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"Meine Eltern hatten in meinem Alter Haus, Hund, Kinder und einiges gespart", so Lisa aus Wien.
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Lisa, Mitte dreißig, aus Wien, hat vieles richtig gemacht: Auf eine gute Matura folgte ein erfolgreiches Studium, dann ein Master im Ausland. Nach einer Reihe von Praktika, Teilzeitjobs und ein paar Jahren Freelancing ist sie mittlerweile fest angestellt in einem Medienunternehmen und verdient nun knapp über 30.000 Euro netto im Jahr – kein schlechtes Gehalt im Vergleich zu dem einiger ihrer Freunde, wie sie sagt.

Ihr Leben sei relativ komfortabel, sagt sie. Doch Sorgen über ihre langfristige finanzielle Situation habe sie ständig. "Ich habe keine nennenswerten Ersparnisse. Wenn ich es eine Zeitlang hinbekomme, ein paar Hundert Euro im Monat zur Seite zu legen, kommt immer nach einiger Zeit der Punkt, an dem ich das Sparschwein wieder plündern muss, zum Beispiel, um einen Urlaub oder teurere Anschaffungen wie Laptop oder Fahrrad zu finanzieren." Über ihre Altersvorsorge habe sie sich noch nie konkret Gedanken gemacht.

Avocado-Toast und Altersvorsorge

Lisa ist sich bewusst, dass sie in mancherlei Hinsicht sparsamer leben könnte. "Ich führe kein Haushaltsbuch, gehe regelmäßig mit Freunden fort und gebe wahrscheinlich zu viel für Essen und Wohnen aus." Aber es seien auch Sachen wie teure Zusatzversicherungen und steigende Nebenkosten, die sich läppern. "Meine Eltern hatten in meinem Alter Haus, Hund, Kinder und einiges gespart. Ich denke schon oft, dass ich davon meilenweit entfernt bin und praktisch keine Sicherheit habe. Aber ich wüsste auch nicht, was ich groß hätte anders machen sollen." Bei den meisten ihrer Freunde, sagt Lisa, sehe die Situation ähnlich aus.

Jeder hierzulande kennt die Mär vom Millennial, der keine Wohnung kaufen konnte, weil er zu viel Avocado-Toast aß. Doch wie ist es tatsächlich um die Finanzen der Generation Y – die mittlerweile zwischen 25 und 42 Jahre alt ist – bestellt? Droht ihr die Altersarmut?

Trotz mehr als eines Jahrzehnts an Artikeln und Studien über die prekäre wirtschaftliche Ausgangssituation und potenziell beängstigende finanzielle Zukunft von Millennials bleibt es erstaunlich schwierig, diese Frage zu beantworten. Umfassende, verlässliche Statistiken etwa darüber, wie viel eine bestimmte Altersgruppe im Durchschnitt gespart oder in ihre Altersvorsorge eingezahlt hat, sind international eine Seltenheit. Mit Umfragen wird versucht, diese Lücke zu füllen. Diese kommen jedoch nicht immer auf Ergebnisse, die ganz zusammenpassen.

Schwierigkeiten im Pensionsalter

So zeigte beispielsweise eine jährlich durchgeführte Umfrage von Deloitte jüngst, dass 47 Prozent aller Millennials von Gehaltszettel zu Gehaltszettel leben und dass fast ein Drittel glaubt, im Pensionsalter in finanzielle Schwierigkeiten geraten zu können. Die Umfrage ergab auch, dass 36 Prozent der Millennials Lebenshaltungskosten als ihre größte Sorge bezeichnen, während es "nur" 29 Prozent der Generation Z tun.

Eine Studie des Finanzdienstleisters Revolut, mit der das Sparverhalten von 2,8 Millionen Kunden in Europa untersucht wurde, ergab im Jahr 2019 allerdings, dass europäische Millennials durchaus in der Lage seien zu sparen und keinesfalls ihr ganzes Geld für Latte macchiatos verbraten würden: 64 Prozent von ihnen, so die Umfrage, legen wöchentlich oder monatlich Geld zur Seite – 254 Pfund (290 Euro) packte der Londoner Millennial im Monat in seinen Sparstrumpf, 294 Euro der Berliner und 130 Euro der Pariser.

Eine Umfrage von Statista ergab im Vorjahr, dass 29,3 Prozent aller deutschen Millennials zwischen 26 und 31 Jahren ein monatliches Nettoeinkommen zwischen null und 1000 Euro haben und 46,3 Prozent dieser Altersgruppe ein Nettoeinkommen von unter 1500 Euro. Damit stehen deutsche Millennials besser da als die deutschsprachige Gesamtbevölkerung, von der ganze 52 Prozent ein Nettoeinkommen von lediglich 1500 Euro oder weniger zur Verfügung haben.

Die Austrian Survey of Financial Literacy fand heraus: "Die Bedeutung langfristiger finanzieller Ziele wird von den Millennials erkannt."

Steigenden Lebenserwartung, gesunkene Einkommen

Trotz alledem kam eine große Studie der britischen Financial Conduct Authority (FCA) 2019 zu dem Schluss, dass Millennials enorme Schwierigkeiten haben, Vermögen aufzubauen – eine Realität, die den steigenden Miet- und Hauspreisen, unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, hohen Studienkrediten und Konsumschulden in der Millennialbevölkerung zugeschrieben wird.

