Irans Fußballer blieben bei der Hymne stumm – und setzten so ein Zeichen.

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Sportlich wurde ihnen zwar ordentlich der Kopf gewaschen. Aber diesen gewaschenen Kopf tragen sie – die elf Köpfe des iranischen Fußball-Nationalteams – nun doch recht hoch. Ihr Auftaktspiel in der Gruppe B der Weltmeisterschaft in Katar verloren sie gegen England zwar klipp und klar mit 2:6. Gewonnen haben sie allerdings, so zumindest wird es allgemein interpretiert, den allgemeinen Respekt. Auch daheim. Mit einer eigentlich schlichten Geste: Sie haben die Hymne nicht mitgesungen.

Seit Mitte September wird im Iran gegen das Mullah-Regime demonstriert. Auslöser der immer heftiger werdenden Proteste war der Tod von Mahsa Amini. Die junge kurdische Frau starb im Gewahrsam der Sittenwächter, in den sie genommen worden war, weil sie das Kopftuch nicht korrekt getragen hatte. Seither kocht der Iran. "Frauen, Leben, Freiheit" lautet die Parole der landesweiten Proteste. Auch sie ist eigentlich schlicht. Nicht schwer zu verstehen.

Die Proteste begannen, als das iranische Team auf Trainingslager in der Steiermark weilte. Sardar Azmoun, der 27-jährige offensive Mittelfeldspieler bei Bayer Leverkusen, hat damals auf Instagram geschrieben: "Schämt euch!" Und: "Lang leben die iranischen Frauen!" Tausende seiner Landsleute teilten das.

Nicht alle Kollegen schienen es in dieser Klarheit zu goutieren. Stürmer Mehdi Taremi wollte sich eher abschirmen von daheim, denn: "Hier gilt unsere Konzentration dem Fußball."

Teamkapitän Ehsan Hadschsafi hat am Sonntag den Familien der mittlerweile hunderten Opfer sein Beileid ausgedrückt. Die Mannschaft müsse akzeptieren, dass die Bedingungen im Land nicht gut und die Menschen nicht glücklich seien. Dessen seien sich die Spieler bewusst. Irans portugiesischer Teamchef Carlos Queiroz ist "sehr stolz auf das, was sie getan haben".

Interessant wird sein, was die Fifa tut. Denn no na ist das demonstrative Schweigen der Iraner ein eigentlich politisches Statement. Eines, wie es ja auch die vollmundigen Europäer abgeben wollten, indem sie ihre Kapitäne mit einer regenbogenfarbenen Armschleife aufs Spielfeld schicken wollten. Die Fifa-Drohung, dass es dafür zu Spielbeginn gelbe Karten regnen würde, hat den Europäern dann den Nipf genommen. Harry Kane, Kapitän der gegen den Iran siegreichen Briten, lief brav ohne den Regenbogen auf. Zeichensetzerei ist außerhalb von Blasen zuweilen ein verzwicktes Geschäft. (Wolfgang Weisgram, 23.11.2022)