Die Juristinnen Maria Paulmichl und Antonia Werner geben im Gastblog einen Überblick über bestehende rechtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und zeigen Handlungsoptionen für Betroffene auf.

Allein in diesem Jahr gab es in Österreich bisher 28 Frauenmorde (Femizide). Jede fünfte Frau ist sexualisierter oder körperlicher Gewalt ausgesetzt; nicht zu vernachlässigen bleibt die Dunkelziffer. Mit der UN-Women-Kampagne "Orange the World" (OTW) soll jährlich in der Zeit vom 25. November bis zum 10. Dezember ein besonders starkes Zeichen gegen Gewalt an Frauen gesetzt und auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden.

Auch mit diesem Text soll ein Beitrag geleistet und mittels eines Leitfadens Betroffenen aufgezeigt werden, wo und wie schnelle Hilfe gegen Gewalt in Anspruch genommen werden kann. Da die Personen, von denen Gewalt ausgeht, in den überwiegenden Fällen männlich sind, werden diese im Folgenden nur als Gefährder und nicht auch als Gefährderin bezeichnet. Freilich kann dies aber auch anders gelagert sein. Die rechtlichen Schutzmaßnahmen gelten aber natürlich für jede Person und unabhängig ihres Geschlechts.

An wen können sich Betroffene wenden?

Für von Gewalt Betroffene gibt es zahlreiche Vereine und Einrichtungen als Anlaufstelle. Diese gewähren Unterstützung in vielfältiger Ausprägung, von seelischer über finanzielle bis hin zu rechtlicher Hilfe. Für Frauen (und deren Kinder), die in Gewaltbeziehungen leben, stellen Frauenhäuser insbesondere Schutz und eine sichere Unterkunft zur Verfügung. Betroffene Frauen können sich außerdem an die Frauenhelpline gegen Gewalt oder den Helpchat für Onlineberatung wenden; betroffene Männer können sich bei der Männerberatung Hilfe holen. Umfassende Unterstützung bis hin zur Prozessbegleitung bietet der Verein Weißer Ring für Verbrechensopferhilfe.

Über die rechtliche Handhabe informiert zu sein ist für Betroffene beim Vorgehen gegen Gewalt von hoher Bedeutung.
Foto: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/ZbynekPospisil

Droht eine (neuerliche) Gewaltsituation, können sich Betroffene ferner an sogenannte Opferschutzeinrichtungen (Gewaltschutzzentren) wenden, die ebenso eine umfangreiche und kostenlose Beratung sowie Unterstützung gewähren. Besondere Bedeutung kommt den Opferschutzeinrichtungen auch dann zu, wenn präventive Gewaltschutzmaßnahmen – nämlich ein sogenanntes polizeiliches Betretungs- und Annäherungsverbot gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) oder eine einstweilige Verfügung zum Gewaltschutz gemäß § 382b oder § 382c Exekutionsordnung (EO) – verhängt werden. Diesfalls stehen sie nämlich in Kontakt mit den Sicherheitsbehörden und haben darüber hinaus die Befugnis, bestimmte Anträge bei Gericht einzubringen. Sind Minderjährige einer Gewaltsituation ausgesetzt, wird der Kinder- und Jugendhilfeträger beigezogen.

Schnelle Hilfe: Betretungs- und Annäherungsverbot

Was wird damit erreicht?

Das sogenannte Betretungs- und Annäherungsverbot (§ 38a SPG) verspricht schnellen Schutz in einer konkreten Gefahrensituation. Infrage kommt die Maßnahme vor allem bei häuslicher Gewalt. Denn mit deren Anordnung wird dem Gefährder für die Dauer von 14 Tagen (mit Verlängerungsmöglichkeit) verboten, die Wohnung samt einem Umkreis von 100 Metern zu betreten (Betretungsverbot) und sich der betroffenen Person – egal an welchem Ort – in einem Umkreis von 100 Metern zu nähern (Annäherungsverbot). Der Gefährder muss – falls notwendig unter Anwendung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – diesen Schutzbereich sodann verlassen, und es werden ihm allenfalls seine Wohnungsschlüssel abgenommen. Außerdem muss der Gefährder verpflichtend an einer Gewaltpräventionsberatung teilnehmen.

Wie wird dabei vorgegangen?

