Chats zwischen dem ehemaligen Öbag-Chef Thomas Schmid (Foto) und dem ehemaligen "Presse"-Herausgeber Rainer Nowak brachten unangebrachte Naheverhältnisse zwischen Politik und Journalismus zutage.

Foto: Georges Schneider / picturedesk.

Nach dem Motto "Jede Krise ist eine Chance" diskutierten Montagabend Vorstandsmitglieder des Presseclubs Concordia darüber, welche Schlüsse aus den Verwerfungen der jüngsten Chat-Affären zu ziehen seien. Zusammengefasst geht es in Richtung Enthaberung, Fehlerkultur, Transparenz und Selbstreflexion.

"Versuchen wir einen Neustart, versuchen wir mehr Distanz zwischen Politik und Journalismus zu gewinnen", sagte Andreas Koller, Präsident der Concordia und stellvertretender Chefredakteur der "Salzburger Nachrichten". Gleichzeitig sieht Koller "die Politik gefordert. Die politischen Rahmenbedingungen sind nicht ideal. Es ist zunehmend schwer geworden, auf Augenhöhe mit Politikern zu kommunizieren. In den politischen Institutionen sitzen mittlerweile Pressesprecher, Berater, Agenturen, die nichts anderes tun als Journalisten zu beeinflussen. Gegen diese Armada anzukämpfen ist gar nicht so einfach." Er sprach sich weiters für die Entpolitisierung des ORF-Stiftungsrats sowie für strengere Qualitätskriterien bei der Journalismusförderung aus.

Hohes Maß an Glaubwürdigkeit

"Das Um und Auf im ORF ist, dass wir ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit haben. Wenn die weg ist, können wir zusperren", sagte Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats. Das Bekanntwerden der Chats zwischen ORF-TV-News-Chefredakteur Matthias Schrom und dem ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache habe "bei uns in der Redaktion Verwunderung, Erstaunen, Enttäuschung" ausgelöst. "Den Chefredakteur, der durchregieren kann, gibt es nicht", sagte Bornemann.

"Es steht niemandem zu, journalistisch in der APA aufzuräumen", sagte Katharina Schell, stellvertretende Chefredakteurin der Austria Presse Agentur, im Hinblick auf durch die Chats bekannt gewordene Forderungen des Unternehmers und Kurz-Förderers Alexander Schütz. "Die APA ist das unabhängigste Medium in Österreich. Wir haben einen Grundauftrag, dieser ist im Statut verankert, dort ist festgehalten, dass wir unseren Grundauftrag Information ausgewogen auszuüben haben", sagte Schell.

Wechselspiel zwischen Politik und Medien

"Wir gestehen uns manchmal zu wenig ein, dass wir in einem Kommunikationsmarkt leben und arbeiten", sagte Schell. "In den vergangenen Jahrzehnten haben wir bemerkt, dass im Wechselspiel zwischen Politik und Medien der Markt überhandgenommen hat."

Für mehr Fehlerkultur trat die stellvertretende STANDARD-Chefredakteurin Petra Stuiber ein. DER STANDARD werde dem mit einem vor kurzem gestarteten Transparenzblog und einer Fehlerkolumne gerecht. "Wir müssen zugeben und erklären können, wenn etwas nicht so gut gelaufen ist." Stuiber sprach sich weiters für eine klare Trennung medialer Aufgabenbereiche aus: "Es ist nicht gut, wenn Chefredaktion und Herausgeberschaft in einer Hand sind. Das kann zu inneren Interessenkonflikten führen." Sie fordert eine "gute, unabhängige Ausbildung für Journalistinnen und Journalisten". Den von der Regierung entworfenen Plan, wonach die Aus- und Weiterbildung künftig dem Bundeskanzleramt weisungsgebunden sei, hält sie für "fatal".

Journalismus muss offener werden

Geschäftliche Abhängigkeit schaffe inhaltliche Abhängigkeit, sagte Florian Skrabal, Chefredakteur von "Dossier". Journalismus müsse "offener werden und Interventionen thematisieren", sagte Skrabal und fordert mehr Transparenz im Journalismus, "damit das höchste Gut Glaubwürdigkeit nicht flöten geht".

"Das ist nicht die letzte Diskussion", kündigte Eva Linsinger ("Profil") weiteren Gesprächsbedarf an. Kritik geäußert wurde an dem Abend explizit an den Plänen der Regierung, die "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung einzustellen. Warum sie gegen den Erhalt der "Wiener Zeitung" sei, wurde die anwesende Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, gefragt. Diese antwortete: "Da kann man am 5. Dezember zur Diskussion kommen." To be continued. (prie, 22.11.2022)