matthä forderte einmal mehr Kostenwahrheit bei Lkw-Transporten und eine dauerhafte Senkung der Trassenpreise, also der Schienenmaut, und eine Strompreisobergrenze für Bahnstrom. Beides könnte Thema sein beim EU-Energieministertreffen am Freitag.

Zollfreikorridor

Große Hoffnungen setzt man auch in den Zollfreikorridor zwischen dem Hafen Triest und dem Bahnhof Villach, von dem aus die aus China angekarrten Waren und Güter in die EU verteilt werden. "Villach liegt damit am Mehr", scherzte Matthä. Am 1. Dezember werde der Vertrag mit dem Hafen Triest unterzeichnet. Ausgebaut werden soll auch der Mittelkorridor der sogenannten "Neuen Seidenstraße" von China über Aserbaidschan in die Türkei, ihn will man von Schanghai aus bedienen, wo die ÖBB eine Vertriebsniederlassung gründet.

Außerdem wird auch eine Niederlassung in Serbien gegründet, um Rumänien zu umfahren. Die neue Route sei auch deshalb wichtig, weil damit ein neuer Korridor in die Türkei bedient werden soll, der nicht durch Rumänien geht. (Luise Ungerboeck, 22.11.2022)