Harris traf auf Palawan auch Fischerinnen. Immer wieder kommt es zu Konflikten bei Fischereirechten auf der Insel.

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Palawan liegt irgendwo im Westpazifik, weitab von den großen philippinischen Inseln, weit entfernt von der Hauptstadt Manila oder dem Zentrum Davao im Süden. Die Insel Palawan gilt eigentlich als abgeschiedenes Urlaubsparadies, als "last frontier" des Archipels, der aus über 7.000 einzelnen Inseln besteht. Die US-Vizepräsidentin Kamala Harris entschied sich trotzdem für Palawan. Am Dienstag reiste sie im Zuge ihrer Philippinen-Reise an und attestierte: "Die USA und die internationale Gemeinschaft haben ein großes Interesse an der Zukunft dieser Region."

Denn so abgeschieden die Insel auch scheinen mag, so bedeutend ist doch ihr Standort. Denn von Palawan sind es gerade einmal noch ein paar Hundert Kilometer zu den umstrittenen Spratly-Inseln. Und die sind seit Jahren Dreh- und Angelpunkt des Konflikts im Südchinesischen Meer. China erhebt Anspruch auf quasi sämtliche Inselgruppen in dem Meer und steht daher in territorialem Konflikt mit fast allen Anrainern, darunter Malaysia, Brunei, Vietnam, Taiwan und eben auch den Philippinen.

Philippinische Sonderstellung

Letzteres nimmt in dem langjährigen Konflikt eine Sonderstellung ein, weil ein internationales Gericht über den philippinischen Anspruch bereits ein Urteil gefällt hat: Die chinesischen Ansprüche würden jeglicher legaler Grundlage entbehren, hieß es 2016 vom internationalen Schiedsgericht.

Doch China akzeptiert das nicht. Das mächtige Land möchte viel eher seinen Einfluss noch weiter ausbauen. So baut Peking künstliche neuen Inseln im maritimen Nirgendwo oder schafft massive Militärbasen auf anderen Inseln – auch auf jenen, die eigentlich die Philippinen beanspruchen. Die haben wiederum nicht die Fähigkeit, ihre Ansprüche durchzusetzen. Bei dem Konflikt geht es nicht nur um symbolische Territorialpolitik – im Südchinesischen Meer werden riesige Öl- und Gasvorkommen vermutet.

USA verspricht Beistand

Die USA stünden den Philippinen "angesichts von Einschüchterung und Nötigung im Südchinesischen Meer" zur Seite, betonte US-Vizepräsidentin Harris am Dienstag. "Wenn die internationale regelbasierte Ordnung irgendwo bedroht ist, ist sie überall bedroht", fügte sie hinzu.

Harris hielt eine Rede auf einem Schiff der philippinischen Küstenwache im Hafen von Puerto Princesa.
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So ist die Neuauflage der Beziehungen Teil einer größeren US-Strategie gegen Chinas Expansionismus. Dabei setzt die Regierung unter Präsident Joe Biden nicht wie sein Vorgänger Donald Trump auf Drohgebärden und aggressive Töne, sondern auf eine Intensivierung von Allianzen in der Region.

Distanz unter Duterte

Die Philippinen sind historisch ein wichtiger US-Partner. Zwei große US-Militärbasen gab es in dem Inselland. Bis heute gilt ein Vertrag, wonach das eine das andere Land verteidigen würde, wenn es angegriffen werde. Ab den 1990ern haben die Beziehungen aber an Wichtigkeit verloren. Vor allem unter der Präsidentschaft des brutalen Machthabers Rodrigo Duterte standen die Zeichen auf Distanz. Für die USA war dieser kein gangbarer Partner. Duterte wollte wiederum die lange US-Geschichte hinter sich lassen und orientierte sich in Richtung China.

Doch nach dem überraschenden Führungswechsel auf den Philippinen sind die Karten neu gemischt. Am Montag besprach Harris mit Dutertes Nachfolger Ferdinand Marcos Jr. neue militärische und sicherheitspolitische Kooperationen. Harris bekannte sich außerdem zu dem Beistandspakt. Jeder Angriff auf philippinische Schiffe im Südchinesischen Meer würde die Verteidigungspflichten der USA aktivieren. Marcos Jr. sagte: "Ich sehe keine Zukunft der Philippinen, die nicht die USA einbeziehen würde."

Unmut in China

Harris' dreitägiger Besuch zeigt deutlich, wie wichtig das Land wieder für die USA ist. In Peking wiederum werden sämtliche hochrangigen Besuche aus Washington in der Region mit Adleraugen beobachtet. Ein Besuch von Nancy Pelosi im nahegelegenen Taiwan hatte erst im Sommer China empört und Angst vor einer neuen Taiwan-Krise ausgelöst.

Die philippinische Insel Palawan hat im Vergleich natürlich eine ganz andere Bedeutung, gehört sie doch nicht zu den umstrittenen Inseln, sondern liegt nur nahe daran. Und doch ist Harris die ranghöchste US-Politikerin, die jemals in die westliche Inselprovinz gereist ist.

Ein Beobachter analysierte etwa gegenüber "CNN", dass für die USA die Vorteile des Besuchs, nämlich Einigkeit im Südchinesischen Meer zu zeigen, die Nachteile bei weitem übersteigen. "Wir haben nichts dagegen, dass die USA und die Philippinen normalen Kontakt haben, aber der Kontakt soll anderen Ländern nicht schaden", hieß es aus dem chinesischen Außenministerium am Dienstag.

Zaghaftere Töne aus Indonesien

Während Harris auf den Philippinen verweilte, bereiste ihr Regierungskollege Lloyd Austin ein anderes südostasiatisches Inselland, nämlich Indonesien. Dort steht man den US-amerikanischen Avancen traditionell zaghafter gegenüber als in Manila. Die USA würden gerne ihren Einfluss in Indonesien vergrößern, doch das Land setzt lieber auf eine neutrale Position. "Indonesien versucht immer, die beste Beziehung mit allen Nationen zu haben, vor allem mit Großmächten", sagte Verteidigungsminister Prabowo Subianto bei dem Treffen mit seinem US-Amtskollegen.

Auch auf den Philippinen wurden die Erneuerungen der US-Beziehungen nicht nur mit Freude aufgenommen. Am Montag kam es an mehreren Orten im Land zu Protesten gegen den Besuch aus Washington. Man wolle nicht, dass das Land in den Wettstreit zwischen China und den USA hineingezogen wird. (Anna Sawerthal 22.11.2022)