Zuletzt trug DFB-Goalie Manuel Neuer im Testspiel gegen den Oman die One-Love-Kapitänsschleife. In Katar legt er sie ab.

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Nicht jeder Sportler ist ein Muhammad Ali. Dem US-Boxer wurde einst die Lizenz entzogen, weil er den Wehrdienst verweigerte. Und das am Höhepunkt seines Schaffens. Ali ließ sich nicht in die Knie zwingen. Nicht von seinen Gegnern, nicht von der Politik. Für seine Überzeugungen hat er Freiheit und Karriere riskiert.

Die nationalen Fußballverbände knicken bereits bei der Androhung einer gelben Karte ein. Die Kapitäne von sieben europäischen Mannschaften legen bei der WM in Katar die "One Love"-Schleife ab, um sich eine Verwarnung durch den Weltfußballverband Fifa zu ersparen. Das ist keine Schande, aber Helden sehen anders aus. Und dennoch bleibt vor allem verstörend, wie die Obrigkeit mit den Stars der Zunft umgeht.

In der Welt von Fifa-Präsident Gianni Infantino ist das Vorgehen gegen die Schleife sinnvoll und konsequent. "One Love" richtet sich gegen Diskriminierung. Die Binde ist als Zeichen gegen Homophobie, Antisemitismus und Rassismus zu verstehen. Sie steht für Frauenrechte, für Menschenrechte – Rechte, die in Katar nicht gerade hohe Priorität genießen.

Nun, Infantino hat in einer Art Poetry Slam zwar gemeint, er fühle sich homosexuell. Aber das ist natürlich Unsinn. Wenn sich die Fifa ernsthaft für die Rechte von Homosexuellen interessieren würde, hätte sie die WM nicht an das Emirat vergeben. "One Love" ist ein politischer Affront gegen den Gastgeber – und den darf, den kann die Fifa als Kooperationspartner nicht zulassen.

Ja, das hat die Fifa geschickt eingefädelt. Nur eine klitzekleine Drohung, und schon fielen die Verbände um wie Dominosteine. Im Kampf um den Pokal kann jedes Detail entscheiden, auch eine gelbe Karte. Das weiß die Fifa, das wissen die Verbände, das wissen die Spieler. Menschenrechte okay, aber die Ziele dürfen nicht gefährdet sein.

Nun richtet sich die Wut in den sozialen Medien plötzlich gegen Kapitäne wie Manuel Neuer. Maulhelden seien sie, Feiglinge. Und überhaupt: Ein Zeichen, das man nur dann setzt, wenn man keine Konsequenzen zu befürchten habe, sei kein Zeichen. Die Spieler wurden der Menge zum Fraß vorgeworfen. Die Fifa hat die Spieler zum Spielball gemacht. (Philip Bauer, 21.11.2022)