Die Geräte aus der Amazon-Echo-Reihe sind weitverbreitet, Geld macht der Hersteller damit aber nicht – ganz im Gegenteil.

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Das Konzept ist in der Tech-Branche nicht ungewöhnlich: Zuerst einmal eine Technologie entwickeln und später dann Gedanken über die Monetarisierung machen. So war es bei Google, so war es bei Facebook und auch bei vielen anderen, die sich später zu Branchengrößen entwickeln sollten. Das Problem dabei: Was, wenn sich eben kein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt? Eine Frage, mit der man sich bei Amazon gerade akut konfrontiert sieht – und die dazu führt, dass eine der bekanntesten Sparten der Firma vor einer ungewissen Zukunft steht.

Reinfall

Die Alexa-Entwicklung ist ein "kolossaler Reinfall". Mit diesen drastischen Worten beschreibt ein ehemaliger Mitarbeiter des Unternehmens gegenüber Business Insider die aktuelle Situation. Eine Beschreibung, die nicht ganz von der Hand zu weisen ist, wenn die Zahlen stimmen, die parallel dazu durchgesickert sind. Demnach soll jene Abteilung, zu der Alexa zählt, allein im ersten Quartal 2022 einen Verlust von drei Milliarden US-Dollar verursacht haben – und damit doppelt so viel wie irgendeine andere Abteilung bei Amazon.

Alexa ist organisatorisch in der "Worldwide Digital"-Sparte untergebracht, zu der auch Prime Video zählt. Trotzdem soll ein Großteil der Verluste auf die Hardwaresparte entfallen. Diese soll im laufenden Jahr ein Minus in der Größenordnung von rund zehn Milliarden Dollar verursachen, heißt es in Berufung auf interne Dokumente des Unternehmens.

Notbremse

Angesichts der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen scheint Amazon nun die Notbremse zu ziehen. Hatte es vor wenigen Tage noch geheißen, dass die Alexa-Abteilung "auch" von den aktuellen Massenentlassungen bei Amazon betroffen ist, ist nun die Rede davon, dass sie sogar das "Hauptziel" der Entlassungen sei. Der Online-Händler hatte in der Vorwoche seine bisher größte Entlassungswelle angekündigt, mehr als 10.000 Personen sollen davon betroffen sein.

Das wirft natürlich die Frage zur weiteren Zukunft von Alexa und der darauf basierenden Echo-Reihe auf. Zumal ein Stellenabbau nichts am strukturellen Problem ändert, nämlich dass man bisher schlicht kein funktionsfähiges Geschäftsmodell rund um die digitale Assistentin gefunden hat.

Fehlendes Geschäftsmodell

Bisher schien das Konzept recht einfach: Echo-Hardware wird so günstig wie möglich unter die Leute gebracht, um eine möglichst große Verbreitung von Alexa zu erreichen. Das mit der Hoffnung, dann rund um Alexa neue Einnahmequellen zu finden – etwa über Shopping via Sprachbefehl.

Das Problem dabei: Genau das scheint nicht aufzugehen. Die allermeisten Nutzer wollen Shopping lieber über Smartphone oder Computer absolvieren, wo sie alles unter Kontrolle haben, anstatt rasch mal dem Echo-Lautsprecher etwas zuzurufen. Gleichzeitig ist es bei den Preisen, über die der größte Teil der Echos abgesetzt werden, praktisch unmöglich, dass Amazon damit direkt Geld macht. Im aktuellen Bericht ist denn auch die Rede davon, dass diese ohne Gewinnspanne verkauft werden.

Verbreitung ist nicht alles

Zwar haben die Echos – auch aufgrund des geringen Preises – mittlerweile starke Verbreitung gefunden, davon hat der Hersteller aber wenig. Bei den vielen Milliarden Interaktionen, die darüber jede Woche mittlerweile abgewickelt werden, handelt es sich nämlich fast ausschließlich um triviale Kommandos wie das Abspielen von Musik oder die Abfrage des Wetters – und beides ist praktisch nicht monetarisierbar, ohne die Nutzer zu verjagen.

Zwar pusht Amazon aktuell immer stärker sein Music-Unlimited-Abo, damit riskiert man aber, dass diese einfach zu beliebteren Konkurrenten wie Apple Music oder Spotify greifen – oder eben vom Echo genervt sind. Dem steht entgegen, dass die Serverkosten für den Betrieb von Alexa und vor allem die Verarbeitung all der Sprachbefehle nicht zu unterschätzen sind.

Rettungsversuche

Hinter den Kulissen dürften die Amazon-Oberen schon länger nicht mehr mit Alexa zufrieden sein. So spricht der Bericht von einem Krisentreffen im Jahr 2019, bei dem versucht wurde, neue Wege zur Monetarisierung zu finden. Das aber offenbar ohne Erfolg. Wie düster die Situation sein soll, verdeutlicht ein Beispiel. Demnach gab es eine Idee, Partner für Transaktionen zahlen zu lassen, also etwa wenn jemand über Alexa eine Pizza bestellt. Das wurde aber dermaßen wenig genutzt, dass das zugehörige Team schon bald danach gar keine Umsatzziele mehr definierte.

Dass es nicht mehr ewig so weitergeht, zeichnete sich bereits kurz nach dem erwähnten Treffen ab. Ende 2019 wurde die Größe des Alexa-Teams eingefroren, durfte also nicht mehr erweitert werden. Selbst Amazon-Chef Jeff Bezos, der sich lange für die Abteilung starkgemacht hatte, soll irgendwann 2020 zunehmend das Interesse an Alexa verloren haben. Bei dessen Nachfolger als Amazon-Chef, Andy Jassy, sei ein solches ohnehin nie da gewesen. Dieses Desinteresse soll auch zu Entwicklungen wie dem Astro-Roboter, eine Art Alexa auf Rädern und mit Überwachungskameras, geführt haben, der selbst bei Amazon intern äußerst umstritten sein soll.

Schwierige Konkurrenz

Als wäre das noch nicht genug an schlechten Nachrichten, hat der Artikel noch eine weitere parat. Denn selbst die aggressive Strategie zur Verbreitung scheint nur begrenzt aufgegangen zu sein. Demnach ist Alexa in den USA – und damit dem wichtigsten Markt für Amazon – unter den digitalen Assistenten nur mehr die Nummer drei – hinter Google Assistant und Apples Siri. Und selbst Google musste unlängst bekennen, dass die Monetarisierung des eigenen Assistant nicht so läuft, wie man sich das vorgestellt hat – und hat entsprechend Ressourcen aus dessen Entwicklung in andere Bereiche verschoben.

Andere haben es einfacher

Dass die Situation für Amazon und Alexa besonders prekär ist, hat dabei strukturelle Gründe. So können Apple und Google die Entwicklung ihrer eigenen Assistenten noch mit anderen Einsatzszenarien rechtfertigen. Gerade die Spracheingabe und -ausgabe spielt auch für die Smartphone-Systeme der beiden Firmen eine wichtige Rolle. Eine solche Zweitverwertung gibt es rund um Alexa nicht.

Zur Frage, wie es langfristig weitergehen soll, äußert sich Amazon derzeit nicht im Detail. Gegenüber Business Insider versichert der für diese Abteilungen zuständige Manager David Limp zwar, dass man "bei Echo und Alexa so engagiert wie eh und je" sei und weiter investieren wolle. Das klingt angesichts der aktuellen Entlassungswelle und den beschriebenen strukturellen Problemen aber fast schon wie eine Durchhalteparole. (Andreas Proschofsky, 22.11.2022)