Jenna Ortega als Wednesday mit ihrem Freund "Thing", hierzulande besser bekannt als "eiskaltes Händchen".

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Catherine Zeta-Jones und Luis Guzman als Morticia und Gomez Addams.

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Wednesday am Cello in der Netflix-Serie.

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Vater, Mutter, Kind.

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Was Kinder und Jugendliche damals wie heute antreibt: nie, nie, nie so zu werden wie die Eltern! Im Fall des Kindes mit Namen Wednesday ist das nicht anders, wiewohl Mama und Papa gewiss nicht zur üblichen Sorte Erziehungsberechtigter zählen. Morticia und Gomez Addams sind schließlich nicht irgendwer, sondern eines der, wenn nicht sogar das schrägste Ehepaar der Fernsehgeschichte. Allerdings ist deren Tochter, der nur angesichts körperlicher Schmerzen anderer ein Lächeln entflieht, auch nicht gerade Durchschnitt.

Aber vielleicht genau deshalb: Tango tanzen, Speer werfen, fechten, dauerschmusen? Sicher nicht! Und also auch nicht in die Schule gehen, die einst die verachtenswürdige Mutter besucht hat, trotz des vielversprechenden Namen Nevermore. Der Wechsel wurde nur leider unausweichlich, weil Wednesday sich an einem Schulkollegen rächen musste. Der ließ Bruder Pugsley unangemessene Behandlung zuteilwerden, womit die Schwester nicht einverstanden war: Meinen Bruder foltere ich immer noch selber. Die Piranhas leisteten ganze Arbeit. Acht Folgen der Netflix-Serie "Wednesday" sind seit Mittwoch abrufbar.

Obwohl, die neue Schule könnte dem eigenartigen Mädchen gefallen. Hier Vampire, dort Werwölfe, Sonderlinge in den Klassen, im Schulhof, so weit das Auge reicht, die Zimmerkollegin hat Krallen, und ein Gewitter zieht auch auf. Klingt schrecklich gut, für das grundernste Kind leider nicht schrecklich genug. Nicht einmal Blut beim Florettkampf besänftigt, eher das Auftauchen eines alten Bekannten, "Thing", hierzulande besser bekannt als "eiskaltes Händchen". Ein Plan ist gefasst: "Unsere erste Aufgabe ist es, diesem Teenager-Fegefeuer zu entkommen." Zunächst gilt es allerdings, die unheimlich liebe Psychotherapeutin zu ertragen, und das ist erst der Anfang.

Was es war

1964 startete bei ABC "The Addams Family" inmitten einer magischen Phase des US-Fernsehens. Es gab "The Munsters", "Bezaubernde Jeannie", "The Flying Nun" und "Verliebt in eine Hexe". Fantastische Serien mit einem Schuss Humor waren gefragt, Produzenten experimentierten einerseits mit den Möglichkeiten neuer Technologien, andererseits ging es darum, eingefahrene Systeme aufzubrechen und den altbackenen Familienkomödien einen weniger moralischen Touch zu geben. Die spießigen Fifties waren endgültig vorbei.

Wer hat es erfunden?

Verursacht hat das Ganze Chas Addams. Der Cartoonist publizierte ab 1932 regelmäßig im "New Yorker", unter anderem auch die "Addams Family". Addams interessierte sich für Waffen und Folterinstrumente und war bekannt für seinen schwarzen Humor. Seine dritte Frau trug bei der Hochzeit schwarz, die Zeremonie fand auf einem Tierfriedhof statt.

Und wie wurde das zur Serie?

Der damalige Marktführer CBS entwickelte eine "Monster-Sitcom", weshalb NBC dringend ein entsprechendes Pendant suchte. Es gelang: "The Addams Family" ging am 18. September 1964 auf Sendung, nur sechs Tage später "The Munsters". Chas Addams soll mit 1.000 Dollar pro Woche inklusive Gewinnbeteiligung am Merchandising seiner Figuren abgespeist worden sein. Die Hauptrollen übernahmen Carolyn Jones als Morticia und John Astin als Gomez. Lisa Loring war Wednesday. Die "Addams Family" blieb die bekannteste Rolle der heute 64-jährigen Schauspielerin. Trotz großen Erfolges endete die Serie 1966 nach 64 Episoden.

Berühmte Worte

"Salt, pepper, or cyanide?" (Morticia)

Aber das war noch nicht alles, oder?

1991 folgte unter der Regie von Barry Sonnefeld ein Kinofilm mit Raul Julia als Gomez, Anjelica Huston als Morticia und der blutjungen Christina Ricci als Mittwoch-Mädchen. Ricci ist in "Wednesday" als unheimlich liebe Psychotherapeutin wieder dabei. Die Wednesday-Eltern spielen in der Serie Nebenrollen, dargestellt werden sie von Catherine Zeta-Jones und Luis Guzmán. Die Figur der Wednesday übernimmt die 20-jährige Jenna Ortega.

Was kann die Serie?

Referenzen zur Kultserie gibt es zuhauf, wenn etwa Wednesday von maschineller Guillotinierung ihrer Puppen erzählt. Viele Figuren aus der "Addams Family" feiern ebenfalls ihr Comeback, neben Morticia und Raul haben etwa Butler Lurch und Uncle Fester ihre Auftritte und natürlich "Thing", das eiskaltes Händchen erweist sich als treuer Freund.

Wer eine Neuauflage der alten Folgen mit schräger Optik und schwarzem Humor erwartet hat, dürfte aber enttäuscht werden. Netflix bespielt mit "Wednesday" einmal mehr das beliebte Streaminggenre "Young Adults auf Monsterjagd". Die schaurig-schrille Handschrift von Horrormeister Tim Burton ("Sweeney Todd", "Sleepy Hollow") ist in Bild, Sound und Ton gut erkennbar.

Auf ihrer Reise ins Innere der Finsternis gibt es für Wednesday eine Menge zu tun, etwa amerikanische Geschichte aufarbeiten, uneinsichtige Direktorinnen erschrecken, den begriffsstutzigen Sheriff auf Vordermann bringen, ein, nein, gleich zwei Love Interests in ihre Grenzen weisen und vieles mehr. Das Ergebnis könnte man am ehesten als "Stranger Things" trifft Roald Dahls "Matilda" auf Hogwarts bezeichnen, inklusive beeindruckender digitaler Umsetzung. Ein flotter Seriengruselspaß, der allerdings mit dem Original nur die Namen gleich hat. (Doris Priesching, 24.11.2022)

Erratum: Morticia wird natürlich nicht von der göttlichen Jennifer Lopez gespielt, sondern von der nicht minder anbetungswürdigen Catherine Zeta-Jones. Wir bedauern!