Das Betretungs- und Annäherungsverbot wird von den aufgrund eines abgesetzten Notrufs einschreitenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort verhängt. Voraussetzung ist, dass eine ernstliche Gefahr der Gewaltausübung durch den Gefährder besteht, welche die Anordnung der Schutzmaßnahme erforderlich macht. Ob dies der Fall ist, entscheiden die Beamtinnen und Beamten aufgrund des Gesamtbilds, das sie sich bei ihrem Einsatz über die Situation verschafft haben. Hilfreich ist daher freilich, den Geschehensablauf und allfällige Vorgeschichten genau zu schildern. Denn bei der Entscheidung über die Notwendigkeit der Maßnahme werden sowohl die Aussagen der Beteiligten und deren Verhalten in der Situation als auch frühere Vorfälle berücksichtigt.

Als gerechtfertigt wurde in der Rechtsprechung die Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots etwa in folgendem Fall angesehen: Der alkoholisierte Gefährder hatte der Betroffenen nach Vorwürfen und Beschimpfungen auf der Stiege einen Tritt ins Gesäß versetzt und sich anschließend den Beamtinnen und Beamten gegenüber unhöflich, widersetzend sowie die Situation verharmlosend gezeigt, während die Betroffene sich erst eingeschüchtert im Bad eingesperrt hatte und dann nicht in dem gemeinsamen Zuhause bleiben wollte.

Was passiert nach Verhängung der Maßnahme?

Die Einhaltung des Betretungs- und Annäherungsverbots wird von den Beamtinnen und Beamten zumindest einmal während der ersten drei Tage, bei Bedarf auch öfter kontrolliert. Verstößt der Gefährder gegen die Maßnahme und betritt er unbefugt den geschützten Bereich, sollte sofort die Polizei verständigt werden; die Beamtinnen und Beamten müssen den Gefährder dann wiederum aus der Schutzzone wegweisen und bei Notwendigkeit zwangsweise wegbringen.

In diesem Fall – aber auch wenn er nicht an der Gewaltpräventionsberatung teilnimmt – erhält der Gefährder außerdem eine Verwaltungsstrafe. Die Strafe beträgt bis zu 2.500 Euro, bei wiederholtem Verstoß bis zu 5.000 Euro. Kann er die Strafe nicht bezahlen, erhält er eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen. Zu beachten ist aber, dass die Verbote beidseitig gelten: Das bedeutet, dass der Gefährder während der Dauer der Maßnahme auch nicht wieder in die Wohnung gelassen werden darf, andernfalls kann ebenso eine Verwaltungsstrafe über die Betroffenen verhängt werden. Hat der Gefährder wichtige persönliche Gegenstände in der Wohnung vergessen, darf er diese nur mehr unter polizeilicher Aufsicht holen.

Sobald das Betretungs- und Annäherungsverbot angeordnet wird, verständigt die Polizei außerdem die jeweils zuständige Opferschutzeinrichtung. Diese nimmt dann selbst Kontakt mit den Betroffenen auf, um diese in der weiteren Vorgehensweise zu beraten und zu unterstützen. Zum Beispiel helfen die Opferschutzeinrichtungen auch mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung, der – wird er innerhalb von 14 Tagen ab Verhängung des Betretungs- und Annäherungsverbots gestellt – dieses um weitere 14 Tage verlängert.

Längerfristige Abhilfe: Einstweilige Verfügungen

Was wird damit erreicht?

Mit den einstweiligen Verfügungen kann längerfristiger Schutz erreicht werden. Unterschieden wird zwischen der einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen (§ 382b EO) und jener zum allgemeinen Schutz vor Gewalt (§ 382c EO). Außerdem kann ein Antrag auf Schutz vor Stalking gestellt werden (§ 382d EO). Mit der einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen wird dem Gefährder vom Gericht das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufgetragen sowie die Rückkehr dorthin für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten verboten. Wird parallel dazu ein Scheidungsverfahren geführt, kann die Dauer der Maßnahme bis zu dessen Ende verlängert werden.

Mit der einstweiligen Verfügung zum allgemeinen Schutz vor Gewalt kann das Gericht für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr (mit Verlängerungsmöglichkeit bei Verstoß) dem Gefährder verbieten, sich an bestimmten Orten aufzuhalten, sich der betroffenen Person oder bestimmten Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern oder ihm auftragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme zu vermeiden. In beiden Fällen kann außerdem die Teilnahme an einer Gewaltpräventionsberatung aufgetragen werden.

Voraussetzungen für die Beantragung einer einstweiligen Verfügung?

