"Die Journalist*innen, deren Arbeiten heute ausgezeichnet werden, geben Menschen in Not ein Gesicht": Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas in Wien.

Foto: APA/HERBERT-PFARRHOFER

Wien – Dienstagabend wurde der Prälat-Leopold-Ungar-Preis zum 19. Mal vergeben. Der Preis, der im Sinne des Lebenswerkes von Prälat Leopold Ungar von der Caritas der Erzdiözese Wien und Raiffeisen NÖ-Wien vergeben wird, wurde in der Brunnenpassage und via Livestream verliehen.

Ausgezeichnet wurden Journalistinnen und Journalisten, die sich mit Themen wie Armut, Pflege, Flucht, Integration, Krankheit oder Diskriminierung auseinandersetzen und Toleranz sowie Verständnis im Umgang mit Menschen an den Rändern der Gesellschaft fördern. Der Preis ist mit insgesamt 20.000 Euro dotiert.

Gewinnerinnen und Gewinner des Hauptpreises

Der Hauptpreis in der Kategorie Print geht an Soraya Pechtl für zwei Arbeiten, die im "Falter" erschienen sind. In "Gib mir 10 Minuten" beleuchtet die Autorin das Innenleben eines Start-ups, das sich das Liefern von Lebensmitteln via App zur Aufgabe gemacht hat. Ihre zweite Gewinnerarbeit mit dem Titel "Die Abzocke im Altersheim" handelt davon, was passieren kann, wenn Pflege zur Geschäftsidee mutiert.

Der Hauptpreis in der Kategorie Fernsehen geht dieses Jahr an Vanessa Böttcher für "Ukraine – Die Wahrheit unter den Trümmern" für das ORF-"Weltjournal".

Der Hauptpreis in der Kategorie Online/Multimedia ging heuer an die "Profil"-Journalisten Stefan Melichar, Michael Nikbakhsh und Sebastian Pumberger, die gemeinsam mit dem schwedischen Investigativ-Journalisten Ola Westerberg "Öl, Blut, Gier – Die Akte OMV-Sudan" veröffentlicht haben.

In der Kategorie Radio wurde die Reportage "Octavian will helfen" von Matthias Däuble für Ö1 ausgezeichnet. Däuble begleitet darin Octavian bei einer 1.000 Kilometer langen Fahrt mit Kleintransporter und Hilfsgütern von Wien bis an die rumänisch-ukrainische Grenze.

Anerkennungspreise 2022

Die Anerkennungspreise wurden dieses Jahr in der Kategorie Print an Lisa Kreutzer ("Schwer gefragt (mit Eugenia Seleznova)", "Hafeez rennt", "Die Anspruchslosen" für "Tagebuch"), STANDARD-Redakteurin Lisa Breit ("Mama, Papa, es ist aus!") und Clemens Neuhold ("Viktor Orbán und Soldat Mosasa", erschienen im "Profil") vergeben.

Die Anerkennungen im Bereich Online/Multimedia gingen an Amra Duric ("Wiener auf Jobsuche"; "20 Jahre Praxis, aber Wienerin soll um 1.200 Euro arbeiten", "IT-Techniker sucht sechs Jahre einen Job" für "Heute am Punkt" der Tageszeitung "Heute"), an Laurin Lorenz und Christopher Lettner vom STANDARD und ihr Video "Leben in der Schattengesellschaft: Ein Tag mit der obdachlosen Jana") und an Delna Antia-Tatic (für die Podcast-Reihe "Du bestimmst. Punkt.").

In der Kategorie TV wurden Rosa Lyon ("Ein Jahr Taliban an der Macht in Afghanistan", "Frauen in Afghanistan", "Umstellung vom Kämpfen zum Regieren" für ORF-"Zeit im Bild" und "ZiB 2") und Ajda Sticker ("Erklär mir, wie du lebst" für "Heimat Fremde Heimat" im ORF) mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet.

Juliane Nagiller ("Das System 24-Stunden-Betreuung" für Ö1-"Radiokolleg"), Veronika Zoidl und Julia Polczer ("Die weiße Rose von Wien" für Ö1-"Hörbilder") und Miriam Steiner ("Gegen seinen Krieg" für Ö1-"Moment") wurden in der Kategorie Hörfunk mit einem Anerkennungspreis prämiert.

Livestream der Preisverleihung vom Dienstag hier zum Nachsehen:

Caritas Österreich

Schwertner: "Menschen in Not ein Gesicht geben"

"Als Caritas sind wir seit ziemlich genau 100 Jahren so etwas wie ein Seismograf in der Gesellschaft. Und wir sehen an vielen Orten: Die Not nimmt aktuell infolge der Krisen zu. Corona, die Teuerungen, der Krieg in der Ukraine – all das lässt den Druck steigen. Die Journalist*innen, deren Arbeiten heute ausgezeichnet werden, geben Menschen in Not ein Gesicht. Und sie tun dies unter herausfordernden Vorzeichen: Die Digitalisierung birgt nebst den oft zitierten Chancen auch Gefahren für Demokratie und Gesellschaft, sagt Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner, "wir erleben einen tiefgreifenden Strukturwandel der Öffentlichkeit. Und die Antwort auf diesen Wandel muss mehr Journalismus sein – mehr Einordnung, mehr Differenzierung und Grautöne dort, wo Social Media nur Schwarz oder Weiß zulassen. Mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innen-Preis wollen wir deshalb einen Beitrag leisten, um den öffentlichen Diskurs, um Dialog und somit den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken."

Festrede von ORF-Satiriker Peter Klien

ORF-Satiriker und Kabarettist Peter Klien widmete sich in seiner Festrede den aktuellen Geschehnissen im Medienbetrieb. "Mehr Transparenz und weniger Macht der Parteien – das sollten wir gemeinsam anstreben. Begleitet von einem Journalismus, der nicht die Verhaberung sucht. Wo man dem Gegenüber nicht nur auf die Schulter klopft, sondern auch einmal auf die Finger. Wo nicht ständig rote Linien überschritten werden. Oder türkise. Blaue. Und neuerdings auch grüne. Wissen Sie, welches Buch hierzulande fehlt?", fragt Klien in seiner Festrede, "'Zen in der Kunst von Nähe und Distanz‘, ich würde es allzu gerne schreiben. Aber damit verdient man nichts. In unserem wunderschönen Land würde es vermutlich kaum dreistellige Verkaufszahlen erlangen."

Klien weiter: "Aber Bücher schreiben, die keiner liest – das kann ich mir nicht leisten. Genauso wie sich kein Verlag leisten kann, Medien auf den Markt zu bringen, die defizitär agieren. Es ist halt letztlich schon auch wahr: Wer unabhängig berichten will, muss auch finanziell unabhängig sein. Nur was die Sache schwerer macht: Die Medienbranche ist derzeit in großem Umbruch", so Klien. "Und wer wirtschaftlich auf wackeligen Beinen steht, der steht es oft moralisch leider auch. Dann ist man vielleicht anfälliger für die Verlockungen der Inseratenkorruption, mit der die Politik die Medien ködert. Nichtssagende Inserate, die von Bundesländern oder Bundesregierung beliebig verteilt werden – den Braven viel, den Schlimmen wenig. 'Nach Gutsherrenart‘, wie es immer wieder heißt. Ich würde sagen: so wie jemand, der sich mit geborgtem Geld recht reich benimmt!" (red, 22.11.2022)