Christoph Jarmer alias Kristoff stellt am Donnerstag sein neues Album live im Ateliertheater in Wien vor. Harte Poesie ohne Kitsch und Süßlichkeiten.

Christoph Karl Izmenyi

Betrachtet man ihn in aktuellen Videos, denkt man an die USA. An gesichtslose Restaurantketten an der Interstate, deren größte Attraktion ein Klo mit Spülung ist. Christoph Jarmer trägt Truckerkappe, Jeansgilet und einen Bart, wie er in Redneck-County geschnitten wird.

Tatsächlich residiert Jarmer im Burgenland, dessen Ortschaften bezüglich Gesichtslosigkeit auch einiges zu bieten haben, aber es ist ihm lieber als Wien. Im Burgenland hat er mit Bruder Thomas in den 1990ern die Band Garish gegründet.

Von Garish hat er sich absentiert, als Esteban’s und Oberst Stern seine eigene musikalische Vision verfolgt, doch nichts hat so recht gepasst, erst Kristoff, sein jüngster Nom de Guerre, scheint ihm zu passen. Als Kristoff hat er ein neues Album veröffentlicht, am Donnerstag präsentiert er es live im Wiener Ateliertheater, im Frühjahr geht er damit auf Tour. Das Werk heißt Gold, Rausch und Scherben und ist sehr persönlich. Jarmer ist Liedermacher, wobei er sich der britischen Tradition näher fühlt als Zeitgenossen wie Ernst Molden oder dem Nino aus Wien.

Kristoff

Der zweifache Vater ist geschieden, und das hat einiges geändert, der Umzug kam hinzu und sein Bedarf, Musik zu machen. Jarmer ist studierter Jazzgitarrist, lebt von Musik, die er für Film und Fernsehen gemacht hat, für Sendungen wie Universum oder Land und Leute.

Grausbirn und Einzelkämpfer

Gold, Rausch und Scherben sagt er, sei ein Raucheralbum. Das darf man als Trotz des Underdogs interpretieren, Jarmer ist einer, dem es die Grausbirn aufstellt, wenn er an Social Media denkt. Einerseits verachtet er, was dort passiert, andererseits ist es ein Werkzeug, das für Einzelkämpfer wie ihn wie gemacht ist, um seine Musik zu verbreiten. Hin und wieder muss er über seinen Schatten springen.

"Ich bin ein Perfektionist, der nie zum Tüfteln aufhört, aber ich habe mich gezwungen, es dieses Mal anders zu machen, mich nur auf das Spielen zu konzentrieren." Man meint, seine Zähne knirschen zu hören, wenn er das sagt. Dabei ist er eh zufrieden.

Kristoff - Topic

Für Gold, Rausch und Scherben ist er zu Thomas Pronai in die Cselley-Mühle gegangen. Pronai ist Musiker und unterhält in der Mühle bei Oslip ein Studio. Dort hat Jarmer aufgenommen, live, mit quietschenden Saiten, mit dem hörbaren Atem des Saxofonisten, einem Schüler von ihm. Diese Direktheit beschert dem Werk Atmosphäre, dient als Resonanzraum für Jarmers Betrachtungen und die aufs Maximum reduzierte Musik: Schlagzeug, Gitarre, Stehbass und Tenorsaxofon.

Jarmers Songs zeigen einen poetischen Exorzismus, schonen nichts und niemanden. Dabei erinnert er an die Härte des Ludwig Hirsch – aber ohne Süßlichkeiten und Kitsch, die seine Wahrheiten abfedern würden. Ungeschönt wie so eine Raststation im Nirgendwo. (Karl Fluch, 23.11.2022)