Voraussetzung für diese einstweiligen Verfügungen ist zunächst, dass die vom Gefährder ausgeübte Gewalt entweder das Zusammentreffen oder das Zusammenleben mit diesem unzumutbar macht. "Gewalt" meint damit nicht nur einen körperlichen Angriff, sondern auch eine ernst gemeinte Drohung mit einem solchen sowie ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten ("Psychoterror"). Dementsprechend wurde das Vorliegen der Voraussetzungen etwa beim heimlichen Mischen einer Tablette in das Getränk oder brieflichem, telefonischem und persönlichem Terrorisieren, Beschimpfen und Bedrohen nach Beendigung einer Lebensgemeinschaft von den Gerichten bejaht. Ohne Bedeutung ist grundsätzlich, ob das genannte Verhalten des Gefährders eine Zeitlang hingenommen wird und sich Betroffene also nicht bereits bei dem ersten Gewaltakt dazu entschließen, einen Antrag auf einstweilige Verfügung zu stellen.

Für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen ist weiters Voraussetzung, dass die Betroffenen ein dringendes Wohnbedürfnis an der Schutzwohnung haben. Dieses liegt vor, wenn ihnen keine andere ausreichende und gleichwertige Wohnung zur Verfügung steht, in die sie sich "zurückziehen" könnten. Die Eigentumsverhältnisse sowie das Wohnbedürfnis des Gefährders sind dabei irrelevant; der Schutz vor Gewalt geht somit vor. Bei der einstweiligen Verfügung zum allgemeinen Gewaltschutz ist demgegenüber kein Zusammenleben erforderlich; vielmehr muss das Schutzinteresse der Betroffenen die Interessen des Gefährders am Aufenthalt an bestimmten Orten überwiegen. Diese Frage kann sich etwa bei einem gemeinsamen Arbeitsplatz oder der Notwendigkeit der Verwendung eines bestimmten öffentlichen Verkehrsmittels zu einer bestimmten Uhrzeit stellen.

Wie muss dabei vorgegangen werden?

Die einstweilige Verfügung muss beim Bezirksgericht des eigenen Wohnortes beantragt werden (allgemeiner Gerichtsstand). Bei der Antragstellung können sich Betroffene von den genannten Opferschutzeinrichtungen kostenlos unterstützen lassen. Im Zuge des Antrags sind die genannten Voraussetzungen der einstweiligen Verfügungen glaubhaft zu machen. Dafür sind der Anlassfall (das heißt die Gewalttat, wegen der sich die betroffene Person zur Antragstellung entschieden hat) sowie allenfalls länger zurückliegende Vorfälle anzuführen und – wenn vorhanden – sogenannte Bescheinigungsmittel beizulegen, wie zum Beispiel medizinische Befunde, Fotos von Verletzungen sowie Chatverläufe. Das Gericht hat außerdem Einsichtsmöglichkeit in die bei einem Betretungs- und Annäherungsverbot verfasste Dokumentation der Sicherheitsbehörden. Generell ist daher ratsam, für sich aufzuschreiben, was genau passiert ist, und mögliche Zeuginnen und Zeugen namentlich anzuführen. Im Antrag sind weiters die Erstattung der Verfahrenskosten, die konkret gewünschte(n) Maßnahme(n) sowie die Dauer dieser Maßnahme(n) zu begehren.

Was passiert bei Verstoß gegen die auferlegten Maßnahmen?

Das Gericht hat im Zuge des Verfahrens die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde zu informieren und kann sie beauftragen, auf Ersuchen der Betroffenen einzugreifen. Verstößt der Gefährder gegen die einstweilige Verfügung, kann also einfach die Polizei verständigt werden, welche mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt wieder den entsprechenden Zustand herstellt, also zum Beispiel den Gefährder von einem verbotenerweise aufgesuchten Ort entfernt. Bei Verstoß gegen die vom Gericht auferlegten Maßnahmen fällt außerdem eine Verwaltungsstrafe an.

Wie gezeigt gibt es also durchaus rechtliche Möglichkeiten, um schnellen Schutz vor Gewalt zu erlangen. Natürlich können damit nicht alle Probleme gelöst werden, aber zumindest bestehen Handlungsoptionen, die in diesem Beitrag – ganz im Sinne der OTW Kampagne – sichtbar gemacht werden sollten. (Maria Paulmichl, Antonia Werner 25.11.2022)