Bei Auktionen stets beliebt: die Birkin-Bags von Hermès.
Foto: imago/Runway Manhattan/Céline Gaille

Sie sind, wenn es um Sachwertveranlagungen geht, schon bestens eingedeckt? Haben reichlich alten Rotwein, Château Smith Haut Lafitte südlich von Bordeaux natürlich, im Keller gleich neben den Single-Malt-Flaschen eingelagert? In der Vitrine stehen die originalverpackten Lego-Sets, darunter lagern in staubsicheren Klarsichtbeuteln die Nike Air MAG Back to the Future nächst den Converse Chuck Taylor All Stars? Im Ankleideraum in der Beletage, dekoriert mit Originalen von Paul Flora, ruhen in einer Edelholzschatulle Chronografen von Rolex, Omega und Patek Philippe? Im Salon ziert das erst vor einem Jahr erworbene Gemälde Der gesegnete Doge Francesco Morosini verlässt im Jahr 1693 Venedig, um auf der Peloponnes gegen die Türken zu kämpfen des venezianischen Malers Luigi Querena die getäfelten Wände? In der Garage warten Luxusautos auf die nächste Ausfahrt auf den Pogusch? Trotz all dieser Pracht könnte ein prestigeträchtiges Sammlerobjekt noch fehlen: die Birkin-Bag.

Zum Kultobjekt geworden

Diese Handtasche wird in manchen Kreisen als absolutes Kultobjekt gehandelt. Für modebewusste Zeitgenossen ein klarer Fall – kommt das gute Stück doch aus dem Hause Hermès. Und wie alles, was wertvoll ist oder als wertvoll betrachtet wird, hat auch die Birkin-Bag eine Geschichte – und die geht so:

Anno 1983 zerlegt es der Schauspielerin Jane Birkin – ja, das ist die mit dem mehr gestöhnten als gesungenen 1967er-Skandalsong Je t’aime moi non plus – während eines Fluges mit der Concorde von Paris nach New York die Handtasche. Der gesamte Inhalt der Tasche ergießt sich auf den Boden des Flugzeugs. Daraufhin erhebt sich ein bestens gekleideter Gentleman und hilft der Dame galant beim Einsammeln ihrer Utensilien. Der Mann entpuppt sich als niemand Geringerer als Jean-Louis Dumas, seinerzeit Boss des Luxuswaren-Unternehmens Hermès. Und er fragt besorgt und erstaunt, warum Birkin denn um alles in der Welt so eine unhandliche Korbtasche auf Reisen mit sich trage. Weil in andere Taschen nicht alles hineinpasse, was die Sängerin und Schauspielerin am Tage so brauche, war die lapidare Antwort.

Prominente Namensgeberin

Daraufhin, so geht die Legende, nahm Dumas ein Stück Papier und zeichnete noch im Flieger einen Entwurf einer trapezförmigen Handtasche mit zwei Henkeln auf. Voilà – die Birkin-Bag war geboren, und die Namensgeberin erhielt ein Jahr darauf medienwirksam das erste Exemplar.

Heute gilt diese Tasche als eine der berühmtesten und schönsten der Welt – und ist einer der Gewinnbringer für Hermès. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres lag der Konzernumsatz bei 8,61 Milliarden Euro – ein Plus von 30,4 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum.

Der Online-Taschenhändler Baghunter hat in einem Index die Preisentwicklung der Tasche über Jahre ermittelt; seit der Einführung der Birkin-Bag ist der Preis über die Jahrzehnte um durchschnittlich 14,2 Prozent pro Jahr gestiegen und hat damit sogar andere Veranlagungen wie den S&P 500 und den Goldpreis auf lange Sicht sprichwörtlich in die Tasche gesteckt.

Preisrekord bei Mailänder Auktion

Aktuell ermitteln Online-Plattformen wie zum Beispiel Collector Square (Luxuswaren aus zweiter Hand) die Preise. Nach deren Berechnungen sind über alle Modelle hinweg die Birkin-Bag-Preise heftig gestiegen: Im Jahr 2006 kostete eine Birkin-Bag aus Leder durchschnittlich noch 4260 Euro, sagt der Händler. 2019 war das gute Stück, das auch Berühmtheiten wie Victoria Beckham, Lady Gaga oder Kim Kardashian verzückt, um fast das Dreifache, nämlich 12.701 Euro, zu haben. 2022 beginnen die Preise der aktuellen Kollektion bei 8800 Euro. Kein Wunder, dass auch Investoren die Birkin-Bag längst als lukratives Investment betrachten: Die Tasche ist rar, und die Preise am Sekundärmarkt boomen, weil viele bereit sind, einen Aufpreis zu zahlen, um überhaupt ein Exemplar davon erwerben zu können.

Die Begierde nach der Tasche dokumentiert auch eine Auktion von Christie’s in Mailand im Juni dieses Jahres: Die "Inside the Orange Box: A Lifetime of Collecting" erfreute sich einer enormen Nachfrage. Eines der aufsehenerregendsten Lose der Auktion war eine Shadow Birkin 40 aus Denim und Evercalf-Leder aus dem Jahr 2010. Geschätzt worden war sie auf 10.000 bis 12.000 Euro. Tatsächlich fiel der Hammer für die Tasche dann bei 63.000 Euro.

Doch da geht noch mehr: Am 8. Dezember 2011 hat ein US-Auktionshaus eine neuangefertigte Birkin-Bag aus Krokodilleder mit diamantenbesetzten Metallteilen für 203.150 Dollar (damals rund 180.000 Euro) versteigert. Bis Mitte 2015 war das die teuerste Tasche, die je versteigert wurde. Im Juni 2015 versteigerte Christie’s eine fuchsiafarbene Birkin-Bag aus Krokodilleder mit Metallteilen aus 18-karätigem Gold und Diamantbesatz für 1,73 Millionen Hongkong-Dollar (203.000 Euro). Laut dem Auktionshaus handelte es sich dabei um die teuerste jemals versteigerte Handtasche überhaupt.

Was macht die Tasche teuer?

Jede Birkin-Bag wird in Handarbeit gefertigt. Hermès produziert die Tasche seit 1984 in einem Atelier für Sonderanfertigungen in Paris. Wer eine neue Birkin-Bag haben möchte, wurde früher noch auf die Warteliste gesetzt. Je nach Material und Ausstattung kostet eine neue Birkin-Bag zwischen 9000 und 150.000 Dollar. Das verwendete Leder sowie Farbe und Größe sind preisbestimmende Faktoren. Tragen Celebritys das gute Stück in der Öffentlichkeit, schießt der Preis für dieses Modell nach oben. Die geringen Stückzahlen befeuern die Nachfrage – und den Wiederverkaufswert auf Online-Plattformen.

Doch nicht nur die Birkin-Bag ist als Investment geeignet. Auch Taschen von Chanel, Louis Vuitton oder Dior steigen im Wert. Hermès ist übrigens schon einmal ein wertsteigender Taschen-Clou gelungen: die Kelly-Bag – benannt nach der Schauspielerin und Fürstin von Monaco, Grace Kelly.
(PORTFOLIO, Reinhard Krémer, 20.12.2022)