Mahrer fordert von der Regierung, alle Möglichkeiten voll auszuschöpfen.

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Wien/Berlin/Brüssel – Die in Deutschland geplanten Preisbremsen für Strom und Gas sorgen auch hierzulande für Diskussionen und Forderungen nach einem ähnlichen Vorgehen. Ansonsten drohten Wettbewerbsnachteile, wird etwa argumentiert. Nachdem am Dienstag aus deutschen Regierungskreisen verlautet ist, dass die dortigen Preisbremsen auf Jänner vorgezogen werden, fordert nun selbst WKO-Präsident Harald Mahrer "rasch Maßnahmen von der Bundesregierung". So war er mit der SPÖ und der FPÖ selten, aber doch eins.

"Österreich kann sich deutlich höhere Energiepreise als andere Nachbarstaaten nicht leisten, denn diese sind zum Nachteil der eigenen Wettbewerbsfähigkeit", warnte Wirtschaftskammer- und ÖVP-Wirtschaftsbundchef in einer schriftlichen Mitteilung. "Daher braucht es für die heimischen Betriebe eine weitere, kraftvolle Unterstützung unter maximaler Ausnutzung des EU-Beihilferahmens." Diese müsse "rasch und unbürokratisch" umgesetzt werden.

EU-Abstimmung über Gaspreis-Deckel

Im Raum steht auch ein EU-weiter Gaspreisdeckel beim Großhandel. Darüber wird in Brüssel schon länger gerungen. Im Streit der Mitgliedstaaten um den EU-weiten Gaspreisdeckel zeichnet sich am Tag vor dem Treffen der Energieminister in Brüssel eine Kompromisslösung ab. Eine größere Gruppe von 15 Ländern rund um Frankreich, Spanien und Griechenland drängt vehement auf direkte Markteingriffe. Sie sind weniger von russischen Lieferungen abhängen, wollen auch mit EU-Geldern die Preise runterdrücken.

Fünf Länder – Deutschland, Österreich, Ungarn, die Niederlande und Bulgarien – sind skeptisch. Sie befürchten, dass damit Lieferungen von LNG-Flüssiggas aus aller Welt, die russisches Gas bereits zu einem großen Teil ersetzten, behindert werden. Die Folge könnte Versorgungsknappheit und dann erst recht wieder Preisexzesse sein.

Die EU-Kommission hat am Dienstag einen Vorschlag präsentiert, der einen Marktkorrekturmechanismus vorsieht, der den Handel strenger regulieren würde, ohne in die Handelspreise direkt einzugreifen bzw. sie vorzugeben. Demnach soll an der Referenzhub TTF in den Niederlanden der Handel ausgesetzt werden, sofern eine bestimmte Preisschwelle – 275 Euro pro Megawattstunde – überschritten wird. Die Regelung wäre auf ein Jahr begrenzt.

Direkter Eingriff

Mit diesem Modell können sich im Prinzip alle EU-Länder im Prinzip anfreunden. Es gäbe dafür auch eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat, die Gruppe um Deutschland und Österreich hätte keine Veto- bzw. Blockademöglichkeit. Bei den Dauerverhandlungen am Mittwoch im Vorfeld der Minister ging es darum, inwieweit ein solcher Marktkorrekturmechanismus automatisch wirken soll, also auch aufgehoben wird, wenn die Märkte sich beruhigt haben, oder ob der EU-Ministerrat dazu eine politische Entscheidung treffen kann.

Vermutlich wird es einen Grundsatzbeschluss geben, zu dem die juristischen Dienste noch nacharbeiten müssen. Daran hängen jedenfalls eine Reihe von gemeinschaftlichen Maßnahmen zur Gasversorgung, etwa Regelungen zur Solidaritätsverpflichtung der Staaten, wenn es zu Gasknappheit kommt, oder zum gemeinsamen Einkauf.

Hitzige Debatten auch innerhalb von Österreich

Die Forderung nach Preisbremsen wird auch in Österreich immer lauter. Forderungen beziehungsweise Warnungen Richtung ÖVP-Grünen-Bundesregierung bekräftigte zuletzt auch die SPÖ. "Die Konkurrenzfähigkeit unserer Betriebe steht auf dem Spiel, das gefährdet die gesamte Wirtschaft", so Vizeklubchef Jörg Leichtfried in einer Aussendung. "Es geht darum, die Preise zu senken, die Inflation zu dämpfen. Deshalb ist eine Gaspreisbremse vernünftig, weil sie sich auch auf Strom- und Lebensmittelpreise günstig auswirkt."

