Händisches Ausladen von Pflastersteinen im Juni 1940: Mindestens 1212 Zwangsarbeiter schufteten in Albern und der Lobau.
Foto: Archiv Hafen Wien

Nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland 1938 entstanden Pläne, die Hafeninfrastrukturen Wiens massiv auszubauen. Zuvor legten die Schiffe an einem Uferstreifen zwischen Nordwestbahnbrücke und Freudenau an, wo auch ein Winterhafen samt Wirtschaftsgebäuden bestand. Die Nazis wollten die Donaustadt mit den neuen Häfen zu einem "Hamburg des Ostens" machen – ein Schlagwort, das schon seit den 1920ern die Vision des Ausbaus der Binnenschifffahrt etikettierte. In Albern und der Lobau wurden großangelegte Bauten begonnen. Längst nicht alle wurden bis 1945 vollendet.

Wie an vielen Orten in Nazideutschland wurden auch hier Zwangsarbeiter und Arbeitssklaven eingesetzt. Um diese Vergangenheit kritisch zu beleuchten, haben die Wien Holding und der Hafen Wien eine Geschichtsstudie in Auftrag gegeben. Sie wurde diesen Herbst – anlässlich des 60-jährigen Bestehens des 1962 neu gegründeten Hafen Wien – präsentiert. Ina Markova vom Institut für Zeitgeschichte und Stefan Wedrac vom Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Uni Wien haben in zweijähriger Forschungsarbeit Ausmaß, Bedingungen sowie das politische und administrative Umfeld des Zwangsarbeitereinsatzes auf dem Gelände der Häfen in Albern und der Lobau recherchiert. Studienleiter war der Historiker Oliver Rathkolb.

Ölhafen Lobau

Im "Anschluss"-Jahr 1938 gab es noch keine konkreten Pläne für einen Ausbau. "Reichswirtschaftsminister Göring versprach, dass ein Großhafen gebaut werden soll. Aber es war niemandem klar, wo er sich befinden und wofür er dienen soll", resümiert Markova. "Mit den Planungen begann auch das Ringen um Finanzmittel. Man darf sich nicht vorstellen, dass es in der NS-Verwaltung einen klaren Kurs gab. Alle wollten ein Stück vom Kuchen haben." Relativ rasch wurde der Bau fünf großer Getreidespeicher in Albern begonnen. Lieferungen aus Südosteuropa sollten die Versorgung im Krieg sicherstellen. Man baute aber nur eines von drei geplanten Hafenbecken.

Große Pläne hatten die Nazis auch in der Lobau. "Hier sollte einerseits der Oder-Donau-Kanal einmünden. Schon wie die Nordbahn zu Zeiten der Monarchie sollte auf ihm Kohle aus Schlesien und Mähren transportiert werden. Bis 1945 wurden aber nur wenige Teilstücke fertiggestellt", erklärt Wedrac. "Andererseits wollte man die Ölvorkommen im Marchfeld stärker ausbeuten. Es wurde eine Pipeline von Zistersdorf in die Lobau, ein Ölhafen und eine der größten Raffinerien des Deutschen Reiches – ein Joint Venture von Mobile und Shell – gebaut." Öllager und eine weitere Pipeline, die den raffinierten Treibstoff in den Norden des Reiches bringen sollte, kamen dazu.

Zwangsarbeiter und Arbeitssklaven

Bau der Getreidespeicher in Albern: Lieferungen aus Südosteuropa sollten die Versorgung im Krieg sicherstellen.
Foto: Archiv Hafen Wien

Sowohl in Albern als auch in der Lobau gab es massiven Zwangsarbeitereinsatz. Vor Kriegsbeginn standen noch freiwillige Arbeiter im Vordergrund – Menschen aus Italien oder dem heutigen Tschechien, die sich eine bessere Bezahlung erhofften. "Den Begriff ‚Freiwillige‘ muss man differenziert betrachten. Viele wurden etwa daran gehindert, nach Hause zurückzukehren", sagt Markova. Genauso wie um Geld wurde in den NS-Institutionen auch um die Zuteilung von Zwangsarbeitern gerungen. Mit Fortschreiten des Kriegs kamen diese in Albern und in der Lobau etwa aus Frankreich, Belgien oder der Sowjetunion.

Es ist davon auszugehen, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter jenen an anderen Orten im nationalsozialistischen Deutschland glichen. "Je nach Herkunft wurden die Menschen unterschiedlich behandelt. ‚Westarbeitern‘ ging es schlecht, aber immer noch etwas besser als ‚Ostarbeitern‘. Besonders schlecht erging es ungarischen Juden, die de facto Arbeitssklaven waren", erklärt Markova. Nach Analyse vieler Quellen kommen Markova und Wedrac auf eine belegbare Mindestzahl von 1212 Zwangsarbeitern in Albern und der Lobau. 774 davon sind namentlich bekannt. Die tatsächliche Zahl ist mutmaßlich um vieles höher.

Undokumentierte Todesfälle

Ebenso im Dunklen bleibt, wie viele Menschen im Zuge der schweren Arbeiten auf welche Weise ums Leben gekommen sind. Nur ein Bruchteil der Todesfälle ist dokumentiert. Quellen sprechen etwa von "Herzschwäche" als Todesursache jüdischer Inhaftierter. Zu Todesvermerken durch Arbeitsunfälle, Krankheiten oder Brände kamen bei Kriegsende noch eine Reihe von Opfer durch massive alliierte Luftangriffe im Hafenbereich. "Die Jüdinnen und Juden, die 1945 noch in der Lobau waren, hatten sehr unterschiedliche Schicksale", gibt Markova einen Einblick. "Manche erlebten ihre Befreiung hier, andere wurden kurz davor noch in das KZ Theresienstadt gebracht. Eine Gruppe wurde auf einen Todesmarsch geschickt und in der Gemeinde Hofamt-Priel im Bezirk Melk von der SS erschossen." (Alois Pumhösel, 23.11.2022)