Millennials, so die Schlussfolgerung, müssten zwischen ihrem 21. und 37. Lebensjahr im Durchschnitt ein Vermögenswachstum von stolzen 48 Prozent von Jahr zu Jahr erzielen, gefolgt von einer Wachstumsrate von sieben Prozent pro Jahr zwischen 37 und 51, und sechs Prozent zwischen 52 und 64, um beim Pensionseintritt auf den gleichen Vermögensstand zu kommen wie heutige Rentner der sogenannten Babyboomer-Nachkriegsgeneration. Im darauffolgenden Jahr warnte die FCA, dass selbstständig arbeitende Menschen – viele von ihnen Millennials – ganz besonders dem Risiko ausgesetzt seien, im Pensionsalter nicht genug Einkommen zu haben. Millennials wie auch ihre Eltern (Generation X), so hieß es unmissverständlich, würden wahrscheinlich weniger finanziell abgesichert sein im Pensionsalter als die vorherige Generation, da nicht genug finanziell vorgesorgt werde, um mit der steigenden Lebenserwartung zurechtzukommen.

Ansichten im Wandel

Wie sehr sich die Generationen in ihren finanziellen Aussichten voneinander unterscheiden, ist vor allem deshalb schwierig zu untersuchen, weil natürlich noch niemand weiß, mit wie viel Pension Millennials am Ende zu rechnen haben. Doch manche Gegenüberstellungen sind nicht uninteressant: Ganze 93 Prozent der Ruheständler in Deutschland gaben der Schroders Global Investor Study 2018 zufolge an, dass ihr Pensionseinkommen ausreichend sei.

Im Vergleich dazu ging aus der Metallrente-Jugendstudie 2019 hervor, dass zwei Drittel der jungen Menschen in Deutschland Angst vor Altersarmut haben. Trotz dieses Problembewusstseins gaben aber nur 32 Prozent der 2500 Befragten an, regelmäßig für den Ruhestand zu sparen. 56 Prozent der jungen Sparer, die nicht privat für ihr Alter vorsorgen, gaben zudem an, dass der Staat für die Altersvorsorge zuständig sei. Im Jahre 2010 vertraten 42 Prozent diese Meinung.

Krypto, Klarna-Schulden und fehlende Finanzbildung

Eine weitere ernüchternde Umfrage mit 3000 Teilnehmern des englischen Investitionsapps Moneybox im August 2022 fand heraus, dass nur 18 Prozent der Millennials das Gefühl haben, ihre Altersvorsorge unter Kontrolle zu haben, während 30 Prozent angaben, verwirrt darüber zu sein, wie viel sie monatlich in ihren Pensionstopf einzahlen sollten.

Laut der Schroders’ Studie sparten Anleger in Österreich zwar den höchsten Einkommensanteil im erwerbsfähigen Alter weltweit, mit einer Sparquote von stolzen 21,6 Prozent. Doch aus Daten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) geht hervor, dass die Durchschnittssparquote der Gesamtbevölkerung zwischen 2009 und 2019 relativ drastisch abnahm: Von 11,4 Prozent des frei verfügbaren Einkommens sank sie auf 7,4 Prozent. Laut Statistik Austria stand die Sparquote der privaten Haushalte in Österreich 2021 immerhin wieder bei 11,8 Prozent – nach einem Rekordwert von 14,4 Prozent während des ersten Jahres der Corona-Krise.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sagte im Gespräch mit dem Standard, dass mehr geschehen müsse, um junge Österreicher finanziell für die Zukunft abzusichern. "Aus Sicht des Finanzministeriums sollte man dabei ganz besonders auf die junge Bevölkerungsschicht schauen, denn bei ihr zeigt sich noch einmal mehr, dass es mehr Finanzbildung und Wissen braucht", sagt Brunner. Studien zeigten, dass junge Menschen niedrigere Werte beim Thema Finanzwissen aufweisen als der Durchschnitt der Bevölkerung. "Außerdem ist jeder vierte Klient von Schuldnerberatungsstellen mittlerweile unter 30 Jahre alt und hat dann durchschnittlich 30.000 Euro an Konsumschulden. Trends wie beispielsweise Klarna-Schulden-Challenges auf Tiktok oder auch das vermehrte Investieren in Kryptoeinheiten bestärken die Bedeutung von Finanzbildung für junge Menschen", sagte Brunner. Das Finanzministerium wolle hier mit der Umsetzung der Nationalen Finanzbildungsstrategie einen wichtigen Schritt setzen, um diesen Trends zu begegnen und Finanzkompetenzen nachhaltig zu stärken.

Weniger Risiko, weniger Vorsorge

Wie repräsentativ Lisas finanzielle Situation ist, bleibt zwar unklar, doch allein ist sie sicherlich nicht: Researcher schrieben in einer Auswertung der 2019 zum zweiten Mal durchgeführten Erhebung zur Finanzbildung in Österreich (Austrian Survey of Financial Literacy): "Offenbar wird die Bedeutung langfristiger finanzieller Ziele zwar erkannt, doch die für ihre Umsetzung erforderlichen kurzfristigen Schritte werden von Millennials nicht ausreichend gesetzt."

Ein weiteres Fazit dieser Erhebung lautet: "Zugleich sind Millennials scheinbar weniger risikoavers und vorausschauend als andere Altersgruppen, wie sich an dem im Vergleich zur Generation X und den Babyboomern hohen Maß an Zustimmung zu folgender Aussage zeigt: ‚Ich lebe eher für den Augenblick und denke nicht an morgen‘. Anhand weiterer Forschungsarbeiten und künftiger Erhebungen könnte untersucht werden, ob Millennials tatsächlich anders sind als andere Altersgruppen – oder einfach jünger."
(Portfolio, Jedidajah Otte, 22.12.2022)