Erst vergangene Woche versuchten die Sozialdemokraten im Parlament, eine Gaspreisbremse durchzusetzen. Eine Mehrheit gab es nicht, auch die FPÖ stimmte damals gegen den SPÖ-Vorschlag. Inzwischen hat sich aber auch FPÖ-Chef Herbert Kickl für einen Gaspreisdeckel ausgesprochen: Eine halbherzige Strompreisbremse für Haushalte sei bei weitem nicht ausreichend, teilte er in einer Aussendung mit.

Mahrer: EU-Rahmen voll ausschöpfen

Zu weiteren Energiehilfen betonte Mahrer in Richtung Regierung, dass "Österreich beim vorliegenden Modell des Energiekostenzuschusses den EU-Beihilferahmen nicht voll ausgeschöpft hat". Kürzlich von der EU-Kommission umgesetzte Verbesserungen würden weitere Spielräume schaffen. So sei der Beihilfenrahmen bis Ende 2023 verlängert worden und sehe eine deutliche Erhöhung der Grenzen für förderbare Volumina vor, so Mahrer, der auch noch auf die "Beseitigung unnötiger Bedingungen" verwies.

"Gleichzeitig besteht auch bei der Strompreiskompensation Spielraum", so Mahrer. "Längerfristig sind weiterhin hohe Preise zu erwarten, daher sollte die Beihilfe nicht befristet sein, sondern wie auch etwa in Deutschland bis 2030 laufen. Wir wollen nicht, dass unsere Betriebe am äußersten Limit wirtschaften – und das ist aufgrund der Kostensituation in vielen Betrieben derzeit leider schon Realität." Daher gelte es mit entsprechenden Maßnahmen die Energiekostensituation für die Betriebe abzufedern, warnte der oberste Wirtschaftskämmerer vor einer Existenzgefährdung für Standort, Betriebe und Mitarbeiter.

Appell der Industriellenvereinigung

Nationalstaatlich müsse unbedingt gehandelt werden, auch wenn es beim EU-Energieministerrat am Donnerstag Beschlüsse zu Maßnahmen im Gassektor geben sollte, ging aus den Zeilen Mahrers gegenüber der APA hervor. Denn auch wenn etwas beschlossen werde, brauche es Zeit, bis die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden könnten. "Daher braucht es von der österreichischen Bundesregierung rasch Maßnahmen, die die exorbitant gestiegenen Energiepreise abfedern, bis etwaige europäische Lösungen umgesetzt und wirksam werden."

Im Vorfeld der Sitzung der europäischen Energieministerinnen und Energieminister kam auch ein Appell der Industriellenvereinigung (IV) – die auch Austro-Maßnahmen nach deutschem Vorbild forderte, wenn die dortigen Pläne von der EU genehmigt werden. "Bei all den aktuellen Diskussionen und Überlegungen lautet das oberste Gebot Schnelligkeit. Denn jeder Tag, an dem die Energiekosten in Europa steigen, verlieren unsere Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit", warnte Präsident Georg Knill ein rasches Handeln ein.

Grundsätzlich positiv sieht die Industrie die weiteren Schritte zur Linderung der aktuell hohen Energiepreise in der Nutzung der gemeinsamen Gaseinkaufsplattform zur Bevorratung der EU-Mitgliedsstaaten und durch das Kappen von Gaspreisspitzen zur Vermeidung punktueller Ausschläge auf den Intraday-Gas-Derivate-Märkten. In anderen Bereichen gingen die Pläne der EU-Staaten jedoch nicht weit genug. "Auf der Tagesordnung fehlt die dringend notwendige Entkopplung von Strom- und Gaspreis auf EU-Ebene. Das wird zunehmend nicht nur zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Weltregionen führen – es steigt auch die Gefahr, dass es innerhalb der EU zu einem nationalen Wettlauf der Unterstützungen kommt." (APA, tom, 23.11.2022)