Die Personalsituation in den Wiener Spitälern ist in den vergangenen Wochen oft ein Thema – und wird es auch bleiben, da die Ärztekammer das Thema in sogenannten Aktionswochen intensiv betreut.

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Wien – Ein massiver Mangel an Fachärztinnen der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie auf einer Neonatologie, ein eklatanter Pflegemangel an der Urologie und ein eingeschränkter Betrieb auf der Kardiologie. In den vergangenen Wochen kamen aus Wiener Spitälern immer wieder Meldungen, denen zufolge es zu Problemen bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten kam. Waren es Einzelfälle? Oder werfen sie ein Licht auf ein breiteres Phänomen in den Krankenhäusern?

Die Ergebnisse einer Befragung legen Letzteres nahe: Demnach sieht die überwiegende Mehrheit der Wiener Spitalsärzte und Spitalsärztinnen massive Qualitätsverluste und Engpässe in der Patientenversorgung. Die repräsentative Befragung hatte die Wiener Ärztekammer bei Public Opinion Strategies von Peter Hajek in Auftrag gegeben. Von 21. September bis 4. Oktober wurden online 1.894 angestellte Ärzte und Ärztinnen in Wien befragt. Die Schwankungsbreite liegt bei plus/minus 2,3 Prozent.

84 Prozent stimmten der Aussage zu, dass "die aktuellen Rahmenbedingungen im Spital zu einem anhaltenden und nachhaltigen Qualitätsverlust" bei der Patientenbetreuung führten – 64 Prozent stimmten dem "sehr" zu, weitere 20 Prozent "eher". Nur zwei Prozent stimmten dem gar nicht zu.

78 Prozent bejahten weiters, dass es zu großen Engpässen bei der Patientenversorgung komme. Dass die Qualität der Ausbildung leide, finden 82 Prozent.

Die Stadtpolitik tue aber "nichts gegen die Probleme in Wiener Spitälern", meinen 72 Prozent der Befragten. Gut zwei Drittel sind zudem der Meinung, dass Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) die Gefährdungsanzeigen – also Meldungen, mit denen Vorgesetzte über organisatorische Mängel informiert werden – "nicht ernst genug" nehme.

Stadtrat Hacker teilte zu all dem auf Nachfrage mit, dass man wisse, dass "die Ärztekammer seit Wochen eine millionenschwere Kampagne gegen die Wiener Spitäler" fahre. Seine Tür stehe für Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart offen. "Das wird auch genützt, aber nicht unbedingt im Lichte der Öffentlichkeit", fügte Hacker hinzu.

"Erschreckend" aus ÖVP-Sicht

Wiener ÖVP und FPÖ sahen sich in ihrer oftmaligen Kritik an Hacker und dem Wigev bestätigt. VP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec bezeichnete die veröffentlichten Befragungsergebnisse als "erschreckend". Die FPÖ forderte – einmal mehr – die Ablöse der Spitze des Krankenhausträgers der Stadt, des Wiener Gesundheitsverbundes (Wigev).

Die Kammer hat angekündigt, in den kommenden zwei Wochen "Aktionswochen" zu veranstalten und alle Spitäler zu besuchen. Dabei wolle man die Kollegen ermutigen, weiter Missstände zu melden.

Seitens des Wigev hat der STANDARD erst kürzlich erfragt, was man dem Vorwurf entgegne, dass man als Dienstgeber flexibler auf Bedürfnisse des Personals eingehen müsse – etwas, das Stefan Ferenci, Kurienobmann der angestellten Ärzte und Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, am Dienstag erneut einforderte. Der Wigev arbeite stetig daran, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern "bestmögliche Rahmenbedingungen" zu bieten, hieß es darauf. Unter anderem geschehe das durch die Option zu Teilzeitarbeit, Kinderbetreuungseinrichtungen, Fort- und Weiterbildungen und Jobflexibilität innerhalb des Wigev.

Streikendes Personal in Ordensspitälern

Die Vinzenzgruppe, die am Mittwoch unter anderem von einem Streik des Personals betroffen sein wird und deren Ärztinnen und Ärzte in Wien ebenfalls an der Befragung teilnahmen, teilte zur Ärztekammer-Befragung mit, dass man zwar aus eigenen Mitarbeiterbefragungen andere Ergebnisse habe, dass man die aktuelle Studie aber ernst nehme und sich das im Detail anschauen wolle. Da für die rund 10.000 Beschäftigten der Ordensspitäler bisher keine Einigung in den Sonderkollektivvertragsverhandlungen erzielt werden konnte, finden am Mittwochvormittag in sechs Wiener Häusern Warnstreiks statt. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das Verspätungen oder Verschiebungen planbarer Operationen.

Arbeiterkammer ergänzte um Kritik der Pflege

Unzufrieden seien neben den Ärzten und Ärztinnen auch die Pflegekräfte, ergänzte Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung am Dienstag. Knapp 85 Prozent sagen, dass in ihrem Team in den letzten zwei Wochen mindestens eine Pflegetätigkeit oft weggelassen oder mit Verzögerung durchgeführt werde. Das zeige die aktuelle Miss-Care-Austria Studie der Karl-Landsteiner-Privatuniversität, die am Mittwoch auf einer Veranstaltung der AK Wien vorgestellt wird.

In dieselbe Kerbe schlug am Dienstag auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. "Die Politik muss dringend Rahmenbedingungen schaffen, die die Pflegekräfte entlasten und gute Pflege ermöglichen." Es gehe insbesondere um eine Erhöhung der Personalschlüssel. (Gudrun Springer, 22.11.2022)