Österreichs Buchpreisträgerin 2022: Verena Roßbacher mit "Mon Chéri und unsere demolierten Seelen".

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Die Halle D der Wiener Messe ist wieder Schauplatz der Buch Wien. Abendveranstaltungen im Rahmen der Messe finden in der Stadt verstreut statt.

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Ein Termin im Kalender der heute, Mittwoch, startenden Buch Wien war bisher mit einem großen Fragezeichen versehen: der Auftritt des Gewinners bzw. der Gewinnerin des Österreichischen Buchpreises am Donnerstag. Seit Montagabend ist klar: Verena Roßbacher wird ihn bestreiten. Denn da wurde die Autorin für ihren Roman Mon Chéri und unsere demolierten Seelen (Kiwi) ausgezeichnet. Mit ihr wird die fürs Debüt Luftpolster prämierte Lena-Marie Biertimpel auftreten.

Als "Slapstick vom Feinsten" lobte die Jury Roßbachers Geschichte rund um Charly, die in allen Lebensglück verheißenden Kategorien (gesunde Ernährung, Schönheit, Erfüllung in der Liebe und im Job) durchfällt. Die Auszeichnung sei "sehr überraschend", reagierte die Autorin. Ja, sie bediene sich für ihre Figuren bei ihrer Umgebung, und wenn man sage, sie habe den Preis für ihren Humor bekommen, wäre das "wahrscheinlich das Schönste". Denn sie wolle Unterhaltung mit ernsteren Themen verbinden.

Diesen Spagat unternimmt auch die Buch Wien als größtes heimisches Buchevent. Über 400 Veranstaltungen mit Autorinnen und Autoren und 350 Aussteller aus 28 Ländern stehen bis Sonntag auf dem Programm. Neben dem literarischen Programm wird die voriges Jahr gestartete Debattenschiene zu Politik, Wirtschaft, Wissenschaft weiter ausgebaut. "Das führt bei uns zu Wachstum, entgegen dem Trend anderer Buchmessen", sagt Geschäftsführer Patrick Zöhrer. Fünfeinhalb Stunden verbrachten Besucher 2021 durchschnittlich zwischen den Verlagskojen und Lesebühnen, hat die Messe erhoben. Das überzeugt auch Verlage, sodass erstmals die deutschen Konzerne Bonnier und Holtzbrinck mit ihren Häusern anreisen.

"Nicht mehr wegzudenken"

Und zum ersten Mal betreibt auch Kindle Direct Publishing (KDP) einen Stand. Seit 15 Jahren gibt es die Selfpublisher-Plattform aus dem Hause des Internetgiganten Amazon. 500 Milliarden von Selfpublishern per KDP veröffentlichte Seiten seien in dieser Zeit gelesen worden. Konkretere Zahlen des Umsatzes und der Zuwachsraten nennt KDP nicht.

Aber: "Wenn man sich auf Amazon die Top 100 E-Books anschaut, stammt fast die Hälfte aus dem Selfpublishing-Bereich", sagt Deutschland-Chef Frank Euler. "Nicht mehr wegzudenken" sei das Geschäft mit digitalen Ausgaben in den Bereichen Romantik, Thriller und Fantasy. Gedruckt gelesen würden vor allem Ratgeber und Sachbücher. Die Messe ist für Euler eine Möglichkeit, mit Autoren Kontakte zu knüpfen.

Corona und Booktok

Die Freiheit für Selfpublisher ist groß, die Verantwortung auch: Bis hin zu Cover, Preisgestaltung und Marketing liegt alles in ihrer Hand. "Sie machen das hervorragend, weil sie dicht am Leser sind", sagt Euler. Corona hat der Selfpublishing-Branche zudem starken Auftrieb gegeben, der Trend zu Büchern in den sozialen Netzwerken (Booktok) ebenso. Wer sich geschickt anstellt, kann sehr erfolgreich werden. Colleen Hoover etwa belegt aktuell mit ihren romantischen Geschichten für junge Erwachsene vier Plätze in der heimischen Bestsellerliste. Sie hat vor 13 Jahren im Selbstverlag begonnen, wurde erfolgreich, von einem Verlag entdeckt und ist gewechselt. Auf Deutsch erscheint sie nun bei dtv. Viele Autoren bespielen je nach Projekt beide Kanäle, sagt Euler.

Selfpublishing als Sprungbrett in den klassischen Betrieb beobachtet auch Patrick André, Geschäftsführer der Buchschmiede. Selten sei es aber der Anspruch der Autoren, vom Schreiben leben zu können. Bis August hieß das Unternehmen noch myMorawa, 2000 Autorinnen und Autoren hat man bisher betreut, im Monat erscheinen rund 40 Bücher.

Chance für Nischenthemen

Auf der Buch Wien ist Buchschmiede heuer nicht vertreten, Unternehmenssitz ist aber Wien, gedruckt wird in Niederösterreich. Der E-Book-Anteil an den Verkäufen liegt im einstelligen Prozentbereich. Manche Autoren hätten schon mehrere Tausend Exemplare abgesetzt, besonders gefragt seien "Nischenthemen", sagt André. Aus finanziellen oder thematischen Gründen kommen die oft nicht bei klassischen Verlagen zum Zug. Für André steht trotzdem fest, je professioneller ein Buch gemacht und lektoriert ist, umso größer sein Erfolg.

Messen haben diese Autoren kaum nötig, ob sie je den Buchpreis gewinnen werden, ist ungewiss. Bei Lesern sind sie indes angekommen. (Michael Wurmitzer, 23.11.2022)