China weitet seine Corona-Beschränkungen aus.

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Die Szenen haben etwas Futuristisch-Dystopisches: Eine gesichtslose Armee von in weiße Schutzanzüge gekleideten Aufsehern weicht langsam gegen eine wütende Menge zurück, die schreiend mit Gegenständen wirft.

Es soll sich dabei um Arbeiter des Foxconn-Werks bei der chinesischen Stadt Zhengzhou handeln. Die Demonstranten sollen laut chinesischen Medien neu eingestellte Arbeiter sein, die aus Angst vor Infektionen nicht mit älteren Mitarbeitern den Schlafsaal teilen wollen.

Apple-Zulieferer

Das taiwanische Unternehmen Foxconn beschäftigt in China rund eine Million Menschen und ist vor allem als Apple-Zulieferer bekannt. Vor einigen Wochen waren tausende Arbeiter ausgebrochen und teils hunderte Kilometer weit nach Hause gelaufen, weil die Unternehmensleitung einen Lockdown über das Betriebsgelände verhängt hatte.

Aufnahmen der Unruhen bei einem Apple-Zulieferer.
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Die Ereignisse in Zhengzhou zeigen, wie angespannt die Situation in China mittlerweile ist. Die Neuinfektionen mit der Omikron-Variante haben ein Rekordhoch erreicht. Rund 22.000 Menschen sollen sich vergangene Woche mit dem Coronavirus infiziert haben. Trotzdem rücken die Behörden nicht von ihrer Zero-Covid-Strategie ab.

Im Gegenteil: Derzeit befinden sich so viele chinesische Metropolen in Teillockdowns wie noch nie. Sowohl in Chongqing und Guangzhou als auch in Peking gibt es massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens und sogenannte dynamische Lockdowns.

Dunkle Erinnerungen

In Schanghai fühlen sich derzeit viele an die schwierigen Frühlingsmonate erinnert, als die Behörden die Stadt für drei Monate abriegelten. Das Verständnis für die Maßnahmen sinkt stetig: So dürfen nach Schanghai Reisende zwar Massenverkehrsmittel benutzen, aber für fünf Tage keine Bar und kein Restaurant besuchen.

"Das einzige Konsistente ist, dass sich die Regeln ständig ändern", schreibt ein Expat auf Twitter. Nach dem Treffen von Staatschef Xi Jinping mit US-Präsidenten Joe Biden und zuvor mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz hatte es zunächst etwas Hoffnung gegeben, China werde von seiner strikten Zero-Covid-Politik abrücken. Derzeit aber gehe es "zehn Schritte vorwärts und neun zurück", wie jüngst ein Berater sagte.

Unterdessen nehmen die wirtschaftlichen Schäden zu. Dieses Jahr dürfte das chinesische BIP um weniger als drei Prozent wachsen – so gering wie seit Jahrzehnten nicht mehr. "Man wollte sich mit der strikten Zero-Covid-Politik Zeit erkaufen. Aber diese Zeit hat man nicht genutzt, um die Bevölkerung zu impfen", sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking.

"Ausländische mRNA-Impfstoffe will man nicht nutzen, und nun hat man zusätzlich das Problem, dass durch die zahlreichen Maßnahmen das Immunsystem der Menschen heruntergefahren ist. Gleichzeitig ist klar, dass die Wirtschaft stark leidet, die Arbeitslosigkeit steigt und die Unzufriedenheit wächst. China ist mittlerweile vom Virus getrieben." Warum China sich den mRNA-Impfstoffen verweigert, ist nicht ganz klar. Zwar soll es gerade in der älteren Bevölkerung eine starke Impfskepsis geben. Dagegen mit Zwang und Gewalt vorzugehen war aber bisher durchaus im Repertoire der Kommunistischen Partei Chinas. (Philipp Mattheis, 23.11.2022)